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Zentrum für Schüler, Studenten und Lehrer

Die Freie Universität bündelt ihre Zusammenarbeit mit den Berliner und Brandenburger Schulen

Von Florian Michaelis

Kinder experimentieren auf der Langen Nacht der Wissenschaften
Die Lange Nacht der Wissenschaften ist nur eine von vielen Attraktionen für Kinder an der Freien Universität.
Foto: David Ausserhofer

Mit Schutzbrille und Kittel steht Anna vor den Reagenzgläsern in einem Labor der Freien Universität Berlin. Vorsichtig gibt sie ein weißes Pulver in einen Becher mit Wasser. Dann rührt sie, schaut dabei konzentriert. Gewissenhaft misst sie, wie die Temperatur in dem Gemisch Minute für Minute steigt und trägt die Werte in eine Tabelle ein. Die Vorsichtsmaßnahmen, die Genauigkeit, die Ausrüstung – all das spricht für professionelle Wissenschaft. Doch Anna ist gerade einmal elf Jahre alt und geht auf die Anna-Lindh-Grundschule. Heute sind sie und ihre Klasse zu Besuch an der Freien Universität. Sie experimentieren im Schülerlabor „NatLab“, das zum Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie gehört.

Am Fachbereich Physik experimentieren ebenfalls Schüler – im „PhysLab“, dem anderen großen Schülerlabor der Freien Universität. Hier allerdings stehen nicht Chemie und Biologie im Vordergrund, sondern Physik. Eine Schülerin hält eine Leuchtstoffröhre an eine Plasmakugel – und die Röhre beginnt zu strahlen. Es sieht aus, als halte sie ein Laserschwert aus „Krieg der Sterne“ in den Händen.

Mehrere Tausend Schülerinnen und Schüler kommen jedes Jahr zu vielfältigen Anlässen an die Freie Universität: zur „Sommeruni“, zum Programm „Chemie (in) der Extra-Klasse“ und zur Langen Nacht der Wissenschaften. Sie besuchen Veranstaltungen in allen Disziplinen – von Informatik bis Politikwissenschaft. Die Schülerlabore „PhysLab“ und „NatLab“ gehören zu den tragenden Säulen der Schulkooperation. Sie bieten Veranstaltungen für drei Zielgruppen an: Schüler, Studierende und Lehrer.

Um die vielfältigen Aktivitäten zu bündeln und noch bekannter zu machen, hat die Freie Universität ein „Zentrum für Schulkooperation“ gegründet. Wissenschaftler und Didaktiker aus den unterschiedlichsten Disziplinen treffen sich regelmäßig und beraten, wie sie enger zusammenarbeiten können. Eines der ersten Projekte: ein gemeinsames Internetportal, in dem alle Kurse, Vorträge und Projekte zu finden sind. „Wir wollen der Öffentlichkeit auf diese Weise das gesamte Spektrum der universitären Angebote zugänglich machen“, sagt Volkhard Nordmeier, der dem Zentrum vorsitzt. Er ist Professor für Didaktik der Physik an der Freien Universität und leitet das „PhysLab“, gemeinsam mit Jörg Fandrich. Der ist ebenfalls zuversichtlich, sagt aber auch: „Unsere Labore sind natürlich kein Ersatz für guten Schulunterricht. Wir wollen das Angebot der Schulen bereichern und ergänzen.“

Die Leiterin des „NatLab“, die Biologin Petra Skiebe-Corrette, hofft, dass durch das Zentrum die „fachbereichsübergreifende Arbeit weiter erleichtert wird“. Für den Chemiker des „NatLab“ Bernd Richter ist es erfreulich, dass „sich immer mehr Arbeitsgruppen des Fachbereichs im ,NatLab‘ engagieren“. Sie alle betonen, wie wichtig die Verankerung der Schülerlabore in den Fachbereichen sei. Nur weil Wissenschaftler, Mitarbeiter und Studierende gemeinsam in den Schülerlaboren mitarbeiteten, funktioniere das Konzept.

Der Präsident der Freien Universität, Dieter Lenzen, spricht von der „Wahrnehmung der Gesamt-Bildungsverantwortung“ der Universität. „Die Berliner Schulen bekommen Zugang zu erstklassigen Laboren und ergänzenden Lehr- und Weiterbildungsveranstaltungen“, so Lenzen. Und die Vizepräsidentin, Christine Keitel-Kreidt, die für die Kooperationen verantwortlich ist, erläutert: „Das Zentrum hat auch einen symbolischen Wert. Wir zeigen, wie sehr der Freien Universität die Zusammenarbeit mit den Schulen am Herzen liegt.“

Die Tradition der Schulkooperation reicht weit zurück: 1995 gab es die ersten Experimente für Schüler, aus denen das „PhysLab“ entstand, 2002 folgte das „NatLab“. Beide Labore wurden für ihre Arbeit bereits mehrfach ausgezeichnet; erst im letzten Sommer erhielt das „NatLab“ einen hoch dotierten Preis der Robert-Bosch-Stiftung. Auch die Geowissenschaftler planen ein eigenes Schülerlabor. Der Physiker Fandrich engagiert sich unter anderem beim Wettbewerb „Jugend forscht“. Der Biologin Skiebe-Corrette gelang es, das „NatLab“ in eine EU-Initiative als Vertreter Deutschlands einzubinden. Das Projekt soll experimentellen naturwissenschaftlich-technischen Unterricht in Grundschulen fördern. Beide Labore sind Teil des Netzwerks „GenaU“ – „Gemeinsam für naturwissenschaftlich-technischen Unterricht“. Dort haben sich elf Schülerlabore aus Berlin und Brandenburg zusammengetan.

Ganz uneigennützig sind all diese Aktivitäten nicht: An kaum einem anderen Fach scheiden sich die Geister der Schüler so sehr wie an Chemie und Physik. Zum einen faszinieren Experimente, zum anderen schrecken Formeln und Zahlenkolonnen so manchen Mathemuffel ab – es fehlt an Nachwuchs. Die Biologie hingegen wird von vielen Schülern unterschätzt. „Wir wollen die Begeisterung für die Naturwissenschaften fördern“, sagt der Chemiker Richter. Seine Kollegin Skiebe-Corrette erläutert: „Wir wollen zeigen, dass Biologie mehr ist, als Tiere zu bestaunen.“ Der Physiker Fandrich sagt außerdem: „Natürlich wollen wir niemanden dazu überreden, eine Naturwissenschaft zu studieren, aber wir wollen schon darauf aufmerksam machen, wie spannend ein Fach wie Physik sein kann und welche hervorragenden Berufsaussichten es bietet.“

Wie es aussieht, scheint das zu funktionieren. „Sie sollten einmal die leuchtenden Augen der Schülerinnen und Schüler sehen, die durch ein Experiment in die Welt der Physik eintauchen“, sagt der Vorsitzende des neuen Zentrums, Volkhard Nordmeier. Für Anna im „NatLab“ und das Mädchen mit der Leuchtstoffröhre im „Phys Lab“ trifft das jedenfalls zu.