Springe direkt zu Inhalt

„Wir müssen unternehmerisch agieren können“

Schwieriger Spagat: Der Kanzler der Freien Universität, Peter Lange, sieht den Zwang zum Sparen bei wachsendem Wettbewerb als Problem der Universitäten.

Schwieriger Spagat: Der Kanzler der Freien Universität, Peter Lange, sieht den Zwang zum Sparen bei wachsendem Wettbewerb als Problem der Universitäten.
Bildquelle: Stephan Töpper

Auf der UniFinanz 2008 diskutieren Experten aus Verwaltung, Politik und Wissenschaft an der Freien Universität über Haushaltsmanagement für Hochschulen

Die Leitungen deutscher Universitäten stehen vor großen Herausforderungen: Sie müssen den Spagat zwischen wachsendem Wettbewerbsdruck und knapper werdenden Haushaltskassen vollführen. Eine Aufgabe, die höchste Anforderungen an moderne Haushaltssteuerung stellt. Am 8. Oktober lädt die Freie Universität Berlin gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Syncwork AG zu einer Tagung rund um das Thema Finanzmanagement und Ressourcensteuerung in deutschen Hochschulen ein. Im Interview spricht der Kanzler der Freien Universität Berlin, Peter Lange, über Haushaltsprobleme, Lösungswege und Wünsche an die Politik.


Herr Lange, was ist das Ziel der Tagung?

Wenn es um das Thema Hochschulfinanzierung geht, wird viel übereinander, aber wenig miteinander geredet. Jede Seite hat ihre eigene Position: die Wissenschaftler, die Politiker, die Verwaltungspraktiker. Mit der Tagung UniFinanz 2008 wollen wir Experten aus diesen drei Bereichen an einen Tisch holen. Ziel ist es, gegenseitig Erfahrungen auszutauschen, verschiedene Positionen kennenzulernen und gemeinsam Lösungsansätze für Probleme zu diskutieren.

Welches Problem bereitet Ihnen die größte Sorge?

Die Universitäten stehen unter einem stetig wachsenden Wettbewerbsdruck, gleichzeitig nimmt der Zwang zum Sparen zu. Allein die drei großen Berliner Universitäten müssen nach Vorgabe des Landes Berlin in den Jahren 2006 bis 2009 ihre Haushaltsvolumen um 75 Millionen Euro absenken. Auf die Freie Universität Berlin entfallen davon 23 Millionen. Im gleichen Zeitraum müssen wir aufgrund von Tariferhöhungen, steigenden Pensionslasten und der Teuerungsrate bei den Energiekosten etwa 20 Millionen Euro zusätzlich aufwenden, was einer weiteren Realkürzung gleichkommt. Wenn wir aber im internationalen Wettbewerb bestehen wollen, können wir im wissenschaftlichen Bereich nicht ohne Weiteres zusätzliches Geld auskommen. Das heißt, wir müssen nach den berühmt-berüchtigten Effizienzreserven suchen.

Was bedeutet das?

Die Universität muss darauf achten, dass sie das zur Verfügung stehende Geld möglichst gewinnbringend und wirtschaftlich einsetzt. Deshalb haben wir die leistungsbezogene Mittelvergabe und Zielvereinbarungen eingeführt und systematisch ausgebaut. Die Fachbereiche erhalten heute 30 Prozent ihres Budgets nach Leistungsindikatoren, analog zum Modell des Landes für die Berliner Universitäten. Solche Indikatoren sind beispielsweise die Absolventenquote oder der Anteil der Frauen unter den neuberufenen Professoren. Zurzeit führen wir in Verwaltung und Service der Universität die Kosten-Leistungs-Rechnung ein.

Sie wollen also testen, wie effizient die Verwaltung arbeitet?

