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Hartz IV - nur Verlierer?

Eine Untersuchung aus dem Institut für öffentliche Finanzen und Sozialpolitik der FU

Die Anträge für Arbeitslosengeld II sind abgeschickt, und viele Betroffene warten nun auf den Bescheid von ihrer Agentur für Arbeit. Viele bisherige Bezieher von Arbeitslosenhilfe müssen mit einem deutlichen Einkommensverlust rechnen. Es gibt jedoch auch eine ganze Reihe von Haushalten, die ab Januar mehr Geld zur Verfügung haben werden. In den Publikationen der Agentur für Arbeit gibt es Beispielrechnungen für verschiedene typische Haushalte. Es liegen jedoch bisher kaum Zahlen über die genauen Anteile von Gewinnern und Verlierern der Reform vor.

Jan Schulte, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für öffentliche Finanzen und Sozialpolitik der Freien Universität, berechnet in der Untersuchung „Arbeitslosengeld II und Arbeitslosenhilfe: Gewinner und Verlierer“ für die in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 1998 erfassten Empfänger von Arbeitslosenhilfe die Höhe des Arbeitslosengeldes II und den Unterschied zwischen bisherigem und zukünftigem Nettoeinkommen. Die EVS des Statistischen Bundesamtes liefert genaue Angaben über Demographie, Einnahmen und Ausgaben, Geldvermögen und Haus- und Grundbesitz der deutschen Haushalte; die EVS 98 ist die jüngste vollständig verfügbare Stichprobe.

Bei der Untersuchung zeigt sich das erwartete Muster: Paare ohne Kinder sind die größten Verlierer, mehr als 80 Prozent von ihnen müssen ab dem 1.1.2005 mit weniger Geld auskommen, im Schnitt über 250 Euro. Alleinerziehende Eltern hingegen werden besser gestellt: über 70 Prozent von ihnen werden im nächsten Jahr mehr Geld zur Verfügung haben. Es gibt auch Überraschungen: Paare mit Kindern sind die zweithäufigsten Verlierer, rund die Hälfte der Haushalte in dieser Gruppe werden verlieren; Alleinlebende stehen etwas besser da, ein bisschen mehr als die Hälfte der Alleinlebenden werden in Zukunft mehr Geld zur Verfügung haben.

Dass Paare ohne Kinder und auch Paare mit Kindern so viel öfter und so viel mehr Einkommen verlieren, als die Beispielhaushalte aus den Broschüren der Agentur für Arbeit suggerieren, liegt daran, dass es in den meisten Partnerschaften zwei Einkommensbezieher gibt. Das Einkommen des Partners wird bis auf einen geringen Freibetrag auf das Arbeitslosengeld II angerechnet, weshalb fast die Hälfte der Paare ohne Kinder und immer noch ein Drittel der Paare mit Kindern gar keine Zahlung mehr erhalten werden. In Ostdeutschland ist dieser Anteil, besonders bei den Familien mit Kindern, etwas größer als in Westdeutschland, da dort die Erwerbsbeteiligung der Frauen deutlich höher ist als im Westen. Einverdienerfamilien mit Kindern hingegen profitieren überwiegend von der Reform, schon bei nur einem Kind ist das Arbeitslosengeld II in der Regel höher als die Arbeitslosenhilfe, die in diesen Familien meist die Haupteinkommensquelle ist.

Bemerkenswert ist, dass so viele Alleinlebende durch die Reform gar keine Einkommenseinbußen erleiden. Soche mit einem geringen Einkommen erhalten ein wenig mehr, während solche mit einem bisher höheren Einkommen Einbußen hinnehmen müssen. Die Zahlen der Verlierer und die der Gewinner gleichen sich aus. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verlierer weit mehr verlieren als die Gewinner gewinnen: Der durchschnittliche Gewinn liegt bei knapp 60 Euro, während der durchschnittliche Verlust über 150 Euro beträgt. Im Osten ist der Anteil der Verlierer deutlich höher als im Westen, in keiner Gruppe ist der Unterschied zwischen Ost und West größer.

Ebenfalls untersucht wurde, ob die Haushalte, die noch Anspruch auf eine Zahlung haben, in einer unangemessen großen Wohnung wohnen, oder ein Vermögen besitzen, dass über den Freibeträgen liegt. Hier kann Entwarnung gegeben werden, gerade ein bis zwei Prozent der betroffenen Haushalte überschreiten die Freibeträge, und die Empfänger von Arbeitslosenhilfe, die zur Miete wohnen, wohnen im Vergleich zu den Sozialhilfeempfängern bescheiden.

Nicht untersucht wurde hingegen, wie sich die Verluste auf das Erwerbsverhalten der Betroffenen auswirken. Es ist möglich, dass nun mehr Langzeitarbeitslose auch schlechter bezahlte Jobs annehmen, um die Einkommensverluste auszugleichen.

Jan Schulte