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„Vieles wäre nicht möglich gewesen“

Warum die Auszeichnung für die Freie Universität 2007 genau zum richtigen Zeitpunkt kam – ein Interview mit Universitätspräsident Professor Peter-André Alt über die Aufbruchstimmung nach Krisenzeiten, genutzte Chancen und neue Ziele

06.10.2017

Im Interview: Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin.

Im Interview: Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Exzellenzinitiative, das Programm des Bundes und der Länder zur Förderung der universitären Spitzenforschung, hat die deutsche Hochschullandschaft verändert. Auch an der Freien Universität, die am 19. Oktober 2007 für ihr Zukunftskonzept „Internationale Netzwerkuniversität“ ausgezeichnet wurde, hat der Wettbewerb bleibende Spuren hinterlassen. Die Universität war seitdem eine von zunächst neun Exzellenzuniversitäten in Deutschland und konnte die Auszeichnung 2012 erneut erfolgreich verteidigen. Im Gespräch mit Christa Beckmann und Nina Diezemann blickt Universitätspräsident Professor Peter-André Alt zurück auf die Entwicklungen im vergangenen Jahrzehnt.

Herr Professor Alt, als die Freie Universität 2007 in der Exzellenzinitiative ausgezeichnet wurde, galt das beinahe als Überraschungserfolg. Offenbar war das Image der „Schmuddel- und Aufruhr-Uni“, von dem manche Medien damals schrieben, noch weit verbreitet. Wie haben Sie die Entscheidung damals erlebt?

Ich war zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht Universitätspräsident, sondern Wissenschaftler und Hochschullehrer, und hatte selbst eine Graduiertenschule beantragt, viel Energie und Lebenszeit in dieses Projekt gesteckt – und die Friedrich- Schlegel-Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien hatte erfolgreich abgeschnitten. Das beschäftigte mich sehr. Aber wichtig war natürlich auch der Exzellenzstatus der Freien Universität, denn uns war klar, dass unsere Universität nur dann eine Zukunft hat, wenn dieser Antrag erfolgreich ist. Es ist uns heute kaum noch präsent, aber damals wurde von vielen in Berlin noch die Frage gestellt: Warum braucht Berlin zwei ähnliche große Universitäten? Mit unserem Erfolg haben wir eine sehr klare Antwort gegeben.

Es war also immer noch eine existentielle Situation, in der sich die Freie Universität damals befand?

Wir mussten seit Beginn der 1990er Jahre als einzige Berliner Universität unsere Stellen um die Hälfte reduzieren.Wir hatten also ganz andere Voraussetzungen in diesem bundesweiten Wettbewerb als andere Hochschulen; hinter uns lag eine Geschichte der Krisenabwehr. Und unser Antrag auf Förderung in der allerersten Runde des Exzellenzwettbewerbs 2006 hatte nicht geklappt. Durch den Erfolg 2007 war eine Schubumkehr gelungen - was die Universität zu diesem Zeitpunkt auch wirklich brauchte.

Heute behauptet sich die Freie Universität national und steht auch in internationalen Rankings sehr gut da.Welche Entwicklungen wären ohne das Geld aus der Exzellenzinitiative nicht möglich gewesen?

Ohne die zusätzlichen Exzellenzmittel wäre vieles nicht möglich gewesen: Wir hätten nicht eine solche Vielzahl von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an die Universität holen können. Dadurch konnten wir Forschungsprojekte initieren, die heute zum Beispiel als Sonderforschungsbereiche aus anderen Drittmitteln gefördert werden. Wir hätten die sieben Verbindungsbüros, die uns weltweit repräsentieren, nicht mit dieser Wirksamkeit aufbauen können. Und es wäre nicht möglich gewesen, strategische Partnerschaften mit Universitäten vom Rang der University of California at Berkeley, der Universität Zürich oder der Hebrew University of Jerusalem abzuschließen. Gerade im Ausland wird man oft auf den Status als Exzellenzuniversität abgesprochen. Er hat eine größere Wirksamkeit als wir das in Deutschland oftmals glauben.

Ein Vorwurf an die Exzellenzinitiative lautet, sie sei nur auf Forschung ausgerichtet. Haben an der Freien Universität auch die Studierenden profitiert?

Durch die Exzellenzinitiative konnten wir Persönlichkeiten an die Freie Universität holen, deren Forschung sehr innovativ ist und die auch das Lehrangebot bereichern. Außerdem haben wir die forschungsorientierte Lehre an der Freien Universität als Projekt aufgebaut. Das hat sich gelohnt, denn auf diese Weise werden Studierende schon früh in ihrem Studium an große Forschungsvorhaben herangeführt und lernen Denkprozesse und Verfahren kennen, die Spitzenforschung ausmachen. Auch das war nur durch die zusätzlichen Mittel aus der Exzellenzinitiative möglich. Sie haben selbst 2007 die Friedrich-Schlegel-Graduiertenschule eingeworben und waren bis 2010 ihr Sprecher.

Welche Chance sahen Sie damals im Exzellenzwettbewerb?

Der Reiz bestand darin, dass man seinerzeit für die Nachwuchsförderung sozusagen einen Wunschzettel schreiben konnte. Man konnte international herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch für die Betreuung der Dissertationen gewinnen und so ein intellektuelles Ökosystem für die Literaturwissenschaft schaffen, in dem die Doktorandinnen und Doktoranden bestmöglich gefördert werden. Zunächst gab es noch – auch unter den Bewerberinnen und Bewerbern – Unsicherheit, was dieses neue Schul-Modell in der Promotionsbetreuung auszeichnet. Aber als nach wenigen Jahren in einer Bewerbungsrunde eine Kandidatin sagte, hierher als Doktorandin zu kommen, sei das Beste, was einem als Philologin passieren könne, wusste ich, es hat funktioniert.

