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Leidenschaft für Präzision

DIE LANGE NACHT DER WISSENSCHAFTEN

Beleuchtung zur Erleuchtung

Das geistes- und sozialwissenschaftliche Zentrum der Freien Universität Berlin wird in der „Langen Nacht“ von einem Lichtkünstler verzaubert

Kann man als Nachtmensch verrückt nach Licht sein? Für Andreas Boehlke ist das kein Widerspruch, sondern permanenter Doppelantrieb. Denn der 39-Jährige arbeitet seit Beginn der 1990er-Jahre erfolgreich als Lichtkünstler. „Ich kann nachts an keinem dunklen Gebäude vorbeigehen, ohne mir dafür eine gute Beleuchtung zu überlegen“, meint Boehlke, der in dritter Generation einen seit 60 Jahren bestehenden Elektroninstallationsbetrieb und seit 14 Jahren sein eigenes Lichtplanungsbüro führt.

Boehlke hat wohl schon fast jeden Berliner einmal beeindruckt: Im Jahr 2004 initiierte er eine dauerhafte neue Illumination für den Berliner Dom. Im Juni vergangenen Jahres ließ er mehrere Tage lang das Schloss Charlottenburg zur 300-Jahr-Feier erstrahlen. Zum „Festival of Lights“ im Oktober verzauberte er eine Woche lang nicht weniger als 38 Berliner Bauwerke und Plätze. In der Adventszeit setzte er 80 Großobjekte ins rechte Licht – darunter drei Weihnachtsmärkte und 25 Straßenzüge wie zum Beispiel den Ku'damm und den Boulevard Unter den Linden. Und bei den Olympischen Winterspielen in Turin beleuchtete er das Berlin-Haus.

Zur heutigen Langen Nacht der Wissenschaften sicherte sich die Freie Universität Berlin Boehlkes Künste – und der hat sich ein großes Ziel gesetzt: „Ich will das Licht in die Wissenschaft tragen.“ Ins Zentrum seiner Effekte stellt er die Rost- und Silberlaube in der Habelschwerdter Allee 45.

Die Rostlaube ist nach Ansicht von Bauhistorikern auf ihre Art ein Stück Weltarchitektur. Der Bau der geisteswissenschaftlichen Institute der Freien Universität Berlin wurde 1967 von drei namhaften Architekten in Angriff genommen: Georg Candilis, Alexis Josik und Shadrach Woods. Alle drei standen unter dem künstlerischen Einfluss von Le Corbusier. Der Name Rostlaube ist auf das Material Cor-Ten zurückzuführen, einen kontrolliert rostenden Stahl. Der Rostprozess an dem Gebäude kam aber nicht wie geplant nach zwei Jahren zum Stillstand: Es bildete sich nicht die erwünschte Schutzschicht, sondern der Stahl rostete an vielen Stellen durch. Der Komplex wird derzeit saniert und erstrahlt an vielen Stellen schon in neuem Glanz – der in der Langen Nacht der Wissenschaften durch Andreas Boehlke noch glanzvoller erscheinen wird.

„Ich möchte, dass die Besucher die ihnen eigentlich vertraute Rost- und Silberlaube durch die Illumination neu erleben und anders wahrnehmen“, erläutert Boehlke. Bei der Planung der Installationen ließ sich der Lichtplaner vor allem von der Architektur und den Farben des verschachtelten Gebäudes inspirieren, das in den 1970er-Jahren entstand. Ihre kupferfarbenen Flächen sollen vor allem durch ultraschnelle Lichtblitze aus so genannten Stroboskopen zur Geltung gebracht werden. Bei der Silberlaube setzt Andreas Boehlke auf verschiedene Farben – wobei das Blau aus dem Logo der Freien Universität dominieren wird. Auf dem angrenzenden Parkplatz an der Fabeckstraße sorgt ein zwölf Meter hoch aufgeblasener Obelisk für ein weiteres, imposantes Lichtspektakel.

Besucher der Langen Nacht, die durch die Rostlaube flanieren, bekommen rechts und links des Hauptganges einen weiteren Augenschmaus geboten: In jedem der schon bei Tageslicht beeindruckenden elf Innenhöfe unweit der neuen Foster-Bibliothek entfaltet Boehlke nach Einbruch der Dunkelheit eine eigene Stimmung aus Licht und Schatten. Er zieht dafür mit seinem Team mehr als zwei Kilometer Kabel. Zum Einsatz kommen Scheinwerfer und Projektionsstrahler mit einer Leistung von elf bis 4000 Watt; angeschlossen werden zudem Lichtrohre und Leuchtstäbe, Licht- und Spiegelkugeln, Kunststoff-Fasern und vieles mehr.

„Ich bin ein furchtbarer Perfektionist, ich kann mich einfach nicht ausschalten“, meint der gelernte Elektroinstallateur lachend. Jeder seiner Aufbauten werde stets so lange verändert, bis die gewünschte Illumination erreicht sei.

Wer die nicht alltäglichen Lichteffekte in Dahlem genießen will, sollte die heutige Gelegenheit nicht verpassen. Denn in und um Rost- und Silberlaube ist Lichtfan Andreas Boehlke buchstäblich „Mann für eine Nacht“.

Die Rost- und Silberlaube wird in der Langen Nacht noch aus einem weiteren Grund zum Publikumsmagneten: Denn im Theaterhof treffen in der lauen Frühlingsnacht vier Bands, vier Musikstile und ein DJ aufeinander.

Den Auftakt der jeweils einstündigen Konzerte macht um 20 Uhr die Jazz-Formation „Frau Minipause“. Eine Brücke zwischen Jazz und Pop schlagen dann Michalina Seekamp und Band. Die Mischung beider Stilrichtungen ist auch auf ihrer ersten CD „Peel me a grape“ zu hören. Ella Bondar und ihre Formation „Con Brio“ bringen nach Einbruch der Dunkelheit nicht nur osteuropäisches Temperament in den Theaterhof, sondern auch Pop, R & B und lateinamerikanische Klänge. Den musikalischen Staffelstab übernimmt gegen 23 Uhr die Band „Say Highs“ mit Großstadt-Country. Auch „Say Highs“ hat gerade die erste CD mit dem Titel „The Bark Is The Song Of The Dog“ veröffentlicht. Damit die Party als „Zwischenspiel der Wissenschaften“ nicht nur zu einem Genuss für die Ohren, sondern auch für den Gaumen wird, sorgt das Studentenwerk Berlin für einen Grill- und Getränkestand. JS/cwe