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Die grüne Revolution

Wie asiatische Staaten mit Umwelttechnologien Arbeitsplätze schaffen.

16.04.2013

Made in China: Solarzellen werden zum Leidwesen deutscher Unternehmen heute am günstigsten in Asien produziert.

Made in China: Solarzellen werden zum Leidwesen deutscher Unternehmen heute am günstigsten in Asien produziert.
Bildquelle: il-fede/Fotolia

China versucht durch gezielte Förderung der Umwelttechnologie, diesen jungen Wirtschaftszweig zu entwickeln und eine führende Rolle im Weltmarkt einzunehmen. Auch andere asiatische Staaten setzen auf die grüne Wirtschaft. Eine Gruppe von Forschern der Freien Universität untersucht, was Europa von den Asiaten lernen kann und wie die deutsche Wirtschaft von dem grünen Wirtschaftsboom dort profitiert.

Immer öfter geht das Licht aus bei deutschen Solarherstellern: Q-Cells ist insolvent; Solarwatt im Gläubigerschutz. Und Solarworld, der einstige Weltmarktführer in der Solarzellenproduktion, schreibt seit zwei Jahren tiefrote Zahlen.

Unternehmensgründer Frank Asbeck, den die Presse einst als „Sonnenkönig“ feierte, stemmt sich gegen den Untergang und hat die Schuldigen längst ausgemacht: „All das, was wir deutschen Pioniere 30 Jahre lang an Aufbauarbeit betrieben haben, die ganze Forschung, unser Wissen, all das liefern wir den Chinesen aus“, klagte er jüngst dem Manager Magazin.

Die Zahlen scheinen ihm recht zu geben. Denn seit 2007, dem besten Jahr für deutsche Solarzellenhersteller, hat sich das Bild radikal gewandelt: Beherrschten die Deutschen damals noch mehr als 20 Prozent des Weltmarkts, sind es heute nur noch rund sechs Prozent. China dagegen überschwemmt mit kostengünstigen Solarmodulen den Weltmarkt. „Auf den ersten Blick sind die deutschen Unternehmen die Verlierer im weltweiten Wettbewerb um Marktanteile in der Solarenergiewirtschaft. Betrachtet man die Entwicklung aber genau, ergibt sich ein differenzierteres Bild“, sagt Rainer Quitzow, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität. Er analysiert im Rahmen des Forschungsprojekts „Lead Market-Strategien“, gefördert durch das Bundesforschungsministerium, die Akteure auf chinesischer Seite. „Richtig ist, dass chinesische Unternehmen – teils unterstützt von der Regierung – die Preise für Solarmodule drücken und Überkapazitäten aufgebaut haben. Im Anlagenbau, in Fertigung und Entwicklung von Solarwechselrichtern und anderen Spezialfeldern sind deutsche Unternehmer aber noch immer Profiteure der Energiewende.“

Im Projekt „Green Jobs Asia“ untersuchen die Wissenschaftler im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung anhand von Fallstudien die Märkte für Umwelttechnologien in Asien. Dabei stehen insbesondere die Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für die Arbeitsmärkte in den aufstrebenden Wirtschaftsräumen Indien, China und Südostasien im Blickfeld.

Geleitet wird die Forschungsgruppe von Klaus Jacob. Er sieht in den grünen Technologien weiterhin großes wirtschaftliches Potenzial: „Seit der Wirtschaftskrise 2008/2009 ist der Anlagenbau in allen Wirtschaftssektoren weltweit zurückgegangen. Umwelttechnologien waren davon aber viel weniger betroffen. Das Marktvolumen bei Solaranlagen und Windkraftwerken, Geothermie und Energiespeichern übertrifft heute die Prognosen aus der Zeit vor der Krise.“

Aus asiatischer Sicht kommt der grünen Technologie besondere Bedeutung zu. Waren diese Länder in vielen Wirtschaftszweigen bisher die billige Werkbank für Unternehmen aus den OECD-Staaten, haben sie nun die Chance, eigene Märkte zu schaffen und mit selbst entwickelten Technologien westlichen Konkurrenten auf Augenhöhe zu begegnen.

