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Schrittmacher der Virusdiagnostik

Virologen der Freien Universität Berlin sorgen für weltweite Standardisierung und Qualitätskontrolle

Für einen Moment lehnt sich Prof. Dr. Heinz Zeichhardt auf seinem Bürostuhl zurück, um tief durchzuatmen. Kein Wunder, die Koffer für die Tagung in Kairo sind kaum ausgepackt, da ist der Virologe gedanklich bereits in Sachen Vogelgrippe unterwegs – doch dazu später.

Neu Schwung geholt, umreißt der Wissenschaftler die Kernpunkte seiner Arbeit: Virusdiagnostik, Standardisierung und Qualitätskontrolle. Täglich untersuchen Labors und Blutbanken Proben vor allem Blut, Speichel, Urin auf Virusinfektionen. Die Analysen dienen dazu, Viruserkrankungen festzustellen, Behandlungsschritte einzuleiten und zu überwachen sowie Virusübertragungen durch Blutspenden zu verhindern. „Wir wollen, dass die Analysen in allen Labors und Blutbanken gleich zuverlässige Ergebnisse liefern“, betont Zeichhardt. Dazu wird in Kontrollstudien, so genannten Ringversuchen, sowohl die Testdurchführung in den Labors als auch die Zuverlässigkeit der Virentests verschiedener Hersteller überprüft.

Voraussetzung dafür sind internationale Standards und fortlaufende externe Qualitätskontrollen. Auf diesem Gebiet ist der Virologe am Institut für Infektionsmedizin (Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin) weltweit führend. Zeichhardt leitet die Ringversuche seit 17 Jahren im Auftrag des Instituts für Standardisierung und Dokumentation im Medizinischen Laboratorium (INSTAND), der Bundesärztekammer, der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten und der Gesellschaft für Virologie. „Dieses System hat sich auch international derart ausgeweitet, dass wir knapp 1000 Labors in 59 Ländern in diesem Überwachungsnetzwerk koordinieren“, berichtet Heinz Zeichhardt.

Wie geht so eine externe Kontrolle vor sich? Beispiel HIV-Nachweis im Blut: Das Labor bestimmt in Patientenproben ob und wie viel genetisches Material des AIDS-Erregers vorhanden ist. Als freiwilliger Teilnehmer an den Ringversuchen erhält das Labor exakt definierte Testproben, in denen viele, wenig oder gar keine Viren oder deren Bestandteile enthalten sind. Und genau das muss das Labor auch feststellen. Referenzlabors garantieren, dass mit den in den Labors vorhandenen Methoden und den Testproben die Vorgaben erzielt werden können. Waren die Analysen erfolgreich, erhält das Labor ein Zertifikat, mit dem es seine Leistungen abrechnen kann. Hinter der Freiwilligkeit steckt also auch die ökonomische Notwendigkeit. In Deutschland werden ab 2006 die Ringversuche viermal jährlich absolviert. Übrigens: Für Blutbanken und Hersteller von Blutkomponenten ist die Ringversuchsteilnahme Pflicht.

Aber es geht in diesen Prüfprogrammen nicht nur um HIV, sondern um alle aktuellen Virusinfektionen, Hepatitis, Masern, Röteln, BSE oder Influenza. Erkannte Fehler werden gemeinsam mit den Labors, den Testherstellern, den Fachkollegen der genannten Gesellschaften, dem Paul-Ehrlich-Institut, dem Robert Koch-Institut und der zuständigen Zulassungsstelle behoben.

Zeichhardts Rat und seine Schrittmacherqualitäten sind national und international gefragt, ob als Berater der Weltgesundheitsorganisation, Russland-Beauftragter der Charité oder mit seinem Team als „Collaborating Center“ des Internationalen Konsortiums für Blutsicherheit in New York. Mit den vielen Kontakten konnte Zeichhardt, unterstützt durch seinen Stellvertreter Hans-Peter Grunert, seine Mitarbeiter, aber auch durch die Fachgesellschaften und -institute ein weltweites Netzwerk für die virusdiagnostische Qualitätskontrolle aufbauen.

Mittlerweile koordinieren die Virologen der Freien Universität Berlin 32 Prüfprogramme für Viren, demnächst kommt ein weiteres hinzu. Vor wenigen Wochen gab Zeichhardt den Impuls, noch in dieser Wintersaison alle deutschen Labors für die Testung auf das Vogelgrippevirus fit zu machen. Jetzt werden in Kooperation mit dem für Tierinfektionen zuständigen Friedrich-Loeffler-Institut und dem Robert Koch-Institut die wissenschaftlichen Grundlagen für ein sicheres und zuverlässiges Prüfprogramm erarbeitet – die Virusdiagnostik ist dann auf eine eventuelle Ausbreitung der Vogelgrippe vorbereitet.

Von Mathias Manych