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Heiß begehrte Ausbildung

Die FU sorgt nicht nur für akademischen Nachwuchs, sondern auch für „Exoten“ wie Imker oder Gärtner

Als vor ein paar Wochen 4300 Erstsemester und elf neue berufene Professoren das erste Mal Dahlemer Campusluft schnupperten, hatten 32 junge Frauen und Männer bereits mit ihrer Ausbildung an Berlins größter Universität begonnen. Anders als die etwa gleichaltrigen Erstsemester werden sie die Universität nicht in fünf bis sechs Jahren als Chemiker, Tierärzte, Biologen und Betriebswirtschaftler verlassen, sondern in drei Jahren als Chemielaborantinnen, Tierpflegerinnen, Gärtner und Verwaltungsfachangestellte. Für gleich neun Berufe nämlich ist die FU betriebliche Ausbildungsstätte. Darunter sind auch solche, die an einer Universität niemand so recht vermuten würde. Simon Reich (21) etwa ist in ganz Berlin der einzige Azubi für den Beruf des Imkers – oder vielmehr „Tierwirt für Bienenhaltung“ wie der Abschluss formal richtig heißt. Unter der Anleitung von FU-Imkermeister Benedikt Polaczek lernt er am Institut für Biologie seit September diesen seltenen Beruf. In Flugweite der rund 40 Bienenvölker, die der zugereiste Norddeutsche nun pflegt und erforscht, arbeitet Marvin Müller (18). Er lernt sein Handwerk im zweiten Lehrjahr im Botanischen Garten. Außer ihm gibt es in der ganzen Stadt nur noch wenige, die sich nach der Prüfung Staudengärtner nennen dürfen. Bis dahin hat der Hellersdorfer allerdings noch zwei Jahre in der Berufsschule und in den verschiedenen Revieren des 17 Hektar großen Gartens vor sich.

Reich und Müller haben es geschafft, sie sind auf dem besten Weg zu ihrem jeweiligen Traumberuf. Und auch die anderen „Neuen“ haben vorab einiges leisten müssen, um einen der begehrten 120 Ausbildungsplätze an der Freien Universität zu ergattern. Die Schulabgangsnoten waren zwar ein wichtiges Argument, aber bei weitem nicht das einzige. Nur wer einwandfreie Bewerbungsunterlagen einreicht und überzeugende Motive für die Berufswahl nennen kann, hat eine Chance zum Bewerbungsgespräch geladen zu werden.

Doch damit nicht genug. In allen Berufen führen die Ausbilder mit den Kandidaten weitere Eignungstests durch. Je nach Wunschberuf stehen dort mal Allgemeinwissen und mal handwerkliches Geschick im Vordergrund. So sollte ein angehender Azubi im Verwaltungsdienst unbedingt wissen, wer der aktuelle Bundespräsident ist, während ein zukünftiger Tierpfleger in der Lage sein sollte, die Schädel unterschiedlicher Tiere zu bestimmen.

Die Latte liegt hoch, denn die Freie Universität wählt nur die Besten aus. Eignungstests, wie sie für die Studierendenauswahl momentan diskutiert werden, sind bei den Ausbildungsberufen längst gang und gäbe. „Trotzdem hat der Andrang der Bewerber in den vergangenen Jahren stetig zugenommen“, sagt Lothar Fahrenkrog-Petersen. Er muss es wissen, denn auf dem Schreibtisch des Ausbildungsbeauftragten landen alle Bewerbungen, die an die Freie Universität adressiert sind. Bis zu einhundert Bewerber gibt es auf jeden Ausbildungsplatz, darunter immer mehr Abiturienten. „Selbst für die typischen Handwerksberufe wie Gärtner oder Elektroniker interessieren sich Berlinerinnen und Berliner mit Hochschulreife“, wundert sich Fahrenkrog-Petersen. Keine Ausbildung ohne Abi? „Wir wollen allen eine Chance geben. Mindestens die Hälfte unserer Azubis hat ja auch den Realschulabschluss, etwa ein Viertel den erweiterten Hauptschulabschluss“, beruhigt Fahrenkrog-Petersen. Doch auch er beobachtet seit Jahren mit Sorge, dass das Niveau der Haupt- und Realschulabsolventen nicht eben gestiegen ist. „Die Anforderungen an die modernen Berufe sind hoch. Was vor 20 Jahren der Elektriker war, ist heute schon der Elektroniker und immer öfter der Mechatroniker“, zeichnet er die Entwicklung nach. IT ist überall, auch im Handwerk.

Nichts hat die Berufswelt und damit die Ausbildungsberufe so nachhaltig verändert wie die Computertechnik: Die FU hat im Sommer 2004 nach Jahrzehnten die beliebte Ausbildung zum Fotografen eingestellt. Dafür heißt die Bibliothekarin nicht umsonst mittlerweile „Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste“. Der modernste unter den Ausbildungsberufen ist ein echter Newcomer: Demnächst werden erstmalig drei Azubis zum Fachinformatiker für Systemintegration ausgebildet. „Sie sind das neue Bindeglied zwischen Datenerfassern und Informatikern“, freut sich der Ausbildungsbeauftragte.

Und noch etwas macht ihn stolz – die Tatsache, dass die FU seit 26 Jahren nicht nur für den Eigenbedarf ausbildet. Angehende Chemielaboranten der FU lernen in den Lankwitzer Laboren gemeinsam mit Azubis der HU, TU, der Bundesanstalt für Materialprüfung und externer Firmen. „Wir haben schon im Verbund ausgebildet, da gab es das in der Privatwirtschaft noch gar nicht“, so Fahrenkrog-Petersen selbstbewusst. Hinzu kommen 150 Personen, die jährlich Umschulungen, Praktika und berufliche Weiterbildungen in den Einrichtungen der FU absolvieren: Studierte Psychologen werden als Psychotherapeuten in der Studienberatung weitergebildet und Tierärzte können sich in der Lehrschmiede der Pferdeklinik der Freien Universität schlagkräftig zum Hufbeschlagschmied fortbilden.

Nähere Informationen zu den Ausbildungsberufen an der Freien Universität: Lothar Fahrenkrog-Petersen, Tel.: 030/ 838 5678 oder im Internet unter http://www.fu-berlin.de/weiterbildung/ausbildung/index.html

DIE AUSBILDUNGSBERUFE

Eine Chance für 120 Azubis

Die neun Ausbildungsberufe an der Freien Universität Berlin

Chemielaborant/in (3 bis 3,5 Jahre)

Elektroniker/in (3 Jahre)

Fachangestellte/r für Medien- und Informationsdienste (3 Jahre)

Fachinformatiker/in für Systemintegration (3 Jahre)

Gärtner/in (3 Jahre)

Industriemechaniker/in (3,5 Jahre)

Verwaltungsfachangestellte/r (3 Jahre)

Tierpfleger/in (3 Jahre)

Tierwirt/in für Bienenhaltung (3 bis 3,5 Jahre)

Die Ausbildungsplätze werden jeweils im Januar 2005 in den Berliner Tageszeitungen ausgeschrieben. Auch vorher sind Bewerbungen schon möglich.

Die Bewerbungen von Frauen sind insbesondere in den so genannten Männerberufen erwünscht.