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Vorhang auf für Nachwuchsforscher

An der Dahlem Research School der Freien Universität Berlin lernen Doktoranden bei einem Schauspieler, wie man überzeugend auftritt

12.10.2009

Proben für den Auftritt. Schauspieler und Regisseur Ric Oquita unterrichtet die Doktoranden der Dahlem Research School: „Wenn wir selbst nicht wissen, was uns begeistert, können wir auch niemand anderen davon überzeugen.“

Proben für den Auftritt. Schauspieler und Regisseur Ric Oquita unterrichtet die Doktoranden der Dahlem Research School: „Wenn wir selbst nicht wissen, was uns begeistert, können wir auch niemand anderen davon überzeugen.“
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Von Julia Kimmerle

Internationale Konferenzen sind für Forscher ebenso wichtig wie Publikationen in Fachzeitschriften. Auf beiden Bühnen müssen sie glänzen können. Die Dahlem Research School der Freien Universität bietet Nachwuchswissenschaftlern deshalb auch Seminare mit Elementen aus dem Schauspielunterricht an.

Einatmen, ausatmen, und bloß kein Lampenfieber haben. Das hat Matthias auch nicht, denn er kennt seinen Text. Er weiß, wo seine Performance Dramatik braucht. Und wo er die Zuhörer mit einer Kunstpause überzeugen wird. Mathias stellt sich vor sein Publikum und legt los. Spricht über Multisided Platforms, über Konkurrenzdynamik und neue Technologien – seine Doktorarbeit, ein dramatisches Stück aus der Volkswirtschaftslehre. Nur fünf Minuten hat er für seinen Auftritt. Aber die Begeisterung, die er in seine Performance gelegt hat, überzeugt. Sein Publikum applaudiert.

An der Dahlem Research School proben Doktoranden wie Matthias nicht Shakespeare oder Schiller, sondern den Ernstfall: Wie überzeugt man als Nachwuchswissenschaftler auf den internationalen Bühnen der Forschung? Dafür bietet die Research School unter anderem das Seminar „Cool, Calm and Collected at International Conferences“ an. Geleitet wird es von dem Schauspieler und Regisseur Ric Oquita. Seit mehreren Jahren bringt er in Zusammenarbeit mit dem Weiterbildungsanbieter „impulsplus“ Wissenschaftlern bei, wie sie ihre Vorträge spannender und besser machen können. Ihn interessiert vor allem, was seine Seminareilnehmer motiviert: „Alles was wir tun, hat mit einer Leidenschaft zu tun – ob es nun um Literatur, Pharmazie oder Astrophysik geht. Daran müssen wir uns immer wieder erinnern, denn wenn wir selbst nicht wissen, was uns begeistert, können wir auch niemand anderen davon überzeugen.“

Für die Doktoranden, die von der Dahlem Research School betreut werden, ist dieses Seminar ein Glücksfall, meint Martina van de Sand, die Geschäftsführerin der Dahlem Research School: „Hier können die Teilnehmer eine Vortragssituation einmal ganz losgelöst von ihrer Disziplin und fachlichen Aspekten üben – und aus einer ganz anderen, spielerischen Sicht reflektieren.“ Theaterpädagogik eröffne neue Wege, und das sei für viele Seminarteilnehmer sehr motivierend.

440 Doktoranden aus unterschiedlichen Promotionsprogrammen der Freien Universität Berlin nehmen mittlerweile die Angebote der Dahlem Research School wahr. 2006 wurde die fachübergreifende Einrichtung für Graduiertenweiterbildung gegründet, 16 Promotionsprogramme nehmen gegenwärtig daran teil. Mit den Seminaren versucht die Research School auch neue Wege zu gehen. „Hier können wir einen stärker experimentellen Zugang zu Kernkompetenzen in der Wissenschaft anbieten als ein Standard Rhetorik-Seminar kann – und das kommt uns und den Doktoranden sehr entgegen.“

Christa, die gerade an ihrer Promotion in Pharmazie arbeitet, möchte lernen, wie sie ihre Forschung spannender präsentieren kann. Sie beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit mit der Frage, ob biotechnologisch erzeugte Modelle der menschlichen Haut in Studien der Pharmaindustrie einsetzbar sind. Kein Thema, das sich für Party-Smalltalk eignet. „Überlegt euch, wie ihr euer Publikum auf Euch aufmerksam machen könnt. Denkt euch einen spannenden Einstieg für eure Präsentationen aus“, fordert Ric Oquita von seinen Seminarteilnehmern und unterstreicht seine Worte mit großen Gesten. Wo, wenn nicht in diesem Seminar, hätten sie einen Ort, um spielerisch neue Vortragselemente auszuprobieren? Christa beginnt ihren Vortrag deshalb nicht mit einer These, sondern einer Frage: „Wissen Sie, wie viele Tiere jedes Jahr für Laborversuche getötet werden?“ Sie schweigt, die anderen Seminarteilnehmer raten angestrengt. „50 Millionen", verkündet Christa schließlich und schreibt die große Zahl mit den sieben Nullen an die Tafel. „Sie müssten nicht sterben, wenn die Biotechnologie in Zukunft bessere Hautmodelle entwickelt.“ Ihr Publikum nickt. Kaninchen in Käfigen und Labormäuse kann sich jeder vorstellen, auch wenn er von Pharmazie keine Ahnung hat. Für diesen Einstieg wird Christa deshalb auch von Ric Oquita in der Feedbackrunde gelobt. „Das ist ein gutes, leicht nachzuvollziehendes Bild“, sagt er. „Findet Punkte, die die Aufmerksamkeit eures Publikums sofort auf sich ziehen!“

Nicht immer müsste ein guter Vortrag direkt in das eigentliche Thema einsteigen. Auch ein Gedicht, Musik, ein Comic oder Liegestützen seien erlaubt – wenn sie helfen, den Vortrag besser und interessanter zu machen. Deshalb übt Oquita in seinen Seminaren nicht nur den souveränen Vortrag, sondern auch alles andere, das dazugehört. Und was auch Schauspielern bei einem Vortrag hilft. Atemübungen etwa, um die Stimme davor zu bewahren, sich vor Aufregung beim Vortrag zu überschlagen, Konzentrationsübungen mit bunten Bällen, um das Publikum während des Auftritts nie aus dem Blick zu verlieren und englische Redewendungen, um auch auf unerwartete Fragen oder Unhöflichkeiten gelassen zu reagieren.

Zum Abschluss filmt Oquita die Präsentationen der Seminarteilnehmer. Für Pharmazeutin Christa ein etwas unangenehmes Erlebnis, aber ein lehrreiches: „Da wurde mir wieder bewusst, wie die Körpersprache die eigene Unsicherheit verrät.“ Matthias hat ebenfalls vom Seminar profitiert. Auch wenn er seinen nächsten Vortrag nicht mit Liegestützen beginnen wird. „Für mich war vor allem spannend zu sehen, was man alles bei Präsentationen anders machen kann. Und dass man improvisieren und trotzdem souverän auftreten kann. Das braucht man schließlich nicht nur bei Konferenzen, sondern auch im Alltag.“