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Reden, das Wissen schafft

Mit der rbb-Talkshow „Kluge Köpfe“ öffnet sich die Freie Universität Berlin für das Fernsehpublikum

Als gäbe es an diesem Ort nicht genug Gelehrsamkeit: Sprachwissenschaftler und Studierende forschen in der Neuen Philologischen Bibliothek. 700 000 Bände repräsentieren unter der kühn geschwungenen Kuppel den Wissensschatz von elf Fachbibliotheken. Lord Norman Foster hat der Freien Universität Berlin mit seinem Bau nicht nur ein architektonisches Wahrzeichen geschenkt, sondern auch ein Gebäude, das wie kaum ein zweites in der Hauptstadt Wissenschaft repräsentiert. Und nun wird diese Gelehrsamkeit auch noch von Kameras eingefangen.

„Kluge Köpfe – der Uni-Talk mit Jörg Thadeusz“ – das ist die Idee, Forschungsinhalte und gesellschaftliche Themen aus den Labors und Hörsälen der Universität im Fernsehen zu präsentieren. Zwar gelten die Hochschulen als Hort des Wissens, doch verrichten sie – den Langen Nächten der Wissenschaft und Kinderuniversitäten zum Trotz – ihre Aufgaben allzu häufig noch unbemerkt vom Alltag der Bürger. Was erforschen Professoren tagaus, tagein? Mit welchen Themen beschäftigen sich wissenschaftliche Assistenten in den Instituten? Fragen von gesellschaftlicher Relevanz, zumal die Akteure an den Universitäten – so sie nicht an einem Drittmittelprojekt arbeiten – in der Regel aus Steuergeldern finanziert werden. Die Hochschulen müssen zeigen, dass vieles von dem, was die Öffentlichkeit bewegt, auch die Wissenschaft beschäftigt. Da die Nation, um sich zu informieren, aber schon aus Kapazitätsgründen nicht selbst an die Fakultäten strömen kann, kommt nun die Freie Universität zum Fernsehvolk.

An einem regnerischen Samstagnachmittag zeichnet der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) in der Foster-Bibliothek die ersten Folgen der neuen Talkshow auf. Moderator Jörg Thadeusz tut sich mit dem Talkshow-Titel „Kluge Köpfe“ etwas schwer. „Der Name soll keineswegs bedeuten, dass ich mich zu den besonders klugen Köpfen zähle. Das wäre ja wohl auch anmaßend“, erklärt Thadeusz. Vielmehr beziehe sich der Titel auf seine Talk-Gäste – zwei Wissenschaftler aus den Reihen der gastgebenden Universität und zwei externe Experten zum jeweiligen Thema. Zwei Sendungen werden heute aufgezeichnet – die eine unter dem Titel „Was muss man wissen?“ zum Thema Bildung, die andere unter dem Motto „Ein ungleiches Paar“ zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Eine Live-Übertragung zu den Sendeterminen 8. und 22. Juni scheiterte unter anderem an der Fußball-WM: „Dann sind alle Ü-Wagen im Einsatz“, erklärt Regisseur Thomas Neuner, bevor er mit kritischem Blick zum wolkenverhangenen Himmel hinaus zum Übertragungswagen geht.

Der Idee, die gesellschaftliche Relevanz wissenschaftlicher Themen in einer Talk-Show zu diskutieren, geht auf ein gemeinsames Konzept von Professor Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin, sowie von rbb-Intendantin Dagmar Reim und Fernsehdirektor Gabriel Heim zurück. Eine Diskussionssendung zu aktuellen Themen und gesellschaftlichen Tendenzen sollte entwickelt werden, in der die gastgebende Universität ihre fachliche Kompetenz demonstrieren und gleichzeitig in einen gesellschaftlichen Dialog einsteigen kann.

Die fünfköpfige Redaktion der rbb-Talksendung „Im Palais“ übernahm die Realisation des aufwändigen Projekts und trat die Sendeplätze für „Kluge Köpfe“ ab. „Bei ,Im Palais‘ erwartet die Zuschauer am späten Donnerstagabend eine intelligent-unterhaltsame Talkrunde mit intellektuellen Gästen und prominenten Persönlichkeiten“, erklärt Redaktionsleiterin Christiane Jontza. Diesem Anspruch werde auch „Kluge Köpfe“ mit seiner Mischung aus Wissenschaftsthemen und aktuellen Inhalten gerecht. Und natürlich bietet der „Uni-Talk“ der jeweiligen Alma Mater willkommene Gelegenheit, sich von der besten Seite zu präsentieren. „Wir freuen uns über die Partnerschaft mit dem rbb, und wir möchten mit den beiden Pilotsendungen den Fernsehzuschauern zeigen, was die Freie Universität zu bieten hat: Ästhetik und Reflexion“, betont Dieter Lenzen. Vier Sendungen von „Kluge Köpfe“ sind pro Jahr geplant, nach der Freien Universität Berlin wird der rbb im Herbst an der Universität Cottbus zu Gast sein.

