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Eine altehrwürdige Dame feiert Jubiläum

Die von der Freien Universität herausgegebene Prähistorische Zeitschrift wird 100

Von Christine Boldt

Von Ötzi haben wohl die meisten schon einmal gehört, von der Himmelsscheibe von Nebra auch. Dass es sich in beiden Fällen um Funde von Wissenschaftlern der Prähistorischen Archäologie handelt, wissen vielleicht nur wenige: „Oft wird Archäologie einseitig als klassische Archäologie verstanden, viele denken an Griechenland, Italien, vielleicht noch an Ägypten“, sagt Wolfram Schier, Professor für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität Berlin, der das Missverständnis nur allzu gut kennt. Dabei umspannt das Fach, das sich als Disziplin unter dem Namen Ur- und Frühgeschichte um 1900 an deutschen Universitäten zu etablieren begann, enorme Zeiträume: Sie reichen von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit, ihr Untersuchungsgebiet ist vor allem Europa, für die Altsteinzeit durchaus auch alle anderen Kontinente.

Im Vergleich zu verwandten historischen Wissenschaften, die mit Quellentexten arbeiten können, geben in der Prähistorischen Archäologie vorschriftliche Funde Auskunft über die Vergangenheit: Keramik, Metall, Holz, Knochen, Glas oder Steinartefakte. Entdeckt werden sie in Bodendenkmalen wie Siedlungen, Grabhügeln, Burganlagen oder – wie erst kürzlich in einer Region westlich des Harzes – auf ehemaligen Schlachtfeldern.

Am Prähistorischen Institut der Freien Universität – das in diesen Wochen nicht nur seinen 50. Geburtstag feiert, sondern auch das 100. Jubiläum der dort herausgegebenen renommierten Prähistorischen Zeitschrift (PZ) – liegt der Forschungsschwerpunkt seit den achtziger Jahren auf dem östlichen Mitteleuropa und Südosteuropa. Seit zehn Jahren wird etwa am Siedlungshügel im rumänischen Uivar gegraben, der Aufschluss gibt über Hausbau, Siedlungs- und Wirtschaftsweise einer zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft zwischen 5200 und 4700 v. Chr. „Unser Emeritus Bernhard Hänsel hat das Institutsprofil und das Erscheinungsbild der Zeitschrift stark geprägt“, erläutert Wolfram Schier, der heute einer der drei Herausgeber der Prähistorischen Zeitschrift ist.

Neben der „Germania“, die von der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts publiziert wird, gilt die PZ international als wichtigstes deutschsprachiges Periodikum ihres Fachs. Sie erscheint zweimal im Jahr, wobei die einzelnen Artikel in zwei fremdsprachigen Resümees zusammengefasst werden.

„Deutsch ist noch immer eine wichtige Wissenschaftssprache der Prähistoriker“, erklärt Schier, „manche Fachausdrücke werden in anderen Sprachen unübersetzt als Fremdwörter verwendet: Leitform zum Beispiel oder Schilddornschnalle.“ Das hat mit der lebendigen Handwerkstradition zur Gründungszeit des Fachs zu tun, aber auch mit Renommee und Fachtradition, die sich in Deutschland herausgebildet haben. „Eine solche Zeitschrift ist auch eine Auszeichnung für eine Universität“, sagt Wolfram Schier und wirbt dafür, dass die altehrwürdige Dame auch ihren 101. Geburtstag an der Freien Universität feiern kann.