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Promovieren mit Prädikat

Ein Gespräch mit der Geschäftsführerin der Dahlem Research School, Martina van de Sand, über die Zukunft der Doktorandenausbildung

31.05.2010

Im Gespräch bleiben: Eine Promotion an der DRS bringt Doktoranten verschiedener Fächer und Länder zusammen.

Im Gespräch bleiben: Eine Promotion an der DRS bringt Doktoranten verschiedener Fächer und Länder zusammen.

Wie sollen Doktoranden künftig ausgebildet werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Konferenz der European University Association, die vom 4. bis 5. Juni 2010 an der Freien Universität Berlin stattfindet. Martina van de Sand, Geschäftsführerin der Dahlem Research School, unter deren Dach die strukturierten Promotionsprogramme der Freien Universität zusammengefasst sind, spricht im Interview über die Zukunft der Promotion, die Vor- und Nachteile von Graduiertenprogrammen und die Lehren aus dem Bologna-Prozess.

Die Doktorandenausbildung in Deutschland hat in den letzten Monaten negative Schlagzeilen gemacht. Mithilfe von „Promotionsberatern“ haben sich einige Doktoranden ihre Titel offenbar nicht erarbeitet, sondern erkauft. Sind strukturierte Promotionsprogramme gegen solchen Betrug eher gefeit als die klassische „Individualpromotion“ bei einem Doktorvater?

Vor krimineller Energie ist wahrscheinlich kein Programm sicher. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas in einer Graduiertenschule passieren würde, ist aber äußerst gering, weil zusätzliche Mechanismen der Qualitätssicherung greifen.

Welche Mechanismen sind das?

Es beginnt bereits vor der Aufnahme in ein strukturiertes Programm: Die Bewerberinnen und Bewerber müssen sich in der Regel einem strengen, mehrstufigen Auswahlprozess unterziehen. Die Doktoranden in den Programmen der Dahlem Research School sind als Studierende eingeschrieben. Wir haben einen Überblick darüber, woher sie kommen und wie lange sie promovieren. Es werden Vereinbarungen geschlossen mit Betreuungsteams, denen mindestens zwei oder sogar drei Wissenschaftler angehören. Sie treffen und besprechen sich regelmäßig mit den Doktoranden, auch auf informeller Ebene. Einmal im Jahr gibt es zudem ein Monitoring zum Promotionsfortschritt, und all diese Gespräche werden protokolliert. Es würde schnell auffallen, wenn jemand darunter wäre, der den wissenschaftlichen Anforderungen nicht gewachsen ist.

Die Teilnehmer der Konferenz der European University Association befassen sich mit der Zukunft der Doktorandenausbildung. Wie sieht diese Zukunft Ihrer Meinung nach aus?

Ich bin davon überzeugt, dass strukturierte Programme als Alternative zum „Lehrlingsmodell“ immer attraktiver werden. Die verschiedenen Universitäten arbeiten – je nach Fächerkultur – mit unterschiedlichen Modellen, die aber im Kern einige Gemeinsamkeiten haben, nämlich die Verständigung über die Promotionsdauer, eine Vereinbarung über die Betreuung durch mehrere Personen und ein begleitendes Curriculum. Deutschlandweit fangen wir an, uns auf verbindliche Regeln festzulegen und Qualitätsstandards zu etablieren. Diesem Ziel dient auch die Gründung des Universitätsverbandes zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland – kurz UniWind –, dem die Dahlem Research School angehört.

Werden die Graduiertenprogramme das klassische „Doktorvatermodell“ in Zukunft verdrängen?

Davon gehe ich nicht aus. Das würde auch keinen Sinn ergeben, allein schon deshalb, weil die Promotion in einem strukturierten Programm, zum Beispiel einem Graduiertenkolleg, einer Graduiertenschule der Exzellenzinitiative oder einer Max Planck Research School bedeutet, dass nur solche Forschungsfragen bearbeitet werden können, die in den thematischen Fokus des Programms passen. Eine Konzentration ausschließlich auf diese Felder würde bedeuten, dass wir künftig keine Doktoranden mehr aufnehmen könnten, die mit eigenen Forschungsideen kommen. Damit würden wir unsere Forschungslandschaft beschneiden und uns großer Chancen berauben. Denn oft entwickeln sich die Forschungsfelder der Zukunft gerade aus individuellen, vielleicht auf den ersten Blick abseitig erscheinenden Vorhaben. Vielmehr denken wir darüber nach, künftig Promovierenden auf Wunsch auch außerhalb der Programme einen strukturierten Rahmen zu bieten. Die Nachfrage hierfür scheint relativ groß zu sein.

Die Doktoranden in den Graduiertenschulen müssen in den drei Jahren ihrer Ausbildung viel stemmen – sie belegen Seminare, unterrichten selbst, bilden sich an der Dahlem Research School in fachunabhängigen Fähigkeiten fort. Zudem sollen sie ihre Arbeit auf Konferenzen präsentieren, Artikel veröffentlichen und selbstverständlich eine exzellente Dissertation schreiben. Läuft das nicht auf eine Überfrachtung und Verschulung hinaus, wie sie auch den Bachelor- und Masterprogrammen vorgeworfen wird?

Diese dritte Phase der Bologna-Reform zur europaweiten Vereinheitlichung von Studienabschlüssen geistert, seit sie 2003 erstmals aufkam, als Schreckgespenst durch die akademische Landschaft. Wir wollen keine Verschulung und Bolognaisierung der Promotion bewirken, das wäre völliger Unsinn. Im Zentrum steht eindeutig die wissenschaftliche Arbeit. Unser Ziel ist eine Palette von fachlichen und überfachlichen Angeboten, die den Promotionsprozess möglichst effektiv unterstützen und dabei Raum lassen für individuelle Entwicklung. Wir wollen den Doktoranden Bedingungen bieten, die angemessen berücksichtigen, dass sie einerseits noch lernen, andererseits selbstständige junge Forscher sind.

Aber beschneiden die zusätzlichen Anforderungen nicht die Zeit für die selbstständige Forschung?

Im Gegenteil. Diese Anforderungen sollen das eigenständige Forschen begleiten und unterstützen. Der Anspruch ist zwar ambitioniert und mit großem Aufwand verbunden, denn die Doktoranden sollen nicht nur vertiefte Kenntnisse ihres Faches erwerben, sondern sich auch in benachbarte Disziplinen einarbeiten, auf Konferenzen gehen und Arbeiten veröffentlichen. Aber dies gehört mittlerweile zum guten Standard, und der ist entscheidend für die berufliche Zukunft der Absolventen, ganz unabhängig davon, ob sie in der Wissenschaft bleiben oder die Universität verlassen. Und die Struktur, die die Programme der Dahlem Research School bieten, garantiert eine große Unterstützung. Jemand, der sich das alles ohne diese Strukturen selbst aneignen muss, hat einen deutlich höheren Aufwand zu bewältigen. Nicht zuletzt deshalb sind Wissenschaftler, die nach dem Doktorvatermodell promovieren, sehr interessiert an den Angeboten der Dahlem Research School.

Die Fragen stellte Kerstin Pistorius