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Die Welt zu Gast bei Forschern

Die Freie Universität präsentiert in der „Langen Nacht der Wissenschaften“ knapp 90 Einrichtungen

Von George Turner

Die Wissenschaft hat lange von ihrem hohen Ansehen und dem Prestige derer, die sie betrieben, profitiert. Die Frage nach der Legitimation wurde vernehmbar gestellt, als die Mittel knapper wurden und manche der Folgen wissenschaftlicher Erkenntnisse unerwünscht oder zu risikoreich erschienen. Ein Recht der Öffentlichkeit auf Kenntnis von Forschungsergebnissen wird auch eingefordert, weil die Gesellschaft ihr Zustandekommen finanziert.

Zu 495 Einzelveranstaltungen lädt die Freie Universität Berlin zur „Langen Nacht der Wissenschaften“ ein. In dieser Beilage finden Sie eine Auswahl der Angebote an den drei Standorten Dahlem, Düppel und Lankwitz. Foto:unicom

Forschungsergebnisse sind förmlich zwar veröffentlicht, wenn sie in einer Fachpublikation erscheinen. Das geschieht aber gewissermaßen „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“. Es ist auch nicht damit getan, dass darüber auf den Wissenschaftsseiten überregionaler oder regional bedeutender Zeitungen berichtet wird; auch populär wissenschaftliche Magazine und Minderheitenprogramme in Funk und Fernsehen reichen nicht aus.

Der weitaus größte Teil der Bevölkerung liest nur eine Tageszeitung und in dieser nur einige Seiten. Erst wenn auch auf diesen Seiten über Ergebnisse der Wissenschaft berichtet wird, werden sie das Bild der Wissenschaft in der breiten Öffentlichkeit beeinflussen.

Um das Bild richtig darzustellen, haben wissenschaftliche Einrichtungen Pressestellen; sie betreiben eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Die Scheu der Forscher, ihre Ergebnisse allgemein verständlich darzustellen, weil sie fürchteten, Fachkollegen könnten glauben, mit der Wissenschaftlichkeit solcher Kollegen sei es nicht weit her, wenn sie populäre Berichte verfassten, hat nachgelassen. Hinderlich waren gelegentliche Versuche einiger weniger, Banales allzu marktschreierisch als neue Erkenntnis zu verbreiten.

Vor allem der modernen Naturwissenschaft wie den Ingenieurwissenschaften muss es gelingen, die Voraussetzungen für politisch notwendige Entscheidungen offenzulegen, damit die Politik sie treffen kann und der aufgeklärte Bürger sie versteht und gutheißt.

Neben den Medien Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen steht eine für die Wissenschaft nicht minder wichtige Öffentlichkeit, nämlich die politische. Auch die Wirtschaft, also Unternehmen, Verbände und Gewerkschaften, bilden relevante Teile der Öffentlichkeit. Lange unbeachtet geblieben ist die Nachbarschaft von Institutionen, die Wissenschaft betreiben, also jene Mitbürger, die in der Nähe wohnen oder arbeiten. Öffentlichkeit wird auch durch „den Mann oder die Frau auf der Straße“ vertreten, die keine unmittelbaren Berührungspunkte mit Einrichtungen der Wissenschaft haben. Einerseits sind das mündige Bürger, die mit ihrer Stimmabgabe gefordert werden, andererseits leiden sie bezüglich der Wissenschaft und deren Folgen sowohl an Unwissenheit aus Mangel an Kenntnissen und Übersicht als auch an Informationsüberflutung.

Als Reaktion auf eine vielleicht zu große Wissenschaftsgläubigkeit waren eine Zeitlang Anzeichen einer Wissenschaftsfeindlichkeit zu erkennen; geblieben sind Bedenken bezüglich der Fortschrittsgläubigkeit. Eine Rolle spielt dabei die Barriere der Fachsprache, die leicht zu einer Sprachnot der Wissenschaft werden kann.

Die Freie Universität Berlin hat es beim Exzellenzwettbewerb auf Anhieb geschafft, unter die Einrichtungen zu gelangen, die Aussicht haben, als Spitzenuniversitäten anerkannt zu werden. Man wusste immer, dass es hervorragende Bereiche gab, die keine internationale Konkurrenz fürchten mussten; man kannte aber auch solche, in denen „dünne Bretter“ gebohrt wurden und wo eher kleinkarierte Politik statt Wissenschaft getrieben wurde.

Im Gedächtnis ist auch, dass die Freie Universität zeitweise aus den Fugen geraten schien, eine Folge einer unsinnigen Gesetzgebung mit überzogenen Mitwirkungsrechten der so genannten Statusgruppen. Auch die punktuelle Unterwanderung durch die SEW, den West-Ableger der KPD, verursachte mehr als Unbehagen. In vielen Sektoren war der Ton mürrisch, das äußere Erscheinungsbild von Schmierereien und Unordnung beherrscht.

Dies hat sich grundsätzlich geändert. Bei früheren Gelegenheiten lieferte die jeweilige „Lange Nacht der Wissenschaften“ den Beweis: aufgeschlossene, engagierte Mitarbeiter, einladende Räume und Plätze, frei von abgestandenen Parolen. Insgesamt ein erfreuliches Bild.

Im Grunde sollte das der Normalfall sein. Schließlich sind es öffentliche Mittel, das oft zitierte Geld des Steuerzahlers, welche Einrichtung und Betrieb von Universitäten ermöglichen.

So wie die positive Bewertung der wissenschaftlichen Leistungen im Rahmen des Exzellenzwettbewerbs neuen Schwung im Inneren einer Universität mit sich bringt, gleicht die Verbesserung des Äußeren einen in der Vergangenheit eingetretenen Ansehensverlust aus. Beschmierte Gebäude, unordentliche, zum Teil vermüllte Räume und erkennbarer „Gammel“, wohin man blickt, sind nicht der adäquate Rahmen, in dem junge Menschen ausgebildet werden und wo sie mehrere Jahre prägende Eindrücke erfahren.

Die Freie Universität Berlin hat das begriffen und handelt offenbar mit Erfolg danach. Dies wird nicht nur verkündet, sondern ist zu besichtigen, unter anderem während der „Langen Nacht der Wissenschaften“.

Der Autor war von 1986 bis 1989 parteiloser Senator für Wissenschaft und Forschung in Berlin, zuvor 16 Jahre Präsident der Universität Hohenheim (Stuttgart) und von 1979 bis 1983 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.