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Ein kunstsinniger Kaufmann

Johann Ernst Gotzkowsky, der Gründer der Königlichen Porzellan-Manufaktur, war einer der bedeutendsten Kunstagenten Friedrichs II.

12.10.2009

Von Ortrun Huber

Man muss nicht besonders geschichtsbewusst sein, um in Berlin diesem Namen zu begegnen. Eine Straße, eine Brücke und eine Grundschule sind hier nach Johann Ernst Gotzkowsky (1710-1775) benannt. Als mittelloses Waisenkind an die Spree gekommen, arbeitete sich der Sohn aus einer polnischen Adelsfamilie vom einfachen Lehrjungen zum Galanteriewarenhändler und königlichen Hoflieferanten empor. Der Gründer der noch heute existierenden Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) war einer der einflussreichsten Unternehmer im Berlin Friedrichs II. mit engsten Beziehungen zum preußischen Königshaus.

Noch heute kursiert die Legende vom „patriotischen Kaufmann“, der während des Siebenjährigen Krieges einen Großteil seines Vermögens für die Rettung Berlins aufbrachte. Doch Gotzkowsky war nicht nur angesehener Unternehmer, sondern auch Kunsthändler, Gemäldesammler und Mäzen im großen Stil. Seine Sammlung mit mehr als 600 Werken des römischen Barock, des venezianischen Seicento und niederländisch-flämischer Meister zählte zu den herausragenden Kabinetten seiner Zeit und war eine der bedeutendsten Berliner Gemäldesammlungen.

Woher jedoch stammten all diese Werke? Und sammelte Gotzkowsky aus einer persönlichen Leidenschaft heraus, oder war der Bilderhandel eher eine merkantile Beschäftigung, die im Angebot seiner Luxuswaren lediglich ein weiteres Marktsegment abdeckte? In einer umfassenden Studie, die als Dissertation an der Freien Universität Berlin entstand, beleuchtet die Kunsthistorikerin Nina Simone Schepkowski die weitläufigen Kontakte Gotzkowskys zu Kunstagenten, Händlern und auswärtigen Gesandten in Dresden, Paris, Florenz, Rom, Venedig, Amsterdam und Den Haag und gewährt dabei neue Einblicke in den europäischen Kunstmarkt um 1750.

Ein bisher kaum berücksichtigter Fundus an Quellen erwartete Nina Simone Schepkowski im Laufe ihrer umfassenden Recherche. Ausgiebige Nachforschungen in Museen, Archiven und Bibliotheken in ganz Europa förderten Sammlungskataloge, Verkaufslisten, Quittungen, Memoiren und Briefwechsel zutage, anhand derer die Kunsthistorikerin einen umfassenden chronologischen Überblick über Gotzkowskys Kunsthandel und den Aufbau seiner eigenen Sammlung gibt. „Ich war von der Fülle des Materials selbst überrascht. Doch so konnte ich anhand neuer Quellenfunde auch das enge Beziehungsgeflecht Gotzkowskys zu Friedrich II. und seine Bedeutung als führender Kunsthändler seiner Zeit rekonstruieren“, erklärt Nina Simone Schepkowski. Zudem schlüsselt die Wissenschaftlerin erstmals die gesamten Gemäldeankäufe des preußischen Unternehmers auf.

Von entscheidender Bedeutung für Gotzkowskys Sammler- und Vermittlertätigkeit war seine Verbindung zum Intendanten der Dresdner Kunstsammlungen, Karl Heinrich von Heineken. Nach den Recherchen der Berliner Kunsthistorikerin gelangten zahlreiche Gemälde, die aus der Sammlung des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August III. ausrangiert wurden, über Gotzkowsky in die Bildergalerie von Sanssouci. Zudem gewährte Heineken dem Preußen Gotzkowsky Zugriff auf das große sächsische Agentennetz, das in allen wichtigen Kunsthandelsplätzen Europas geknüpft war. „Das ist umso erstaunlicher angesichts der Tatsache, dass Friedrich II. und August III. sich auf diplomatischem Parkett und militärischem Gebiet erbitterte Gefechte leisteten, während im Kunsthandels über die Mittelsmänner Gotzkowsky und Heineken ein reger Austausch bestand“, sagt Schepkowski.

Über Preußen hinausgehende Bedeutung erlangte Gotzkowskys eigene Gemäldesammlung durch den Verkauf an Katharina II., die damit den Grundstock der Eremitage legte. Bislang gingen Kunsthistoriker davon aus, das Gotzkowsky aufgrund seiner drückenden Schulden die teuersten und bedeutendsten Werke seiner Sammlung nach St. Petersburg verkaufen musste. Nina Simone Schepkowski zeigt hingegen anhand bislang unbeachteter Quellen, dass Gotzkowskys erfolglose Getreidegeschäfte mit Russland in einem diplomatischen Disput zu eskalieren drohten. Friedrich II. drängte Gotzkowsky daraufhin zum Bilderverkauf an die russische Zarin, um die eigenen Bündnispläne mit Russland nicht zu gefährden.

War Gotzkowsky nun Kunstkenner – oder einfach nur Liebhaber seiner Sammlung? Nina Simone Schepkowski geht davon aus, dass Gotzkowsky seine Bilderankäufe nicht mit den Augen eines Fachmannes betrachtete. Für ihn habe der inhaltlich-dekorative Aspekt, die Aura des Künstlernamens und die Herkunft im Vordergrund gestanden. „Angesichts der vielen hochkarätigen Werke seiner Sammlung besaß Gotzkowsky ein Gespür für Qualität – aber er war kein Connaisseur der Künste“, sagt die Wissenschaftlerin. Ob Gotzkowsky nun aus rein ästhetischem Vergnügen oder persönlichem Macht- und Gewinnstreben sein Gemäldekabinett aufbaute – der „patriotische Kaufmann“ war sicher einer der einflussreichsten Akteure des europäischen Kunsthandels des 18. Jahrhunderts.

Nina Simone Schepkowski: Johann Ernst Gotzkowsky. Kunstagent und Gemäldesammler im friderizianischen Berlin, Berlin 2009