Im Foyer der Philologischen Bibliothek, das Dutzende Scheinwerfer, Kameras und Monitore in ein Fernsehstudio verwandeln, begrüßt Moderator Jörg Thadeusz das Publikum im Saal: „Seien Sie freundlich zu unseren Gästen, klatschen Sie, wenn Ihnen danach ist, und stellen Sie um Himmels Willen Ihr Handy aus.“ Aufgezeichnet wird in einem Rutsch, da käme ein „Schnappi“-Klingelton eher ungelegen. Für Thadeusz, dem TV-Publikum vor allem durch seine „Hausbesuche“ im Auftrag der WDR-Sendung „Zimmer frei“ bekannt, ist der Austausch mit Wissenschaftlern nichts Neues. Im rbb-Programm Radio 1 stellt der Moderator regelmäßig Forscher und ihre Fachgebiete vor: „Die meisten Wissenschaftler sind hoch erfreut, wenn sich mal jemand dafür interessiert, was sie da eigentlich machen“.

„Was ist ein Dummkopf?“ Eher unakademisch kommt Thadeusz’ Eingangsfrage zum ersten Uni-Talk daher. Vier Antworten gibt’s zur Auswahl, „Wer wird Millionär?“ lässt grüßen. Die Talk-Gäste – Professorin Elsbeth Stern, Forschungsgruppenleiterin am MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung, die Journalistin Hatice Akyün, der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator und Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin, Professor Christoph Stölzl, sowie der Hausherr Professor Dieter Lenzen lassen sich gerne auf das Spielchen ein. Der Sachverstand der Experten – das soll „Kluge Köpfe“ schließlich zeigen – füllt nicht nur dicke Bücher; er dient letztendlich auch dazu, alltägliche Probleme zu lösen. „Wir müssen mit unseren Erkenntnissen heraustreten in die Öffentlichkeit und komplexe Probleme auch so erklären können, dass sie ein Nicht-Akademiker versteht“, sagt Professorin Ursula Lehmkuhl, die an diesem Tag bei der zweiten Aufzeichnung von „Kluge Köpfe“ zu Gast ist. „Selbst wenn man nicht immer alles unterbringen kann, was einem am Herzen liegt – so können doch in der Regel wichtige Punkte thematisiert werden“, meint die Historikerin, die am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin arbeitet.

„The Berlin Brain“ wird die Neue Philologische Bibliothek genannt. Die „Klugen Köpfe“ machen diesem Namen Ehre. Nach dem anfänglichen Frage-Antwort-Spiel entspannt sich unter den Experten eine lebhafte Diskussion über den Sinn von Intelligenzquotient und Wissenskanon, begleitet vom regen Applaus der Studiogäste und dem unüberhörbaren Trommeln der Regentropfen auf die fostersche Kuppel.

In der Enge des Übertragungswagens herrscht trotz der Niederschläge uneingeschränkte Zufriedenheit. „Der Ton ist in Ordnung, der Regen beeinträchtigte die Sendung nicht“, beruhigt Regisseur Neuner seine Kollegen. Anderthalb Tage haben rund 40 rbb-Mitarbeiter an der Technik gearbeitet. Ein Unterfangen nicht ohne Schwierigkeiten: Um die Gäste unter der Kuppel ausreichend auszuleuchten, mussten fast doppelt so viele Scheinwerfer installiert werden wie bei der Talksendung „Im Palais“. Nach so viel Mühe für das rechte Licht will nun niemand mit der Akustik im Regen stehen.

Der Abspann läuft, 60 Minuten Uni-Talk sind vorbei. Zur Stärkung gibt's Frühlingsrollen und Mini-Quiche. Ob die erste Folge der „Klugen Köpfe“ bei den Fernsehzuschauern ankommt, vermag so kurz nach der Aufzeichnung niemand aus der Talkrunde zu sagen. „Das muss ich mir erst angucken“, sagt selbst TV-Profi Jörg Thadeusz.

Im Ü-Wagen hingegen hat man die Sendung live verfolgt. Redaktionsleiterin Christiane Jontza ist zufrieden: „Jörg Thadeusz hat die anspruchsvolle Gesprächsrunde angenehm locker übersetzt.“ Und auch Regisseur Thomas Neuner spart nicht mit Lob. Die Foster-Bibliothek biete fürs Fernsehen einfach reizvolle Perspektiven: „Ich würde hier in Zukunft gerne noch mehr Sendungen machen.“

Von Ortrun Huber