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„Der Reiz besteht darin, den Blick zu weiten“

Am Interdisziplinären Zentrum schaut man in die Alte Welt, um die von heute besser zu verstehen

Was verbirgt sich hinter dem Namen „Interdisziplinäres Zentrum Alte Welt“?

Die Alte Welt spielt im heutigen Berlin eine erstaunlich große Rolle. Denken Sie nur an die Museumsinsel mit ihren weltweit einmaligen Sammlungen zu den Kulturen der Alten Welt. Wie an kaum einer anderen deutschen Universität spiegelt aber auch das breite Fächerangebot der Freien Universität die Alte Welt wider. Für den Erhalt dieser Vielfalt an „kleinen Fächern“ hat sich die Freie Universität ja auch bei ihren Strukturreformen bewusst entschieden. Wir wollten deshalb mit dem so genannten Interdisziplinären Zentrum „Alte Welt“ einen Verbund aller Fächer gründen, die sich an der Freien Universität mit den frühen Phasen der Menschheitsgeschichte beschäftigen. Das Interdisziplinäre Zentrum existiert nun seit gut einem Jahr und die Zusammenarbeit klappt ausgezeichnet und ist sehr erfolgreich.


Welche Ziele verfolgt der Verbund?

In erster Linie wollen wir eine Plattform für Wissenschaftler, gerade auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs sein und den wissenschaftlichen Austausch sowohl mit den Museen, als auch der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) vertiefen. Natürlich dient der Verbund auch dem Ziel, dass wir Wissenschaftler an der Freien Universität uns über die Fächergrenzen hinweg öffnen und wissenschaftlich voneinander profitieren. Ohnehin arbeiten wir durch die neuen Studiengänge intensiver als früher zusammen. Außerdem wollen wir verstärkt an die Öffentlichkeit treten und gemeinsam Ausstellungen, Tagungen und Veranstaltungen planen.


Wo hört die „Alte Welt“ auf?

Die alte Welt umfasst in unserer Definition die frühen Hochkulturen in Ägypten und im Vorderen Orient ebenso wie in Mittel- und Ostasien und reicht bis hinein in die Neue Welt Südamerikas. Dies mag vielleicht ein wenig verwundern, da man bei alter Welt schnell an antike Welt denkt und die ist begrenzt. So vergleicht der griechische Philosoph Platon, die um das Mittelmeer und Schwarze Meer in ihren Küstenstädten lebenden Griechen mit Ameisen oder Fröschen, die um einen Tümpel herum sitzen. Diese antike Welt ist für uns nur ein Teil der Alten Welt. Der besondere Reiz unseres Zentrums besteht nämlich genau darin, den Blick zu weiten und uns nicht mit einer eurozentrierten Sichtweise zufrieden zu geben, um Kulturen vergleichen zu können und so im Vergleich besser verstehen zu lernen.


Besteht nicht die Gefahr der Zufälligkeit?

Auch wenn in den einzelnen Fächern verschiedene wissenschaftliche Methoden und eine Vielfalt an Forschungsgegenständen existieren, gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten: Wir verfolgen das Entstehen von Schriftsystemen, denken Sie nur an ägyptische Hieroglyphen oder die Keilschrift. Denken Sie aber auch an das Entstehen von Regierungsformen oder Zahl- und Maßsystemen – Errungenschaften, die übrigens bis heute unsere Kultur prägen. Wir profitieren dabei von der Methodenvielfalt der Fächer. Während die Archäologen durch Ausgrabungen neue Informationen ans Licht bringen, erlangen andere Forscher des Zentrums neue Erkenntnisse aus einer Analyse der Sprachen, der Kunst- und Alltagskultur, aber auch menschlichen Handelns wie zum Beispiel religiöser Rituale.


Wodurch unterscheidet sich das IZ „Alte Welt“ vom Antikenzentrum der Humboldt-Universität?

Das Antikenzentrum der Humboldt-Universität beschäftigt sich mit den Transformationen der Antike, also dem Nachleben der Antike bis in unsere Zeit hinein. Wir haben unseren Schwerpunkt anders gesetzt. Uns interessiert das Entstehen und Funktionieren der frühen Kulturen. Unser Blick geht also zunächst in die Alte Welt hinein. Wir wollen die Alte Welt verstehen, um dann zu begreifen, wie sie uns heute noch prägt. Die fragmentarische Überlieferung der lange vergangenen Kulturen erlaubt es, Ebenen des menschlichen Lebens in den Blick zu nehmen, die wir um uns herum aufgrund ihrer Dichte kaum in ihrem Einfluss auf unser Leben untersuchen und verstehen können. Daher sind es immer wieder auch uns heute interessierende Fragen, die wir an die Alte Welt stellen, und deren Beantwortung uns auch Erkenntnisse für unsere Zeit erbringt.

Mehr Informationen zum Interdisziplinären Zentrum „Alte Welt“ an der Freien Universität gibt es im Internet unter www.fu-berlin.de/izaltewelt.

Friederike Fless lehrt Klassische Archäologie an der Freien Universität Berlin und ist Sprecherin des Interdisziplinären Zentrums „Alte Welt“.

Das Interview führte Felicitas von Aretin.