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„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“

Interview mit Professor Peter-André Alt, amtierender Präsident und Präsidentschaftskandidat der Freien Universität Berlin

10.04.2014

Der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Peter-André Alt ist seit 2010 Präsident der Freien Universität Berlin.

Der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Peter-André Alt ist seit 2010 Präsident der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: David Ausserhofer

Am 30. April wählt die Freie Universität Berlin ihren neuen Präsidenten. Einziger Kandidat ist Amtsinhaber Professor Peter-André Alt. Der Schiller- und Kafka-Biograf sowie Präsident der Deutschen Schillergesellschaft steht seit 2010 an der Spitze der Hochschule. Peter-André Alt, Jahrgang 1960, studierte Germanistik, Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er wurde 1984 promoviert und 1993 habilitiert. Nach Stationen als Lehrstuhlinhaber an der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Würzburg wechselte er 2005 als Professor für Literaturwissenschaft an die Freie Universität, deren Präsident er seit 2010 ist. Während seiner Amtszeit konnte die Freie Universität 2012 im Wettbewerb des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung ihren 2007 errungenen Status als Exzellenzuniversität verteidigen. Ein Gespräch über Bilanzen, Ziele und Zukunftsfragen.

Herr Alt, beginnen wir mit einem Aphorismus von Franz Kafka: „Wie ein Weg im Herbst: Kaum ist er rein gekehrt, bedeckt er sich wieder mit den trockenen Blättern.“ Wie würden Sie das Zitat auf Ihre angestrebte zweite Amtszeit übertragen?

Die Blätter, das sind vor allem die anhaltenden Finanzierungsprobleme der Freien Universität.Unsere Erfolge im Einwerben von Drittmitteln für große Forschungsprojekte bringen die Erwartung vieler Nachwuchswissenschaftler auf längerfristige Karriereperspektiven mit sich. Das werden wir ernst nehmen. Die Erfolge lösen aber auch Finanzierungserfordernisse aus, was die universitäre Infrastruktur, was die Energiekosten angeht.

2017 steht viel auf dem Spiel: Die Laufzeit des Hochschulvertrages mit dem Land Berlin endet, bundesweit läuft die Förderung durch die Exzellenzinitiative aus. Macht Ihnen das Sorgen?

Es macht allen Hochschulen Sorgen, weil wir momentan keine klaren Konzepte auf der politischen Ebene entdecken können, die uns zeigen, wie es nach 2017 weitergeht. Die Exzellenzinitiative hat ja nicht nur Projekte gefördert, sondern auch Infrastruktur. Wir haben hier viel aufgebaut – deshalb kann man nicht nach 2017 sagen, alles sei nun beendet. Bei den nächsten Hochschulvertragsverhandlungen wird es mit Sicherheit hart zugehen.

Worauf kommt es an, wenn die Freie Universität handlungsfähig bleiben will?

Eigentlich haben wir die Verhandlungen mit dem Senat ja gerade hinter uns. Doch um Sepp Herberger zu zitieren: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ Wir müssen alle Studienplätze besetzen, sonst werden wir nicht auskömmlich finanziert, auch wenn das Budget noch so knapp ist. Wir bekommen Mittel außerdem nach Leistungskriterien, insofern müssen wir den hohen Standard halten und noch steigern.

Die Freie Universität ist in der Exzellenzinitiative sehr erfolgreich. – Ist sie dadurch umso anfälliger, wenn die Mittel auslaufen?

Die Universität ist nicht anfälliger geworden, doch wir haben einen hohen Leistungsstand. Es ist immer schwieriger, die Spitze zu halten, als sie zu erklettern. Wir brauchen klare Perspektiven für eine Sicherung unseres Leistungsniveaus. Es wäre daher zu wünschen, dass es künftig auch einen bundesweiten Wettbewerb der guten Ideen für Planung und Organisation von Hochschulen gibt.

Welche Rolle kann die Einstein-Stiftung Berlin bei der Fortsetzung etablierter Exzellenzcluster und Graduiertenschulen spielen?

Erfreulicherweise sind die Mittel für die Einstein-Stiftung vom Berliner Senat nicht so massiv gekürzt worden wie ursprünglich vorgesehen. Um dauerhafte Perspektiven für die großen Forschungsprojekte bieten zu können, braucht sie allerdings eine erheblich größere finanzielle Ausstattung. Derzeit kann sie vor allem bei kostspieligen Berufungen hilfreich sein.

Wie sollte sich das Forschungsprofil der Freien Universität weiterentwickeln?

In den vergangenen Jahren haben wir noch besser gelernt, die Stärken und Schwächen der Freien Universität gut zu analysieren und vor allen Dingen ihre Stärken weiter auszubauen, ohne an Breite zu verlieren. Wir wissen sehr genau, wo die Universität stark ist. Drei Bereiche möchte ich nennen: Es sind die Area Studies, die ihre internationale Bedeutung unterstreichen und die die Geistes-und Sozialwissenschaften verbinden. Die zweite Stärke ist die Nanoforschung, die in der Chemie und Physik wichtige Ergebnisse für die Lebenswissenschaften erzielt. Das dritte Feld ist die Biodiversität, also die Biologie mit der Pflanzenforschung im Zentrum, aber auch die vielen benachbarten Bereiche.

