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Auf den Spuren des Genozids

09.10.2009

Tür an Tür leben in Ruanda heute Frauen der Hutu und der Tutsi. Die einen haben ihren Mann durch die Hand des Ehemannes der anderen verloren – damals vor 15 Jahren, als die Hutu gegen die Tutsi aufbegehrten. Es entbrannte ein Bürgerkrieg, der auch zu einem Feldzug gegen die Frauen Ruandas wurde. In nur 100 Tagen fielen Hunderttausende dem Völkermord zum Opfer. Welche Folgen hat dieser Krieg bis heute, und wie kann man die entstandenen Wunden heilen?

Esther Denzinger, die Ethnologie und Philosophie an der Freien Universität studierte, will in ihrer Dissertation Antworten finden. „Einerseits herrscht in Ruanda viel Leid – und andererseits eine große Kraft“, sagt sie. Unter dem Titel „Erinnern, Vergessen, Verarbeiten: Überlebensperspektiven und Transformationsprozesse in Ruanda nach 1994“ schreibt die Doktorandin über die Verarbeitung von Gewalt nach dem Genozid.

„Mich interessiert besonders, wie die ruandischen Frauen trotz unterschiedlicher Erinnerungsperspektiven – zwischen Schuld und Leid – Übereinkunft finden, die ein Miteinander möglich macht", sagt Esther Denzinger. Sie untersucht, wie die Frauen ihre Erlebnisse beschreiben und bewerten. „Ich möchte die Spannungen zwischen individuellem und kollektivem Erinnern nachvollziehen und sehen, was dies für die Transformationsprozesse in Ruanda bedeutet.“

Deshalb besucht Esther Denzinger afrikanische Frauenkooperativen. Dort finden Frauen der Täter und Opfer nicht nur einen gemeinsamen Platz zur Vergangenheitsbewältigung – sie erhalten auch lebenspraktische Ratschläge. „Durch teilnehmende Beobachtung und biographische Interviews möchte ich Einblicke in die Lebenssituation und Erinnerungsarbeit dieser Frauen erhalten. Ich möchte sehen, welche Trauma-Bewältigung funktioniert und wo sie an ihre Grenzen stößt“. Außerdem müsse der „Trauma-Begriff“ an sich kritisch überprüft werden.

Die Aufarbeitung der Vergangenheit sei dringend notwendig, sagt sie, um nicht zur Gewalt zurückzukehren und um Zukunftsperspektiven entwickeln zu können. evh