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Wie Wissenschaftler lehren lernen

29.11.2013

Ein Zertifizierungs-Programm hilft jungen Wissenschaftlern

Heute ist Sebastian Seifferts großer Tag: Er sitzt im Anzug im Foyer des Chemischen Instituts der Freien Universität Berlin und wartet auf seine Habilitationsprüfung. „Ich habe während des Studiums gemerkt, dass mir die Vermittlung von Wissenschaft großen Spaß macht“, sagt Seiffert. Deshalb hat er nach seiner Promotion immer wieder Lehrveranstaltungen geleitet. „Allerdings habe ich diese Veranstaltungen ganz klassisch als 90-minütigen Frontalunterricht gehalten. So wie ich das als Student selbst erlebt hatte.“

Über einen E-Mail-Verteiler erfuhr er von „SUPPORT“, einem dreigeteilten Konzept der Freien Universität, das Studium und Lehre verbessern soll: Hierfür hat die Freie Universität rund elf Millionen Euro aus dem „Qualitätspakt Lehre“ des Bundesministerium für Bildung und Forschung eingeworben. Angebote zur besseren Orientierung für Studierende – von der Studienfachwahl über die Studieneingangsphase bis zum Übergang in den Master oder Beruf – sind ebenso Teil des Programms wie der Ausbau der digitalen Lehre.

Weitere Kurse richten sich speziell an Nachwuchswissenschaftler, die eine Karriere in der Hochschullehre anstreben. In einem Grundlagenmodul lernen die Teilnehmer das theoretische Modell kennen, das dem Programm zugrunde liegt, und reflektieren die eigene Lehrtätigkeit. Ziel ist es, seine Lehrkompetenz weiterzuentwickeln und die Lehre somit für die Studierenden auf verschiedenen Ebenen zu verbessern.

Sebastian Seiffert meldete sich zu diesem Grundkurs an. „Aus dem eigenen Studium sind mir viele Vorlesungen in Erinnerung geblieben: gute und schlechte, mitreißende und langweilige. Aber wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, kann ich mich selten an Inhalte erinnern. Die habe ich in der Regel aus Büchern gelernt.“

In dem Seminar lernte Seiffert aktivierende Methoden kennen, die das vorgetragene Wissen besser im Gedächtnis der Studierenden verankern sollen. So führte Seiffert am Ende seiner Vorlesungen beispielsweise einen sogenannten „Elevator Pitch“ ein, eine „Aufzugspräsentation“: Drei Freiwillige sollten in wenigen Sätzen den Inhalt der gehörten Vorlesung zusammenfassen.

Oft sind es kleine Kniffe, die eine große Wirkung erzielen“

„In Manager-Seminaren und Trainee-Programmen haben sich solche Methoden bewährt“, sagt Seiffert. Der Übung liegt die Vorstellung zugrunde, man befinde sich zusammen mit einem Vorgesetzten in einem Aufzug und müsse diesen nun während der kurzen Fahrt von sich oder einer Idee überzeugen. „Warum sollen wir solche Techniken nicht auch in der Hochschullehre einsetzen?“, sagt Seiffert. Seine Studierenden jedenfalls haben die neuen Ideen sehr positiv aufgenommen.

Auch Bastian Ronge hat den Grundlagenkurs besucht. Er ist Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie. „Ich habe im Studium nie gelernt, was eine gute Lehrveranstaltung ausmacht“, sagt er. Seine erste Lehrveranstaltung, die er gemeinsam mit einem Kollegen gab, bewertet er deshalb heute kritisch: „Wir haben viel zu sehr versucht, unsere Studierenden zu lenken. Wir hatten einen präzisen Ablaufplan für die Lehrveranstaltung im Kopf und wollten vermitteln, was wir erarbeitet hatten.“

Heute, nach dem Grundkurs, setzt er verstärkt auf Gruppenarbeit. „Wir haben gelernt, mehr auf die Fähigkeiten unserer Studierenden zu vertrauen und das Risiko einzugehen, Prozesse anzustoßen und Kontrolle abzugeben.“ Oft staunt Ronge über den Ideenreichtum seiner Seminarteilnehmer. In praktischen Übungen wurden zudem spezielle Alltagssituationen simuliert: Wie motiviere ich eine lustlose Gruppe? Wie verhalte ich mich gegenüber Störenfrieden?

Chemiker Seiffert hat bereits Vertiefungsmodule besucht, in denen unter anderem neue Präsentationsformen, Prüfungskonzepte und die Steuerung von Lerngruppen behandelt werden. „Oft sind es kleine Kniffe, die eine große Wirkung erzielen“, sagt er. So habe er früher physikalische Formeln während seiner Vorlesung oft an der Tafel vorgerechnet: „Heute baue ich stattdessen immer wieder kurze Murmelphasen ein: Die Studierenden sollen selbst mit ihrem Sitznachbarn ein Problem diskutieren und lösen.“

Die Habilitationsprüfung hat Seiffert bestanden – und das Zertifikat des „SUPPORT für die Lehre“ – Programms nach rund drei Semestern nun fast in der Tasche. Nur ein Problem ist aus seiner Sicht bislang ungelöst: „Die Methoden sind zwar sehr effektiv, kosten aber Zeit. Wenn ich jede Woche zehn Minuten dafür investiere, fehlen mir für die eigentliche Vorlesung in jedem Semester mehr als zwei Stunden.“ Doch diese Herausforderung nimmt Seiffert gerne an. „An manchen Stellen muss ich meine Vorträge vielleicht ein wenig straffen. Was zählt ist doch, was bei den Studierenden hängen bleibt.“

Das Programm steht Lehrenden der Freien Universität offen: Die nächste Runde startet Februar 2014.

Informationen

www.fu-berlin.de/qualitaetspakt