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Das neue Bild vom Mars

Geowissenschaftler der Freien Universität erstellen in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt eine hochauflösende Karte der Oberfläche des Roten Planeten.

16.04.2013

Vielfältige Marslandschaft: Auf der linken Seite des Bildes zeigt sich eine zerfurchte sandfarbene Fläche. Am rechten Bildrand sind Ausläufer der Nordpol-Eiskappe zu sehen.

Vielfältige Marslandschaft: Auf der linken Seite des Bildes zeigt sich eine zerfurchte sandfarbene Fläche. Am rechten Bildrand sind Ausläufer der Nordpol-Eiskappe zu sehen.
Bildquelle: ESA/DLR/Freie Universität (G.Neukum)

Die Mission begann mit einer Panne: Als Mars-Express, die erste Marsexpedition der Europäischen Weltraumagentur ESA, am 19. Dezember 2003 die Umlaufbahn des roten Planeten erreichte, koppelte sich der Marsroboter Beagle 2 zwar planmäßig von der Sonde ab. Doch nach der Landung an Heiligabend blieb der Funkkontakt zur Muttersonde aus. Auch die Nasa konnte nicht helfen: Die Sonde Odyssey versuchte erfolglos Kontakt zum europäischen Marsroboter aufzunehmen. Und die deutsche Presse spottete: „Das Schweigen des Beagle“, „Bitte melde dich“ und „Beagle 2 bellt nicht vom Mars“.

Zehn Jahre später gilt die Mission dennoch als Erfolg und wichtiger europäischer Beitrag zur Erkundung unseres Nachbarplaneten – denn anders als die Landeeinheit der Mars-Express-Mission, hat der Orbiter Funkkontakt zur Erde und zieht weiter auf seiner elliptischen Bahn um den Roten Planeten. Dessen Oberfläche nähert sich die Raumsonde dabei bis auf 300 Kilometer.

So entstehen faszinierende Aufnahmen, etwa vom Pickering-Krater, der einen Durchmesser von 110 Kilometern hat und bei mindestens zwei früheren Vulkanausbrüchen mit Lava gefüllt wurde. Die mittlerweile erkalteten Ströme lassen sich als Gesteinsformationen klar erkennen, denn an Bord führt der Satellit neben sechs weiteren Messinstrumenten eine hochauflösende, stereoskopische Kameraeinheit (HRSC), deren Bilder einen dreidimensionalen Eindruck vermitteln. Damit soll die gesamte Oberfläche des Mars in hoher Auflösung und in Farbe kartiert werden. Die Leitung des Experiments, das am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgeführt wird, liegt bei Professor Gerhard Neukum, der von 2002 bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Jahr 2012 am Fachbereich Geowissenschaften der Freien Universität im Arbeitsgebiet Planetologie und Fernerkundung tätig war. Fast 90 Prozent der Mars-Oberfläche sind bereits erfasst. Das Wissen über unseren Nachbarplaneten wurde dadurch auf eine neue Grundlage gestellt.

Was die Sonde aus dem All sendet, ist auf der Erde oft kaum vorstellbar: So befindet sich auf dem Mars der höchste bekannte Berg unseres Sonnensystems, der Olympus Mons, der rund 25 Kilometer über die ihn umgebende Ebene herausragt und damit dreimal höher ist als der Mount Everest.

An der Freien Universität koordiniert Stephan van Gasselt heute als Juniorprofessor die Arbeiten, die die Universität bei der Auswertung der Daten übernommen hat. „Eigentlich war die Mission für ein Marsjahr ausgelegt, also etwa für die Dauer von zwei Jahren auf der Erde. Aber weil die Geräte weiterhin zuverlässig funktionieren und die europäische Finanzierung gesichert ist, geht die Mission nun schon ins fünfte Marsjahr.“ Dass das Jahr auf dem Mars doppelt so lange dauert wie auf der Erde, liegt daran, dass der Rote Planet knapp 687 Tage braucht, um die Sonne ein Mal zu umrunden. Die Erde schafft das in 365 Tagen.

Illustration der Muttersonde: Auf dem "Mars-Epress" werden insgesamt zahlreiche wissenschaftliche Instrumente betrieben.

Illustration der Muttersonde: Auf dem "Mars-Epress" werden insgesamt zahlreiche wissenschaftliche Instrumente betrieben.
Bildquelle: ESA -Illustartion by Medialab

Forscher erhoffen sich Hinweise auf Spuren außerirdischen Lebens

Die Arbeitsgruppe an der Freien Universität bereitet die Daten auf, die beim DLR in Berlin-Adlershof aus dem Rohmaterial erstellt werden. Sie führen die Bildmosaike, die der Orbiter im Weltraum aufnimmt, zu einer globalen Karte zusammen und erfassen gleichzeitig physikalische Informationen: Welches Gestein bildet die Oberfläche? Welche klimatischen Bedingungen herrschen dort? Welche Wechselwirkungen zwischen Marsatmosphäre und Oberfläche gibt es? Antworten auf diese und andere Fragen sollen die Aufnahmen aus dem All ermöglichen.