Ja. Wir wollen die Diskussion um den sogenannten Wasserkopf versachlichen und präzise Auskünfte darüber erhalten, wie viele Ressourcen wir für welche Arbeitsprozesse einsetzen, ob Leistungen doppelt und dreifach vorgehalten werden und wo wir Arbeitsprozesse stärker automatisieren können. Es braucht nicht jedes Institut sein eigenes IT-Zentrum oder seinen eigenen Mail-Service. Übrigens kann sich die Freie Universität Berlin bundesweit hinsichtlich des Kosten-Leistungs-Vergleichs in der Verwaltung ausgesprochen gut sehen lassen. Die Einführung der Kosten-Leistungs-Rechnung wird dies noch transparenter machen.

Dennoch dürfte das bei vielen Mitarbeitern Verunsicherung und sogar Angst um den Arbeitsplatz aufkommen lassen.

Solche Ängste sind unberechtigt. Wir haben zwar auch im Verwaltungs- und Servicebereich – gemessen an unserer Strukturplanung – noch einen deutlichen Personalüberhang, aber in den nächsten Jahren baut sich dieser Überhang altersbedingt ab. Das heißt, die Menschen gehen, aber die Arbeit wird nicht weniger. Im Gegenteil, die Verwaltung bekommt immer mehr Aufgaben dazu. Durch die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge mit ihren kontinuierlichen Leistungstests hat sich allein der Arbeitsaufwand in den Prüfungsbüros um den Faktor 10 erhöht. Auch die Bewirtschaftung der steigenden Drittmittel-Summen bindet mehr Arbeitskapazität. Das müssen wir irgendwie auffangen, auch durch einen effizienteren Einsatz von Personal. Die Kosten-Leistungs-Rechnung gibt der Universitätsleitung eine größere Sicherheit, die richtigen strategischen und operativen Entscheidungen zu treffen. Sie hilft damit, Arbeitsplätze zu erhalten.

In der Koalitionsvereinbarung der rot-roten Landesregierung steht, dass die Universitäten bis zum Jahr 2009 auf kaufmännisches Rechnungswesen umstellen, also betriebswirtschaftlich haushalten sollen.

In Anbetracht der Reformen der letzten Jahre erwarte ich vom kaufmännischen Rechnungswesen keinen zusätzlichen Nutzen. Und vor allem: solange das Land und damit der Zuschuss-Geber der Universitäten noch nach kameralistischen Grundsätzen arbeitet, ergibt es keinen Sinn, dass die Universitäten kaufmännisch rechnen. Wir müssen wirtschaftlich und unternehmerisch agieren können, was wir auch tun. Die Art, wie wir den Haushalt aufschreiben, ist dafür nachrangig. Man darf an ein kaufmännisches Rechnungswesen auch keine Heilserwartung haben. Das Geld wird nicht mehr und die Probleme werden nicht weniger, nur weil sich die Art der Buchführung ändert. Unser Ziel muss es sein, innerhalb der bestehenden Strukturen feiner und nachhaltiger steuern zu können. Nur so begegnen wir künftigen Herausforderungen. Aber die Frage, wie unternehmerische Hochschulsteuerung aussehen kann, wird auf der Tagung zweifellos kontrovers diskutiert werden.

Was wünschen Sie sich in Zukunft von den Politikern?

Die Universitäten brauchen vor allem Planungssicherheit. Die Landeszuschüsse, die in den Hochschulverträgen festgeschrieben werden, müssen so auskömmlich sein, dass keine weiteren strukturellen oder personellen Kürzungen erforderlich sind. Das heißt, wir brauchen mehr Mittel, um die steigenden Pensionslasten, Tariferhöhungen und explodierenden Energiepreise ausgleichen zu können. Für die Freie Universität bedeuten diese Zusatzbelastungen künftig Mehrausgaben von vielen Millionen Euro pro Jahr. Außerdem benötigen die Universitäten auch in Zukunft Budgetautonomie. Die Gestaltungsprozesse im Land Berlin waren immer vorbildhaft für die ganze Bundesrepublik. Diese Rolle scheint uns abhanden zu kommen durch das Aufholen der übrigen Bundesländer. Das heißt, unsere Arbeitsprozesse haben sich bewährt und werden woanders angewandt. Die Entwicklungspotenziale sind also weiter auszunutzen und sollten dazu beitragen, unsere Zukunft zu sichern.

Das Interview führte Christa Beckmann