Bedauern Sie, dass es die Förderlinie für die Graduiertenschulen im aktuellen Nachfolgewettbewerb der Exzellenzinitiative – der Exzellenzstrategie – nun nicht mehr gibt?

Ich halte das für einen großen Fehler, denn ein solches Projekt muss auch nachhaltig abgesichert werden, die dafür erforderlichen zusätzlichen Finanzierungslasten können nicht einfach aus dem Etat einer Universität abgezweigt werden. Ich finde zudem das Signal nach außen falsch, weil der Eindruck vermittelt wird, die Graduiertenschulen seien nur ein Intermezzo gewesen und das Modell funktioniere nicht. Ein Bereich, in dem wir künftig mit den anderen Berliner Universitäten verstärkt zusammenarbeiten wollen, wird auch der Bereich der Nachwuchsförderung sein. Hier müssen wir bestmögliche Bedingungen schaffen.

2012 wurde die Freie Universität erneut mit dem Exzellenzsiegel ausgezeichnet. Sie waren damals seit zwei Jahren Präsident der Hochschule – was war Ihnen bei diesem Folgeantrag besonders wichtig?

Unser erstes Zukunftskonzept „Internationale Netzwerkuniversität“ war sehr erfolgreich – auch wenn der Netzwerkgedanke nicht unumstritten blieb, so bezeichnet er doch ein tragfähiges Modell, das durch Kreativität und Sicherheit gekennzeichnet ist. Wir interagieren international mit Partnern auf Augenhöhe, verbinden uns mit ihnen, geben aber unsere Identität nicht auf. 2012 ging es darum, dieses Modell zu erweitern: um ein Konzept zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses etwa, und außerdem sollten die Potenziale der Zusammenarbeit innerhalb Berlins besser entfaltet werden. Es war mir vor allem wichtig, die Kooperation mit den außeruniversitären Einrichtungen im Hinblick auf die gemeinsame Nachwuchsförderung auszubauen. Durch die wachsende regionale Zusammenarbeit wurden zudem die Weichen gestellt für einen möglichen gemeinsamen Antrag der Berliner Universitäten im derzeitigen Exzellenzstrategie-Wettbewerb.

„Studierende werden schon früh an große Forschungsvorhaben herangeführt“

Was unterscheidet die neue Exzellenzstrategie von der bisherigen Exzellenzinitiative?

Das Wichtigste ist, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit jetzt stärker gewichtet wird. In der Förderlinie für die Exzellenzcluster können diese großen Forschungsverbünde nun zweimal nacheinander gefördert werden, und zwar nicht nur für fünf Jahre wie bisher, sondern für jeweils sieben. Insgesamt 14 Jahre sind eine lange Zeit in der Spitzenforschung, die sich ja auch ständig weiterentwickelt. Nach einem bestimmten Zeitraum suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohnehin nach neuenThemen.Auch in der Förderlinie für dieAuszeichnung als Exzellenzuniversitäten gelten nun langfristigere Perspektiven: Universitäten, die hier erfolgreich sind,werden zwar alle sieben Jahre zwischenevaluiert, die Förderung ist aber grundsätzlich auf Dauer angelegt.

Sie hatten bereits in Ihrer Antrittsrede als Präsident für mehr Zusammenarbeit unter den drei Berliner Universitäten geworben. Warum halten Sie eine Verbundbewerbung in der Exzellenzstrategie, wie sie nun geplant ist, für besonders vielversprechend?

Es ist eine Frage des Zeitpunkts. Meine Vorgänger haben viel Energie dahingehend investiert, dass sich unsere Universität im Wettkampf mit den anderen Universitäten behauptet und dass sie nicht verdrängt wird. Und sie waren damit sehr erfolgreich. Wäre ich vor 15 Jahren Präsident gewesen, hätte ich diese Strategie auch vertreten. Das ist inzwischen anders: Wir sind in einer Situation, in der unsere Leistung anerkannt ist. Die Existenz der Freien Universität Berlin als eigenständige Einrichtung mit einem klaren Profil wird nicht mehr in Frage gestellt. Das gibt uns die Möglichkeit, auf die anderen zuzugehen. Deshalb ist es mein Ziel, dass wir es schaffen, die Barrieren, die es weiterhin gibt – etwa durch unterschiedliche Infrastrukturen – abzubauen. Wir werden weiterhin Konkurrenten bleiben, aber wir müssen versuchen, diese Konkurrenz produktiv zu gestalten und nicht das Rad zweimal zu erfinden, sondern gemeinsam die Ressourcen zu nutzen, die wir haben.

In der Exzellenzstrategie ist gerade die erste Vorentscheidung gefallen. Fünf Clusterskizzen der Freien Universität – von insgesamt neun Skizzen in Berlin – wurden zum Vollantrag aufgefordert und dürfen sich nun um Förderung ab 2019 bewerben. Ist das – nach zehn Jahren Arbeit – eine weitere Bestätigung für die Exzellenz der Freien Universität?

Es zeigt sich, dass wir die zehn Jahre genutzt haben, um Strukturen aufzubauen, die die Ausarbeitung erfolgreicher Anträge ermöglichen, ganz eigenständig oder in der Kooperation mit Partnern. Nicht zuletzt unterstreicht unser gutes Resultat die besondere Qualität der Geistes- und Sozialwissenschaften und der Mathematik an der Freien Universität. Andererseits sind sieben unserer insgesamt zehn Sonderforschungsbereiche in den Naturwissenschaften. Das zeigt unsere Leistungsstärke auch auf diesem Gebiet – und im internationalen Vergleich.