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Handel mit dem Reich der Mitte

Deutsche und chinesische Forscher untersuchen die Beziehungen beider Länder im 19. Jahrhundert

Von Stephan Töpper

Die Chinesische Mauer
Die Chinesische Mauer entstand als Schutzwall gegen Eindringlinge. Die ersten deutschen Kaufleute hatten dagegen eher mit Sprachbarrieren zu kämpfen.
Foto: pixelio

Bereits im 13. Jahrhundert reiste der Italiener Marco Polo nach China. Schon 1557 errichteten die Portugiesen dort eine erste Siedlung und entdeckten das Land als Quelle reichen Handels. Für die Deutschen hingegen blieb das Seidenland bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein weitgehend fremdes und unbereistes Gebiet.

Das änderte sich erst, nachdem China im Ersten Opiumkrieg 1839 bis 1842 bezwungen worden war. Es musste Hongkong an England abtreten, viele seiner Häfen für europäische Waren freigeben und Souveränitätsrechte abgeben. Ab den 1840er-Jahren fuhren Kaufleute aus Hansestädten in das Reich der Mitte: Die Pioniere deutsch-chinesischer Beziehungen gründeten Handelsfirmen und verkauften deutsche Waren.

Wie entwickelten sich die wirtschaftlichen Beziehungen weiter? In welcher Form spiegelte sich der Handel in politischen Verträgen wider? Und wie wurden kulturelle Unterschiede überwunden? Mit dem komplexen Feld der deutsch-chinesischen Beziehungen zwischen 1848 und 1911 beschäftigt sich ein deutsch-chinesisches Forschungsprojekt. Initiiert wurde es von Mechthild Leutner, Sinologie-Professorin am Ostasiatischen Seminar der Freien Universität Berlin. Für das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt kooperieren die Freie Universität Berlin und die Peking-Universität sowie das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und das Erste Historische Archiv in Peking. Das Besondere: Erstmals arbeiten deutsche und chinesische Wissenschaftler und Archivspezialisten gemeinsam daran, das kaum erschlossene Material in deutschen und chinesischen Archiven zu bearbeiten und die Beziehungen dieser frühen Jahre zu untersuchen.

Zu dieser Zeit war die sprachliche Verständigung zwischen Deutschen und Chinesen äußerst schwierig. Die Kaufleute aus Hamburg oder Bremen knüpften Handelsbeziehungen, ohne des Chinesischen kundig zu sein. Sie waren auf lokale Hilfskräfte angewiesen, die bruchstückhaft Englisch verstanden. In offizieller Mission brach erstmals Friedrich Graf zu Eulenburg 1859 mit der Preußischen Ostasiatischen Expedition gen Osten auf. Auch er und seine Mitreisenden mussten Sprachbarrieren überwinden und sich vor Ort Kenntnisse über Land und Leute erarbeiten. Letztlich konnten sie es den anderen europäischen Mächten gleichtun und 1861 einen Handels- und Schifffahrtsvertrag mit China abschließen.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die Frage nach den Interaktionsmustern in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder. So werden die vielfältigen Aktivitäten des Dolmetschers und späteren Chinawissenschaftlers Karl Arendt untersucht, der viele Verhandlungen mit China führte. Nach 22 Jahren im Land wurde er 1887 erster Professor für Chinesisch am neugegründeten Seminar für Orientalische Sprachen an der Berliner Universität.

Beamte des Auswärtigen Reichsdienstes, Dolmetscher und Offiziere lernten hier praxisnah chinesische Landeskunde und die chinesische Sprache der Gegenwart. Bis dahin wurde die klassische Schriftsprache – wie das Lateinische und Altgriechische – nur als „tote Sprache“ an der Universität gelehrt.

Das Forscherteam um Mechthild Leutner hat begonnen, die Geschichte der frühen deutsch-chinesischen Beziehungen als eine Geschichte der interkulturellen Beziehungen im Kontext kolonialer Politik neu zu schreiben. Die Ergebnisse des Projekts werden sie in gemeinsamen wissenschaftlichen Publikationen in deutscher und chinesischer Sprache veröffentlichen.