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Gradmesser für die Leistungsfähigkeit

Das Einwerben von Drittmitteln wird an der Freien Universität Berlin groß geschrieben

Vor wenigen Wochen wurde gemeldet, dass die deutschen Hochschulen im Jahr 2003 erneut mehr Drittmittel eingeworben haben. Die Summe der Drittmittel von privaten und öffentlichen Geldgebern betrug 3,4 Mrd. Euro, und stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent. Auch die Freie Universität Berlin spielt hier mit. Zwar gehört sie nicht zu den stärksten drei Universitäten im Bereich der Pro-Kopf-Werte pro Professorenstelle - das sind die RWTH Aachen, die Universität Stuttgart und die TU München, allesamt technische Universitäten. Die Fächerprofile spielen insofern eine wichtige Rolle, als Forschung in unterschiedlichen Fächern unterschiedlich viel kostet und die Drittmittelgeber dementsprechend auch mit unterschiedlichen Beträgen fördern.

Im Jahr 2004 konnte aber auch die Freie Universität Berlin mehr als 53 Millionen Euro erzielen. Beigetragen haben dazu nicht alleine die oftmals genannten Naturwissenschaften (16,9 Millionen Euro), sondern auch die Altertumswissenschaften (1,1 Millionen Euro) oder die Erziehungswissenschaft (4,3 Millionen Euro) können auf eindrucksvolle Beträge verweisen. Die stärksten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer der Freien Universität Berlin können demgemäß mit Zahlen aufwarten, die weit über jenem Wert von 138 300 Euro liegen, den deutsche Universitätsprofessoren im Schnitt verbuchen konnten. Bis über 900 000 Euro reichten die Zahlen hier, und es sind dreißig Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, die mehr als 300 000 Euro pro Kopf vorweisen können. Zugleich zeigt sich, dass auch hier Prozesse der strategischen Konzentration und der Profilbildung eingegangen werden müssen.

Die Frage der Drittmittel ist von außerordentlich hoher Bedeutung in der heutigen Hochschullandschaft. Dabei geht es nicht alleine um das werbewirksame Herausstellen von hohen Geldbeträgen aus wissenschaftlichem Imponiergehabe. Erstens werden Drittmittel so wichtig, weil die staatlichen Mittel für die Hochschulen knapper oder doch zumindest unsicherer werden. Nicht selten hängen Forschungsmöglichkeiten und viele Personalstellen davon ab, ob die Einwerbung von Drittmitteln gelingt. Die Freie Universität Berlin bestreitet mittlerweile ein Viertel ihres Haushalts von ungefähr 200 Mio. Euro aus Drittmitteln.

Zweitens aber sind extern eingeworbene Mittel für die Forschung schon immer ein Gradmesser für die Leistungsfähigkeit von Forschung gewesen. Zuweilen wird zwar bestritten, dass Drittmitteleinwerbungen zu recht als Indikator für gute Leistungen herangezogen würden. Nicht immer und überall, wo Drittmittel im Spiel sind, wird am Ende auch gute Wissenschaft betrieben. Und sicherlich lässt sich hervorragende Forschung in einigen Bereichen auch betreiben, ohne einen einzigen Euro Drittmittel hierfür aufzuwenden. Aber in vielen Bereichen ist die Verfügbarkeit solcher Gelder eben einerseits eine Voraussetzung von erfolgreicher Forschung und andererseits auch deren Ergebnis, weil Drittmittelanträge nur dann erfolgreich sind, wenn Leistungen vorliegen, die neue gute Leistungen erwarten lassen.

Denn Drittmittel ziehen häufig wissenschaftliche Publikationen nach sich, ebenso wie Dissertationen. Sie sind daher die Voraussetzungen für den wissenschaftlichen Fortschritt. Aufgrund des hohen Drittmittelvolumens ist die Freien Universität Berlin auch eine der insgesamt elf vom Centrum für Hochschulentwicklung identifizierten Forschungsuniversitäten im CHE-Forschungsranking 2004. Sie punktet dabei insbesondere in den Fächern, in denen sie drittmittelstark ist (Chemie, Erziehungswissenschaft, Physik) aber auch in anderen, in denen sie Spitzenwerte bei den Publikationen und Promotionen ohne besonders viele Drittmittel erreicht (Anglistik, Soziologie, Geschichte). Auf derartigen Lorbeeren kann man sich aber heute nicht mehr ausruhen, höchsten darauf aufbauen.

Denn der Wettbewerb hat zugenommen, und zwar nicht nur national, sondern auch international. Der Wettbewerb um Mittel der europäischen Forschungsförderung gehört ebenso in diesen Kontext, wie der Wettbewerb um die Forschungsgelder einer globalen Wirtschaft, die das Wissen der Hochschulen nachfragt und die den Schritt von der Invention der Wissenschaftler zur marktfähigen Innovation vollziehen will. Dabei darf es keine Berührungsängste geben, sofern das Selbstbewusstsein der Hochschulen hinreichend hoch ist.

Wichtig ist zudem mit Blick auf die Drittmittel, dass mehr und mehr eine Finanzierung der so genannten Vollkosten stattfindet. Nicht alleine die direkten Kosten eines Forschungsprojekts sollten vom jeweiligen Drittmittelgeber finanziert werden, auch eine Finanzierung der übrigen Kosten wie für Räume, Energie usw. muss zukünftig Teil seines Beitrags sein. Ansonsten muss dieses Geld der schon jetzt nicht hinreichenden Grundfinanzierung der Hochschule weggenommen werden. Wenn dies geschieht, dann können mit für Leistung gegebenen Drittmitteln zukünftig auch die Grundlagen der Hochschulen mit finanziert werden. Das erhöht zwar einerseits den Wettbewerb, signalisiert aber andererseits auch, was Universität ausmachen soll: Spitze und Breite gleichzeitig.

Der Autor, Prof. Dr. Detlef Müller-Böling, ist Leiter des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)