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Der Feind in meinem Beet

31.05.2010

Mensch und Salatkopf haben vielleicht nicht viel gemeinsam. Aber beide wissen, was Stress ist. Bei Pflanzen kann das zu wenig Wasser sein oder zuviel, Blattfraß durch Raupen, Hitze, Frost oder Pilzbefall – und mit etwas Pech gleich mehrere Probleme auf einmal. Ein Tier würde die Flucht ergreifen, der Mensch zum Angriff übergehen. Mit beidem tun sich Kartoffeln oder Mohrrübe schwer. Pflanzen haben andere Strategien entwickelt, um zu überleben.

Jede einzelne Zelle kann sich wehren. Sie schaltet um: von Wachstum auf Abwehr. Durch Krankheitserreger werden beispielsweise die Wände der Pflanzenzellen zu mehr Wachstum angeregt, sodass sie dicker werden. Außerdem werden Hormone ausgeschüttet, die die Nachbarzellen warnen: Achtung Angreifer! „Der Vorteil dieser Strategie ist, dass die Pflanze überlebt. Der Nachteil: Wenn dieses Programm läuft, hört die Pflanze auf zu wachsen und verteidigt sich nur noch“, erklärt Tina Romeis, Professorin für Pflanzenbiochemie.

Wie die Verteidigungsstrategien genau aussehen, das untersucht sie innerhalb des „Dahlem Centre of Plant Sciences“ gemeinsam mit den Juniorprofessorinnen Susanne Wurst und Anke Steppuhn. An einem Modell aus Tabakpflanze, Tabakraupe und einem speziellen Wurzelpilz wollen sie zeigen, wie Pflanzen mit mehreren Problemen gleichzeitig umgehen. „Multitasking Plants“ heißt das Projekt der drei Forscherinnen. Tina Romeis erforscht die Zusammenhänge aus Sicht der Biochemie. Wenn Pflanzen gestresst seien, führe das innerhalb von Sekunden zu einem Anstieg der Kalziumkonzentration in ihren Zellen, sagt die Wissenschaftlerin: „Das Verhalten bei Stress ist facettenreich, eine Pflanze reagiert auf Pilzbefall oder Raupenfraß anders als auf Trockenheit oder auf Hitze.“ Woran die Pflanze genau erkennt, welche Reaktion die richtige ist, ist eine der Fragen, die die Wissenschaftlerinnen beantworten wollen. Ob diese Reaktion wiederum die Interaktion der Pflanze mit anderen Lebewesen verändern kann, untersucht Anke Steppuhn. Die Juniorprofessorin für Molekulare Ökologie will herausfinden, wie sich Tabakpflanzen gegen Insektenfraß zur Wehr setzen. Deshalb werden die Raupen in kleinen Käfigen im Gewächshaus geduldet. Und Susanne Wurst, Juniorprofessorin für Funktionelle Biodiversität, erforscht, welche Folgen „Stress unter der Erde“ für die Pflanze hat. Kann etwa ein Pilz in den Wurzeln auch Auswirkungen auf die Blätter haben? „Wir arbeiten zwar alle an ein und derselben Pflanzenart, aber eben mit ganz unterschiedlichen Blickweisen“, sagt Tina Romeis. Interessant sind die Ergebnisse vor allem für die Landwirtschaft. Dort werden dringend Nutzpflanzen gesucht, die mit Stress gut umgehen können – und im Idealfall multitaskingfähig sind. jk