Forscher untersuchen den Wandel auf den globalen Solarmarkt

Rikschas sollen künftig mit Strom statt mit Sprit fahren.

Rikschas sollen künftig mit Strom statt mit Sprit fahren.
Bildquelle: Yuri Arcus/Fotolia

Dabei haben die Forscher in ihren Fallstudien höchst unterschiedliche Ansätze herausgearbeitet: Während China derzeit als Reaktion auf die internationale Klimapolitik sehr gezielt in den internationalen Solarmarkt drängt, sind es in Indien oft Produkte für den heimischen Konsum, die den Markt prägen – teils mit verblüffenden Ideen, etwa im Bereich der Elektromobilität. „In Deutschland versteht man unter Elektroauto noch immer ein Auto, das statt eines Benzintanks Brennstoffzellen oder Batterien an Bord hat“, sagt Jacob. „Die Inder überlegen sich eigene Konzepte und arbeiten an elektrischen Rikschas, die für die wachsenden Märkte der Entwicklungs- und Schwellenländer im subtropischen und tropischen Markt sicher eine kostengünstige Alternative darstellen könnten.“

Auch umweltpolitische Entscheidungen zeigen, dass die asiatischen Staaten eigene Wege gehen. So wurde in Vietnam kürzlich eine Ökosteuer etwa auf Benzin, Kohle oder auch Plastiktüten eingeführt, mit der das Finanzministerium in Hanoi am Wachstum der heimischen Wirtschaft partizipieren möchte. „Arbeitsbesteuerung als primäre Einnahmequelle, wie wir dies aus Deutschland und anderen westlichen Ländern kennen, funktioniert dort nicht“, sagt Jacob. Der Arbeitsmarkt sei in großen Teilen vom Staat nicht kontrollierbar. Etwa ein Viertel der Arbeitsplätze insgesamt, in der Industrie sogar die Hälfte, gehört dem informellen Sektor an, das heißt nicht registrierten Unternehmen, die also auch keine Abgaben an den Staat zahlen. „Nun hat die Regierung beschlossen, die Ressourcen zu besteuern, um damit zusätzliche Einnahmen zu generieren.“

Überhaupt offenbaren die Fallstudien weltweit große Unterschiede in den Ansätzen umweltpolitischer Maßnahmen. Die lange verfolgte deutsche Strategie, Umweltpolitik über internationale Abkommen voranzubringen, muss nach Ansicht Jacobs überdacht werden. Stattdessen könnten bilaterale Abkommen einen Fortschritt bringen. Als Voraussetzung dafür sieht er allerdings Reformen in Deutschland: Momentan kümmerten sich vier Ministerien und das Kanzleramt um bi- und multinationale Projekte in der Umweltpolitik. Oft gehe es dabei zu sehr um Eigeninteressen der Ministerien – es fehle an Kooperation, sagt Jacob: „Ich plädiere für eine koordinierte Umweltaußenpolitik.“

Auch der deutschen Wirtschaft rät er, Strategien zu überdenken und sich nicht zu eilig aus der Solaranlagenproduktion zurückzuziehen. „Wenn Siemens und Bosch angesichts der derzeitigen Verluste entscheiden, aus dem Markt auszusteigen, mag es kurzfristig den Bilanzen helfen. Mittelfristig aber verpassen sie den Anschluss an wachsende Märkte“, sagt der Wissenschaftler und nennt ein Beispiel: In Indien werde der Strombedarf zu fast 90 Prozent über zentrale Kraftwerke abgedeckt. Da die Netzinfrastruktur aber sehr anfällig sei, habe fast jedes Haus, jedes Geschäft ein eigenes Dieselaggregat zur Notstromversorgung. „Mittlerweile sind Solaranlagen so preiswert, dass sie eine echte Alternative darstellen. Ein riesiger Markt, von dem auch deutsche Firmen profitieren könnten.“