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Stille Post der Künste

Wenn aus einem Kinderspiel Kunst wird

Matthias Thiele

„Im Krankenhaus liegt Heiner“, flüstert ein Kind dem anderen beim Kindergeburtstagsklassiker Stille Post ins Ohr – und nach zehn Stationen wird daraus: „Ich glaube, Klaus liebt Anna.“ Wenn Künstler Stille Post spielen und daraus ein Abend der Künste herauskommt, dann waren Studenten des Masterstudiengangs „Angewandte Literaturwissenschaft“ am Werk, einem praxisorientierten Postgraduierten-Studiengang an der Freien Universität: So inspirierte die Erzählung der Autorin Katja Lange-Müller einen Fotografen, der sein Bild an einen Komponisten schickte. Daraufhin entstanden eine Melodie, ein Gedicht und ein weiteres Foto – das landete auf dem Schreibtisch von Autor Kolja Mensing, der schließlich eine zweite Erzählung verfasste.

Die Werke der „Stillen Post der Künste“ sind kürzlich in der Literaturwerkstatt Berlin vorgestellt worden. Entwickelt und betreut wurde das Projekt von Studenten der „Angewandten Literaturwissenschaft“. Dorothee Risse, Managerin des Master-Studiengangs, erklärt: „Die Studenten haben die Projektpartner ins Boot geholt, bei der Geldakquisition geholfen und natürlich den Kontakt mit den Künstlern hergestellt.“

Den Studiengang gibt es seit dem Wintersemester 2003/2004, die Semestergebühren für die „Angewandte Literaturwissenschaft“ betragen 500 Euro. Die Dozenten kommen nicht nur aus der Wissenschaft – auch aus der Praxis: etwa vom Aufbau-Verlag, vom Theatertreffen, von der Agentur Graf & Graf oder der taz. Die Praktiker vermitteln, wie in einem Verlag kalkuliert wird, wie man Literatur- und Filmkritiken schreibt oder Manuskripte lektoriert. So ist die Übersetzung eines bislang in Deutschland unveröffentlichten Romans des englischen Autors Percy B. Shelley in einem Seminar entstanden; für ein anderes Buchprojekt lektorieren die Studenten indische Erzählungen, die von indischen Germanisten aus dem Hindi ins Deutsche übertragen worden sind.

Auf die begehrten 15 Studienplätze haben sich im vergangenen Jahr 55 Bewerber gemeldet. Und die Qualität der Absolventen hat sich in den Institutionen des Literaturbetriebs herumgesprochen: „Nach dem Studienabschluss haben die meisten ein Verlagsvolontariat gemacht, andere sind bei Festivals, Kulturinstituten oder Agenturen angestellt oder arbeiten als Freie im Kulturjournalismus“, sagt Manfred Pfister, Professor am Institut für Englische Philologie und einer der Gründungsväter des Studiengangs. Gert Mattenklott, Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und ebenfalls von Anfang an dabei, ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass sich im Laufe der Zeit ein Alumni-Netzwerk bildet und die Vermittlungsquote für unsere Absolventen dadurch weiter steigt.“ Matthias Thiele

Die Bewerbungsfrist für das kommende Wintersemester endet am 30. Juni 2008.