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Promovieren über transnationale Beziehungen

Ziel der Berlin Graduate School for Transnational Studies (BTS) ist es, pro Jahr mindestens zehn Stipendiaten aufzunehmen

Von Stephan Töpper

Der Bau eines Staudamms kann Arbeitsplätze schaffen, für Investitionen sorgen und zugleich Dörfer, Städte – ein kulturelles Erbe – zerstören. Im Südosten der Türkei steht der Ilisu-Staudamm kurz vor dem Baubeginn auf der Kippe. Würde der Damm gebaut, fiele die mittelalterliche Stadt Hasankeyf am Tigris dem Großprojekt zum Opfer, Zehntausende Menschen wären zur Umsiedlung gezwungen. Wie organisieren sich die verschiedenen Akteure in solchen Mammutprojekten? Wie können derartige Bauvorhaben effizient und legitim realisiert werden, wenn die politischen Entscheidungsprozesse beeinflusst werden durch lokale Interessen der Zivilgesellschaft, die Expertise internationaler Wissenschaftsgemeinschaften, wie der Weltstaudammkommission, sowie durch ökonomisches Gewinnmaximierungskalkül von multinationalen Unternehmen? Über diese Art „multisektoraler Partnerschaften“ und die sich daraus ergebenden wissenstheoretischen Fragen promoviert Alejandro Esguerra als einer von 15 Doktoranden der ersten Generation an der „Berlin Graduate School for Transnational Studies“ (BTS) der Freien Universität. Auf die Idee dazu ist er in seinem Studienjahr in den USA gekommen.

Der komplett in englischer Sprache gehaltene Lehrplan der im Herbst gestarteten Graduiertenschule für Transnationale Studien bereitet Absolventen auf eine wissenschaftliche oder wissensintensive internationale Laufbahn vor. „Eine Mischung aus Spezialisierung und Generalisierung ist uns wichtig“, sagt Sebastian Barnutz, der das Programm der BTS koordiniert. An der Graduiertenschule sind neben der Freien Universität die Hertie School of Governance und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung beteiligt. Programmverantwortlich sind Thomas Risse, Michael Zürn und Markus Jachtenfuchs.

„Ich wollte an eine Graduiertenschule, um im engen Verbund mit anderen zu promovieren. Außerdem war für mich die Verbindung dieser drei Institutionen reizvoll“, sagt Alejandro Esguerra. Während des dreijährigen Programms erhalten die Doktoranden in Seminaren einen Überblick über die Folgen der Globalisierung, die Herausforderungen politischer Entscheidungsfindung sowie die unterschiedlichen Formen regionaler Kooperation. Schulungen zum Einsatz bestimmter Forschungsmethoden gehören genauso zum Lernpensum wie ganz praktische Kenntnisse. In „Professional Development Classes“ lernen die Doktoranden zum Beispiel, wie man einen Projektantrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft verfasst.

Warum transnationale und nicht internationale Studien? „Weil nationalstaatliche Grenzen immer seltener eine Rolle spielen, so wie in der Europäischen Union“, sagt Sebastian Barnutz. „Uns interessiert zum Beispiel, wie sich staatliche und wirtschaftliche Akteure organisieren, wenn sie sich in Public Private Partnerships zusammentun.“

Die Graduiertenschule profitiert von der Dahlem Research School, einer fächerübergreifenden Einrichtung für Promotionsstudien der Freien Universität. Sebastian Barnutz selbst hat in England promoviert und kennt die Vorteile einer strukturierten Nachwuchsförderung. „Es ist gut, wenn man weiß, dass man zur nächsten Sitzung Ergebnisse präsentieren muss, und nicht quasi im luftleeren Raum ohne akademischen Kontext an einer Dissertation schreibt.“

Gegenseitiger Austausch ist auch ein wichtiger Faktor für Alexander Kleibrink, der seine Doktorarbeit über regionale Kooperationen im Schwarzmeerraum schreibt. „Gut, dass die Stipendiaten hier ein gemeinsames Büro haben. So entsteht ein Gruppengefühl, das motiviert, regelmäßig an die Universität zu kommen.“

Ziel der BTS ist es, pro Jahr mindestens zehn Stipendiaten aufzunehmen. Der nächste Bewerbungsschluss für die mit rund 1300 Euro monatlich dotierten Stipendien ist am 1. Februar 2009.