Die Daten kommen im DLR-Rechenzentrum als Bitströme an – einer Folge von Nullen und Einsen, die ohne eine Aufarbeitung durch Computerprogramme selbst Experten nicht viel sagten, erklärt van Gasselt: „Die Daten müssen zunächst kalibriert werden – das heißt Abweichungen, die durch die Messgeräte entstehen, werden herausgerechnet.“ Bis aus den rohen Bilddaten der Farbkamera hochauflösende Bilder werden, ist es ein langer Weg. „Die Kamera an Bord nimmt auf neun Kanälen gleichzeitig auf“, sagt der Experte für Planetenerkundung. Man könne sich das vorstellen wie einen großen Scanner, der ein Areal jeweils in rotem, blauem, grünem und infrarotem Licht aufnimmt und gleichzeitig noch aus verschiedenen Blickwinkeln. Aus den Daten kann der Computer dann 3D-Bilder errechnen.

Das Ergebnis ist eine Marskarte, die in puncto Auflösung und Abdeckung neue Maßstäbe setzt. Auf bekannte Satellitenbilder der Erdoberfläche übertragen bedeutet das: Formationen in der Größe des Olympiastadions oder des Reichstages können noch optisch dargestellt und in die globale Karte eingearbeitet werden. „Die Kameras der Raumsonde schaffen sogar eine Genauigkeit von zehn bis 15 Metern pro Bildpunkt“, sagt van Gasselt. „Aber Störungen in der Atmosphäre und die Tatsache, dass die Sonde aufgrund der physikalischen Vorgaben nicht immer den gleichen Abstand zur Marsoberfläche halten kann, erlauben nicht durchgängig eine derartig hohe Auflösung.“

Die Wissenschaftler müssen Daten einer gewaltigen Fläche erfassen und verarbeiten. Schließlich ist die Oberfläche unseres Nachbarplaneten in etwa so groß wie alle Landmassen der Erde. Sein Durchmesser ist mit knapp 6800 Kilometern etwa halb so groß wie der der Erde. Der Mars besitzt eine dünne Atmosphäre, die zu mehr als 95 Prozent aus Kohlenstoffdioxid besteht. Da der Atmosphärendruck sehr niedrig ist, könnte Wasser auf der Marsoberfläche nicht für längere Zeit in flüssiger Form existieren. Mit minus 55 Grad Celcius wäre es auch zu kalt dafür. Die weißen Polkappen bestehen aus gefrorenem Kohlendioxid – Trockeneis – mit geringen Beimengen von Wassereis.

Dass die Mission im Dezember 2010 um weitere vier Jahre verlängert wurde, erlaubt es rund einem Dutzend Projektmitarbeitern an der Freien Universität, die Karte mit immer besseren Aufnahmen zu vervollständigen. „Wenn die Messdaten für ein Gebiet beim ersten Überflug der Sonde zu ungenau waren, können sie in einer zweiten Übertragung oft besser aufgelöst werden.“ Die neuen Daten werden halbjährlich in das System eingespeist und stehen dann Wissenschaftlern und Interessierten auf der ganzen Welt online zur Verfügung. Die Forscher erhoffen sich bei dem Projekt nicht nur geowissenschaftliche Daten, sondern auch Hinweise, ob es auf dem Mars einmal Leben gegeben haben könnte. Sie gehen davon aus, dass es auf dem Planeten bis vor etwa 3,5 Milliarden Jahren auch Wasser gab – bis ihn eine Klimaveränderung zur Wüste werden ließ. „Aber ob zur damaligen Zeit primitive Lebensformen entstanden sind, dafür liefern die Daten keine Beweise“, sagt van Gasselt. Eindeutige Belege dafür könnten nur Bodenproben liefern.

Auch den Marsmond Phobos im Visier

Nicht nur der Mars ist ein begehrtes Foto-Objekt; auch die Oberfläche des Phobos, des größeren der beiden Marsmonde, wurde im Rahmen der europäischen Mission Mars Express fotografiert. Die Aufnahmen lieferte die High Resolution Stereo Camera, an deren Entwicklung die Freie Universität beteiligt war. Dabei flog die Raumsonde 2008 bei einer relativen Geschwindigkeit von drei Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von etwa 93 Kilometern am Phobos-Mond vorbei – so nah war bisher noch kein Orbiter dem Mars-Trabanten gekommen. Die Bilddaten boten den Forschern aufgrund der hohen Auflösung und der Farbwerte völlig neue Untersuchungsmöglichkeiten.

Neben der Datenaufbereitung und Grundlagenforschung ist die Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung im Bereich der Instrumenten-Entwicklung tätig. Für ein Röntgenfluoreszenzspektrometer, das zur Planetenforschung eingesetzt werden soll, erhalten die Wissenschaftler für weitere zwei Jahre Förderung durch Bundesmittel. Unterstützt wird das Projekt durch die Deutsche Raumfahrtagentur. Das neue Instrument dient vor allem dazu, die geochemische Zusammensetzung von planetaren Oberflächen zu untersuchen, und soll bei künftigen Weltraummissionen zum Mond und in das äußere Sonnensystem zum Einsatz kommen.