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Die Heilung des Ozonlochs

Wissenschaftlerin simuliert Klimaszenarien

12.10.2009

Von Sven Lebort

Wann immer von der „Heilung“ des Ozonlochs die Rede ist, spricht alle Welt nur von 1980: Wenn die Ozonwerte dieses Jahres wieder in der Atmosphäre gemessen würden, sei die Schädigung der Ozonschicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) überwunden, heißt es. Ulrike Langematz ist da skeptisch. Die Professorin für die Physik der mittleren Atmosphäre am Institut für Meteorologie der Freien Universität erforscht den Abbau der schädlichen Gase in der Stratosphäre, jener zweiten Schicht der Atmosphäre zwischen acht und 50 Kilometern über der Erde, in der die Ozonschicht liegt. Dazu bedient sie sich hochkomplexer Klimamodelle, die von Supercomputern am Konrad-Zuse-Zentrum berechnet werden. Das besondere dabei: Die Forscher der Freien Universität beziehen auch chemische Prozesse in ihre Simulation ein, die den Rechenaufwand zwar weiter erhöhen, dafür aber eine Vorhersage des Ozongehalts ermöglichen.

Das zentrale Ergebnis der Forschungen, die gemeinsam mit Wissenschaftlern im neuseeländischen Lauder entstanden sind, gibt Langematz recht: Es hat bereits vor 1980 einen deutlichen Abbau der Ozonschicht durch FCKW gegeben. „In den 1960er Jahren war die Schädigung noch sehr gering, doch in den 1970ern stieg sie dann stark an“, sagt die Professorin. Das sei plausibel, denn zur gleichen Zeit begann auch die massenhafte Verbreitung von FCKW in Deosprays und Kühlschränken. Eine sinnvolle Basis sei daher der Stand von 1970, auf den es zurückzugehen gelte, sagt sie – oder am besten gleich auf den von 1960, also vor der von Menschen verursachten Beschädigung der Ozonschicht. Je nachdem, welches Jahr man ansetzt, ändern sich die Zeiträume, die es nach den Prognosen der Forscher dauert, bis der ursprüngliche Zustand der Stratosphäre wieder erreicht ist. Der Weltmeteorologie-Organisation WMO zufolge könnten die Werte von 1980 über der Arktis bereits um das Jahr 2030 wieder gemessen werden, das größere Ozonloch über der Antarktis hingegen sei erst im Jahr 2055 wieder auf diesem Stand. Legt man die strengeren Werte von 1960 zugrunde, dauert es bei der Arktis bis 2045 und bei der Antarktis bis 2100. Ulrike Langematz konnte nun belegen, dass 40 Prozent der Schäden, die 1995 erkannt wurden, schon vor 1980 entstanden waren.

Wie bei allen Simulationen seien diese Zahlen noch mit Vorsicht zu genießen, sagt die Forscherin. So sei derzeit noch unklar, ob sich die Ozonschicht vollständig erhole. Auch den Effekt des Klimawandels könnten die Meteorologen bislang nur grob schätzen. Eine Erwärmung des Erdklimas führt nämlich zur Abkühlung der Stratosphäre, was die Erholung der Ozonschicht beschleunigen würde – andererseits begünstigt der Klimawandel die Ozonproduktion, was der Schicht wiederum schadet. Ulrike Langematz’ Studierende profitieren als erste von den neuesten Erkenntnissen: Im Zuge ihres Studiums belegen die angehenden Meteorologen auch einStudienmodul zur mittleren Atmosphäre, in dem die Ergebnisse – gewissermaßen aus erster Hand – Verwendung finden. Und sie erfahren, dass derjenige zu früh Entwarnung gibt, der die Ozonwerte des Jahres 1980 als Messlatte für einen ausreichenden Ozonschutz anlegt.