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Gezielter gegen Gebärmutterhalskrebs

Techniken aus der Bauchspiegelung erlauben schonendere Operationen

Bevor die minimalinvasive Chirurgie (MIC) Einzug in die Operationssäle hielt, war es lange Zeit nur eine Vision, im Bauchraum zu operieren, ohne ihn großflächig aufzuschneiden. Die Endoskopie, die bei vielen Krankheiten wie der akuten Blinddarmentzündung inzwischen Routine ist, wird bei einigen gynäkologischen Tumoren bisher aber nur selten eingesetzt. Doch auch in der Frauenheilkunde ist diese Form der Behandlung auf dem Vormarsch. Einer der Pioniere auf diesem Feld ist Achim Schneider, Direktor für Frauenheilkunde der Charité am Campus Benjamin Franklin der FU. Er ist einer der wenigen Gynäkologen, der seit mehreren Jahren unter anderem Patientinnen mit Gebärmutterhalskrebs mittels Bauchspiegelung operiert. Das Verfahren ist schonender und hat darüber hinaus den Vorteil, dass der Arzt es auch einsetzen kann, um schon für die Diagnose Lymphknoten zu entnehmen. Der Befund wird auf diese Weise genauer; die Patientinnen bekommen mit höherer Sicherheit die für sie beste Behandlung.

Üblich ist dieses Vorgehen noch nicht. Die Internationale Förderation für Gynäkologie und Geburtshilfe schlägt Ärzten zur Einschätzung des Tumorstadiums vor, die Größe der Geschwulst zu ertasten. Nach dieser Untersuchung entscheidet er, ob und wie operiert wird. „Das hat einen guten Grund“, sagt Achim Schneider, „denn in Ländern mit begrenzten medizinischen Ressourcen gibt es keine andere Möglichkeit.“ Für Länder wie Deutschland hält er das aber nicht für akzeptabel. Hier zu Lande erkranken pro Jahr etwa 6600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Im Gegensatz zu bösartigen Erkrankungen direkt in der Gebärmutter, entwickeln sich vor allem bei jüngeren Frauen Geschwülste am Gebärmutterhals.

Die althergebrachte Form der Untersuchung hat ihre Tücken: Der Arzt kann die Größe eines Tumors nur ungenau ertasten und er kann nicht feststellen, ob umliegende Lymphknoten befallen sind. Da sich Tumorzellen jedoch über das Lymphknotensystem weiter im Körper verteilen, ist das entscheidend für die Therapie. „Deshalb wird beim bisherigen Vorgehen der Bauch geöffnet“, erklärt Achim Schneider, „dann entnimmt der Arzt Lymphknoten und lässt sie auf bösartige Krebszellen hin untersuchen.“ Oft wird im Verlauf einer solchen Laparotomie die Gebärmutter gleich mit entfernt. Schneider findet das nicht immer sinnvoll: „Denn wenn die Lymphknoten befallen sind, muss sowieso meistens bestrahlt und gleichzeitig mit Chemotherapie behandelt werden“, erläutert er. Da die Wunde nach einer OP erst verheilen müsse, vergehe wertvolle Zeit bis zur Chemotherapie.

Das will Achim Schneider mit der Laparaskopie, also der Bauchspiegelung, vermeiden. Dazu macht er nur einige kleine Schnitte. Durch sie führt er zwei Instrumente mit etwa fünf Millimeter Durchmesser in den Bauchraum ein, dazu eine kleine Kamera, die ein Assistent bedient. Auf einem Monitor sehen die Operateure Organe, Nerven und Blutgefäße in 7-facher Vergrößerung, so dass sie sehr gezielt operieren können. Mit seinen OP-Werkzeugen entnimmt der Arzt Lymphknoten und lässt sie während des Eingriffs labortechnisch analysieren. Sind sie mit Krebszellen befallen, wird die Gebärmutter nicht operiert. Da die Wunde klein ist, kann die Patientin schon nach wenigen Tagen bestrahlt und mit Chemotherapie behandelt werden. Dadurch gelingt es oft, den Tumor abzutöten. Sind die Lymphknoten dagegen nicht befallen, wird ab einer bestimmten Tumorgröße die ganze Gebärmutter durch die Scheide entfernt, und die Patientin hat oft auch ohne weitere Therapie gute Aussichten, geheilt zu werden.

Der Verlust der Gebärmutter – und damit der Gebärfähigkeit vieler Frauen – ängstigt vor allem jüngere Patientinnen. Wenn der Tumor noch nicht zu groß ist und noch keine Lymphknoten befallen sind, operiert Schneiders Team jüngere Frauen, wenn sie es wünschen, so, dass sie noch Kinder bekommen können. Weil die Ärzte gleichzeitig von oben mit einer Bauchspiegelung und von unten durch die Scheide operieren, können sie die Gebärmutter erhalten. Durch die schonende Operationstechnik bleiben Nerven und Blutgefäße intakt, was wichtig für eine erfolgreiche Schwangerschaft ist. „Allerdings muss hundertprozentig sicher gestellt sein, dass der Heilungserfolg dadurch nicht kleiner ist, als wenn die Gebärmutter entfernt wird“, wägt Achim Schneider die Risiken einer nicht vollständigen Entfernung der Gebärmutter ab. Der Mediziner hat gerade eine Studie mit einhundert Patientinnen abgeschlossen. Sie zeigt, dass Frauen, denen er den Uterus nicht operativ entfernt hat, kein höheres Risiko haben, wieder zu erkranken als diejenigen Patientinnen, denen die Gebärmutter vollständig entfernt wurde.

Noch wird nur von wenigen Ärzten der Gebärmutterhalskrebs mit solchen Techniken aus der Bauchspiegelung operiert, in Deutschland sind es vor allem Achim Schneiders frühere Schüler in Jena und Köln. Er ist jedoch zuversichtlich, dass es mehr werden, „denn die Ergebnisse sind gut“. Doch die Technik ist aufwändig und auch für geschulte Mediziner nicht so leicht zu erlernen. Auch fehlt ihr noch das letzte Gütesiegel. Das ist für Mediziner eine so genannte prospektiv randomisierte Studie. Mit ihr wird der Erfolg einer Behandlungsmethode gegenüber einer anderen eindeutig belegt. Solche Studien laufen zur Zeit, und Achim Schneider erwartet in etwa zwei Jahren Ergebnisse.

Von Thomas Schneidermann