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Ohne Idealismus geht es nicht

Von Geistesblitzen und Erfahrungswerten: Zwei Gründer über ihren Weg zum Unternehmer

01.12.2016

Von der Forschung auf den Markt: AmelieWiedemann und Florian Hauer sindWissenschaftler - und Unternehmensgründer.

Von der Forschung auf den Markt: AmelieWiedemann und Florian Hauer sindWissenschaftler - und Unternehmensgründer.
Bildquelle: Carolin Schmidt

„Die Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen, trifft man nicht von heute auf morgen. Sie wächst über längere Zeit heran“, sagt Amelie Wiedemann. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Gesundheitspsychologie der Freien Universität hat sie sich mit psychischen Belastungen am Arbeitsplatz beschäftigt und fand es immer wieder spannend, über den Nutzen ihrer Forschung für die Gesellschaft nachzudenken.

Den universitätsweiten Ideenwettbewerb Research to Market Challenge nahmen die promovierte Psychologin und ihr Kollege Daniel Fodor, der am Institut für medizinische Psychologie der Charité für seine Doktorarbeit forscht, zum Anlass, eine lang gehegte Idee zu Papier zu bringen. Beide reichten das Konzept für Dearemployee ein und gewannen prompt einen Hauptpreis. Das Team will Big-Data-Anwendungen nutzen, um psychische Gefährdungen in Unternehmen zu identifizieren.

Seit 2013 sind Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet, mögliche Gefahrenquellen für die Psyche ihrer Mitarbeiter zu identifizieren und Abhilfe zu schaffen. Dafür setzen Wiedemann und Fodor maschinelles Lernen ein und Data-Mining-Verfahren – also Methoden, um Informationen und Muster in großen Datenmengen zu erkennen ein. Denn in den Ergebnissen von Online-Befragungen und in Kennzahlen wie Überstunden und Krankenstand lassen sich Muster erkennen, die Aufschluss über Risiken und Ressourcen für die psychische Gesundheit geben. Auch passende Maßnahmen soll das System vorschlagen – aber nur solche von zertifizierten Anbietern.

Einige Wochen nach dem Wettbewerb hatten Wiedemann und Fodor ihre Gründungsabsicht öffentlich gemacht. „Daraufhin kamen aus unserem Netzwerk Anfragen von Unternehmen, die unsere Kunden werden wollen.“ Zusammen mit Profund Innovation stellten beide einen Antrag auf ein EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums, das Jungunternehmern in der Gründungsphase für ein Jahr den Lebensunterhalt sichert. „Falls wir das Stipendium nicht bekommen sollten, machen wir aber trotzdem weiter“, sagt Wiedemann. Ihre Eltern – beide selbstständig – haben sie von Anfang an ermutigt, auch ihr Mann trage die Entscheidung mit: „Das war mir wichtig, schließlich haben wir zwei Kinder zu versorgen.“

Ihren wissenschaftlichen Hintergrund sieht die Psychologin als klaren Vorteil, auch weil er bei potenziellen Kunden einen Vertrauensvorsprung schafft. In Rechts- oder Finanzierungsfragen etwa will sie sich beraten lassen. Ihr Fazit: „Ich freue mich darauf, Sachen zu machen, für die ich mich begeistern kann. Mein Leben wird sicher nicht ruhiger. Aber es ist ein schönes Abenteuer.“ Florian Hauer ist da schon einen Schritt weiter: Vom Gründungsmythos, dem Aha-Erlebnis jedes Gründerteams, hat er schon so oft erzählt, dass er die Geschichte auf das Wesentliche reduziert: „Die Idee entstand, als mein Mitgründer Simon Bungers und ich im Labor arbeiteten.

Weil eine Aufzeichnung in einem Laborbuch aus Papier nicht mehr lesbar war, musste die Arbeit eines ganzen Jahres wiederholt werden.“ Mit einem elektronischen System wäre das nicht passiert, dachten sich die promovierten Molekularbiologen und beschlossen, eine Software für das digitale Management von Labordaten zu entwickeln. Heute wird labfolder weltweit von mehr als 12000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genutzt, Tendenz steigend.