Ein wichtiges Standbein der Forschung sind auch die übrigen Drittmittel, etwa die Gelder aus den  Sonderforschungsbereichen, kurz SFB. Doch viele laufen aus.Was kann die Universität hier unternehmen?

Fachbereiche und Universitätsleitung haben in der Vergangenheit sehr erfolgreich mittel- und langfristig geplant. So machen wir spätestens am Beginn der dritten und letzten Förderphase für einen SFB die nötigen Schritte, um eine neue Verbundinitiative zu organisieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir insbesondere aus den Aktivitäten unseres Exzellenzclusters Languages of Emotion, der ja seit 2014 im Rahmen der Exzellenzinitiative nicht mehr weitergefördert wird, eine Reihe von erfolgsträchtigen Initiativen aufbauen können, die auch für das Format eines SFB infrage kommen.

Durch ihr Zukunftskonzept als internationale Netzwerkuniversität hat die Freie Universität ihr weltweites Engagement enorm verstärkt. Was sollte die Hochschule am Ende der nächsten Legislaturperiode des Präsidiums 2018 erreicht haben?

Man kann es sich einfach machen und sagen, die Freie Universität soll in den Rankings weiter nach vorne kommen. Das haben wir kontinuierlich geschafft, beispielsweise im Times Higher Education World University Ranking und im QS World University Ranking. Aber solche Resultate dienen nur der oberflächlichen Betrachtung. Was wir brauchen, ist noch mehr Vertrauen zu schaffen, die Fähigkeiten unserer Universität sichtbarer zu machen: die exzellente Forschung, die wissenschaftliche Qualität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Internationale Kooperationen sind für die Zukunft der Freien Universität wichtig, aber sie reichen darüber hinaus: Denn Wissenschaft baut Brücken. Dies gilt auch und gerade in Zeiten der Krise, Russland ist dafür ein ganz aktuelles Beispiel.

Die Freie Universität unternimmt große Anstrengungen, die Lehre weiter zu verbessern. Womit kann sie zufrieden sein, wo besteht Handlungsbedarf?

Ich bin 2010 mit dem Anspruch angetreten, eine umfassende Lehrqualifizierung flächendeckend einzuführen. Das ist uns gelungen. Wir haben – von den Doktoranden angefangen bis zu den Juniorprofessoren – ein Kaskadenmodell entwickelt, in dem die Qualifizierung gut greift. Das werden wir fortsetzen; wir werden ein Academic Development Program unter dem Dach unseres Weiterbildungszentrums etablieren, das eine ganz wesentliche Komponente in der Lehrqualifizierung hat. Wir wollen erreichen, dass alle Lehrenden im Lauf ihres akademischen Werdegangs vom Doktoranden zum Professor mindestens zwei Qualifizierungsprogramme absolvieren.

Die Außenbeziehungen der Freien Universität beginnen direkt vor der eigenen Haustür – auf dem Forschungscampus Dahlem. Kann die Zusammenarbeit mit den Partnereinrichtungen intensiviert werden?

Ja, nehmen wir mal das Beispiel der Leibniz-Gemeinschaft. Sie ist ein interessanter Partner, ich würde mir ein Leibniz-Institut in Dahlem wünschen, das dann eine enge Verzahnung ermöglichte. Mit den beiden anderen großen Institutionen – der Helmholtz-Gemeinschaft und der Max-Planck Gesellschaft – sind die Arbeitsbeziehungen in den vergangenen Jahren deutlich enger geworden, beispielsweise durch eine Vielzahl gemeinsamer Berufungen.

Professor Alt, stellen Sie sich vor, Sie könnten in einer Zeitmaschine zurück ins Jahr 2010 reisen. Was würden sie dem damals neugewählten Präsidenten Alt raten?

In vielen Punkten das, was ich mir damals vorgenommen hatte. Es ist keine komplette Revision fällig. Erstens jeden Tag eine gute Idee für die Freie Universität zu entwickeln in dem Bewusstsein, dass man 365 Ideen pro Jahr braucht, damit eine zündet – denn die Widerstände kommen früh genug. Zweitens nie die Nerven verlieren, auch wenn es mal nicht vorwärts geht oder der Wind von vorn bläst. Drittens das Wissen, das in dieser Universität steckt, aktiv zu nutzen, und das heißt vor allem, in den Gesprächen gut zuzuhören. Es lohnt sich: Bei uns gibt es enorme Kreativitätsreserven.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten eine Zeit lang auf eine einsame Insel entfliehen. Welches Buch nähmen Sie mit?

(lacht) Ich nehme auf einsame Inseln keine literarischen Texte mit, sondern wissenschaftliche. Ich würde „Die zwei Körper des Königs“ von Ernst Kantorowicz wählen, ein Buch, das ich unerschöpflich finde – ein wundervolles Beispiel gelungener Kulturgeschichte.

— Das Interview führte Carsten Wette