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Vermittlungsbüro Albert Einstein

Der Physiker war im Exil Wissenschaftler und Hoffnungsträger zugleich

Albert Einstein kam am 17. Oktober 1933 in New York an. Sein Biograph Albrecht Fölsing berichtet, dass der New Yorker Bürgermeister schon mit einer Parade am Pier wartete, um den berühmten Einreisenden zu begrüßen: Es war Wahlkampf, und es ging um die jüdischen Stimmen. Doch eine Barkasse hatte Einstein und seine Begleiter an Bord genommen bevor die „Westernland“ anlandete. Der Bürgermeister wartete vergebens, während Einstein nach zügiger Erledigung der Einreise-Formalitäten mit dem Auto nach Princeton gebracht wurde.

Organisiert hatte diese „heimliche Ankunft“ Abraham Flexner, der Direktor des Institute for Advanced Study in Princeton, dem es im August 1932 gelungen war, Einstein für halbjährliche Aufenthalte von jeweils Herbst bis Frühjahr an sein noch junges, später so berühmtes Institut zu verpflichten. Herausragende Gelehrte sollten sich hier frei von Lehrverpflichtungen ganz der Forschung widmen. Einstein beschrieb Princeton als „ein wundervolles Stückchen Erde und dabei ein ungemein drolliges zeremonielles Krähwinkel winziger stelzbeiniger Halbgötter. Man kann sich aber durch den Verstoß gegen den guten Ton eine schöne Ungestörtheit verschaffen, und dies tue ich.“

Flexner ging in seinen Versuchen, Einstein vor ungebetener Öffentlichkeit zu schützen, manches Mal zu weit. In eifersüchtigem Stolz auf das neue, so prominente Institutsmitglied, öffnete er Post, die an Einstein gerichtet war, und sagte in seinem Namen Einladungen ab. Die zahllosen Bitten um Gutachten und Empfehlungsschreiben, die Einstein von anderen Flüchtlingen erreichten, konnte aber auch er nicht abwehren. Die Einwanderung in die USA unterlag seit dem Ersten Weltkrieg einer Quotierung, die für Deutschland ursprünglich 51 227 Einwanderer im Jahr zuließ, nach der Weltwirtschaftskrise 1929 aber auf die Hälfte reduziert wurde. Für diejenigen, die ein Visum erhalten hatten, war es schwierig, beruflich Fuß zu fassen. Neben Thomas Mann war Einstein der prominenteste der Emigranten, von dessen Empfehlung sich sehr viele eine Chance versprachen. Er habe „ein Vermittlungsbüro für Verfolgte sowie für intellektuelle Sonderlinge“, schrieb Einstein im August 1938, und er könne versichern, „dass das Geschäft in ungeheurem Schwung“ sei. Die Anekdote, dass sich vier Physiker um eine freie Stelle in einem Krankenhaus bewarben und jeder von ihnen ein Empfehlungsschreiben von Einstein vorzuweisen hatte, wird oft erzählt.

Seine Hilfsbereitschaft bewies er durchaus nicht nur mit Gutachten, sondern auch, indem er für andere bürgte. Obwohl er nicht unvermögend in die Vereinigten Staaten gekommen war und am Institute for Advanced Study gut bezahlt wurde, sah sich Einstein 1938 nicht mehr in der Lage, weitere Bürgschaften auszustellen, da er sonst die bereits geleisteten gefährdet hätte. Das vermittelt eine Vorstellung davon, wie weit er sich finanziell verpflichtet hatte. Princeton wurde auch dank des Institute for Advanced Study und seiner Mitglieder zu einem wichtigen Ort des wissenschaftlichen Exils, ohne dass dies ein erklärtes Gründungsziel des Instituts gewesen war.

Von Herbst 1938 bis zum Frühjahr 1941 lebte auch Thomas Mann nur wenige Straßenzüge von Einstein entfernt. Das große Haus, das die Familie Mann in Princeton führte, war zwar nicht Einsteins Welt. Doch in ihrem Engagement für die Vertriebenen waren sich Mann und Einstein einig und unterstützten einander. Beide sahen sich in der Verantwortung, anderen Flüchtlingen zu helfen und zu den politischen Geschehnissen in Europa und den USA Stellung zu nehmen. Die Emigranten verspürten einen „Zwang zur Politik“, wie es Thomas Mann bezeichnete. Einstein allerdings hatte sich schon in Deutschland, viele Jahre vor seiner Flucht, zu politischen Themen geäußert. Er vertrat sie unabhängig vom tagespolitischen Geschehen und grundsätzlich. Der Grundsätzlichkeit und dem globalen Anspruch, mit denen er für Weltfrieden und für die Wahrung einer gemeinsamen Weltkultur geworben hatte, begegnen wir in den politischen Konzepten vieler anderer Emigranten wieder. Einstein teilte ihre Überzeugung, dass Frieden und Sicherheit nur durch eine internationale Organisation geschaffen und verteidigt werden könnten. Schon in den zwanziger Jahren in Deutschland hatte er dieses Ziel verfochten, die Völkerbundinitiative des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilsons achtete er trotz der Schwierigkeiten ihrer politischen Durchsetzung hoch.

In einer Rundfunkansprache im Mai 1946 sprach Einstein – nun unter dem Eindruck der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki – über die Notwendigkeit der Schaffung einer Weltregierung. Die politischen und persönlichen Erfahrungen von Emigranten wie Einstein hatten ihr „Vertrauen in die Stabilität, ja in die Lebensfähigkeit der zivilisierten menschlichen Gesellschaft“ schwinden lassen, wie der Physiker schon 1939 schrieb. In der Charta der Vereinten Nationen von 1945 finden sich dann auch viele der politischen Überzeugungen exilierter Intellektueller wieder, etwa die Betonung des Menschenrechts auf Frieden und Freiheit und die Notwendigkeit internationaler Kooperation. Mit den Planungen für eine internationale Organisation zur Friedenssicherung begonnen hatte der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt 1939 – dem Jahr des Kriegsausbruchs.

Von Barbara Picht, die Autorin forscht als Historikerin am Friedrich-Meinecke-Institut der FU. Im Rahmen ihrer Dissertation untersucht sie die Exilerfahrung jüdischer Wissenschaftler.