Die Forscher können damit Informationen auf dem Computer sowie aus Datenbanken, Tablets und Laborgeräten verknüpfen, verwalten und halten gleichzeitig automatisch Laborrichtlinien und Industriestandards ein. Die Plattform erleichtert auch die Datenanalyse und die Zusammenarbeit mit Kollegen über Abteilungen und Kontinente hinweg. „Die Datenmengen in der Forschung wachsen exponentiell und sind ohne digitales Datenmanagement nicht mehr zu bewältigen“, sagt Florian Hauer. Sein Team hatte die richtige Idee zur richtigen Zeit, und so ließen ein EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums, mehrere Auszeichnungen in Gründerwettbewerben, Investoren und die Kundennachfrage nicht lange auf sich warten. Dank eines Rahmenvertrags können seit Kurzem beispielsweise alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft das digitale Laborbuch nutzen.

Den Wunsch zu gründen hegten Simon Bungers und Florian Hauer jedoch schon vor dem Geistesblitz. Der Sprung vom Wissenschaftler zum Unternehmer sei gar nicht so groß, mein Florian Hauer, denn die Arbeit in öffentlich finanzierten Forschungsprojekten berge aufgrund befristeter Verträge ebenso viele Risiken wie das Unternehmertum. Zudem lerne man in der Forschung, sich schnell in neue Themen einzuarbeiten. „So stellt man fest, dass Steuerrecht kein Hexenwerk ist.“ Die Verantwortung für Mitarbeiter zu tragen sei allerdings eine neue Erfahrung gewesen, sagt Hauer: „Als Geschäftsführer habe ich zwar viel Gestaltungsfreiheit, bin aber zugleich der größte Diener meiner Firma.“ Da sei es nicht immer leicht, es allen recht zu machen.

Angehenden Gründerinnen und Gründern wie Amelie Wiedemann möchte Florian Hauer vor allem zwei Tipps mit auf den Weg geben: „Am Anfang fiel es mir schwer, Aufgaben abzugeben. Tatsächlich funktioniert es aber sehr gut, dank meiner tollen Kollegen.“ Und: „Auch Probleme wird es leider immer geben. Nur wer dann fest an die Sache glaubt, kann den Weg bis zum Ende gehen.“

Profund Innovation - Zahlen und Fakten

Ausgründungen

Seit 2006 wurden rund 130 Kapitalgesellschaften aus dem Umfeld der Freien Universität gegründet.

Erstberatungen

Profund Innovation führt jährlich 150 bis 200 Erstberatungsgespräche.

Qualität

In der Studie „Gründungsradar“ des Stifterverbands der Deutschen Wissenschaft von 2014 belegt die Freie Universität Platz 6 im bundesweiten Ranking der großen Hochschulen mit mehr als 15000 Studierenden. Die höchstmögliche Punktzahl erhielt sie in der Bewertung ihrer „Gründungsaktivität“.

Patente

Das Schutzrechtsportfolio der Freien Universität Berlin umfasst derzeit 54 Patentfamilien.

Finanzierung

Ausgründungen aus der Freien Universität stehen bundesweit auf den vorderen Plätzen bei der Einwerbung von Drittmitteln aus folgenden Förderprogrammen, inklusive der von Profund Innovation betreuten Projekte an der Charité – Universitätsmedizin Berlin:

  • 83 EXIST-Gründerstipendien
  • EXIST-Forschungstransfer (15 Erfolge)
  • 8 Bewilligungen im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand

Seit 2007 wurden mehr als 30 Millionen Euro Fördermittel bewilligt. Die Erfolgsquote bei der Vermittlung von Anschlussfinanzierungen durch Investoren ist hoch: 37 Ausgründungen der Freien Universität und der Charité haben Geld aus dem High-Tech- Gründerfonds und aus dem ProFIT-Programm der Investitionsbank Berlin erhalten.

Gründerräume Der Campus bietet Gründern 25 Büroräume sowie einen „Co-Working Space“ und ein „Co-Working Lab“. 2017 werden die beiden Gründerhäuser der Freien Universität am neuen Standort in der Altensteinstraße 40 zusammengelegt. Dort arbeiten Gründer dann unter einem Dach mit Profund Innovation. Das „FUBIC“ auf dem Gelände des früheren US-Militärhospitals an der Fabeckstraße soll bis 2020 saniert werden. Dann können sich dort Hightech-Unternehmen mit insgesamt bis zu 700 Mitarbeitern ansiedeln, darunter zahlreiche Ausgründungen der Freien Universität Berlin.

Funpreneurwettbewerb

Um Studierende an das Thema Unternehmensgründung heranzuführen, bietet Profund Innovation einen „Funpreneur“-Wettbewerb an: Jährlich nehmen rund 50 Teams teil. Die Initiative Deutschland – Land der Ideen vergab dafür den Titel „ausgezeichneter Ort 2010“.

Im Internet: www.fu-berlin.de/profund