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Aug’ in Aug’ mit Klimt

150 Jahre Gustav Klimt: Gasthörer der Freien Universität lernen den Jugendstilkünstler in Wien von einer anderen Seite kennen.

25.02.2013

Überall Klimt: auch im Herzen Wiens auf dem Michaelerplatz über der Durchfahrt zur Hofburg. Die Gasthörer mit Dozentin Gisela Möller (4. v. r.).

Überall Klimt: auch im Herzen Wiens auf dem Michaelerplatz über der Durchfahrt zur Hofburg. Die Gasthörer mit Dozentin Gisela Möller (4. v. r.).
Bildquelle: Felicitas Wlodyga

„Wir gehen das ganz anders an“, sagt Privatdozentin Gisela Moeller zu den 21 Gasthörerinnen und Gasthörern der Freien Universität. Die Jugendstil-Kennerin unternimmt mit der Gruppe anlässlich des 150. Geburtstages des Künstlers Gustav Klimt eine kunsthistorische Studienreise nach Wien – Kommentaren von Freunden und Bekannten wie „Ach, der Klimt...“ zum Trotz: jener Klimt, der trivialisiert wurde wie kaum ein anderer Künstler, dessen Werke auf unzähligen Merchandising-Produkten weltweit verewigt worden sind. Die Teilnehmer wollen den Künstler Gustav Klimt und sein Wirken in Wien um 1900 neu entdecken, vier Tage lang, acht Stunden am Tag. Klimts Kunst markiert den Aufbruch in die Moderne. Sein Werk trug als Inbegriff dieser Epoche maßgeblich dazu bei, dass Wien zu jener Zeit zum kulturellen Zentrum Mitteleuropas avancierte.

 Dies zeigt sich zum Beispiel in dem für ihn so signifikanten Motiv des allegorischen Menschenstroms, der Leben und Tod, den Lebenszyklus vom kleinen Kind bis zum Alter umfasst. „Mich fasziniert dieser Menschenstrom, die Art und Weise, in der Klimt alles in einem Bild ineinander verwoben hat“, resümiert eine Teilnehmerin während des gemeinsamen Essens am ersten Abend. In der Wirtschaft, bei Saftgulasch und Wiener Schnitzel, tauschen die Reisenden angeregt ihre Eindrücke aus. Und sie bekunden Verwunderung angesichts des breiten Spektrums des Ausnahmekünstlers. Dies hat ihnen bereits der Reiseauftakt deutlich gemacht: Im Leopold-Museum sehen die Gasthörer riesige Reproduktionen der Deckengemälde, die Klimt für die Aula der Wiener Universität geschaffen hat – und die 1945 verbrannten. Die Reisenden lernen Klimt auch als einen der bedeutendsten Landschaftsmaler des 20. Jahrhunderts kennen. Das Bild „Attersee“ von 1901 etwa zeugt davon: Es zeigt das Refugium des Künstlers und seiner Lebensgefährtin Emilie Flöge während der alljährlichen gemeinsamen Sommerfrische.

Hoch hinaus geht es für die Berliner Kunstinteressierten im zwölf Meter hohen, eigens für das Jubiläum gebauten Podest im Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums. „Aug’ in Aug’ mit Klimt“ betrachten die Teilnehmer unter Anleitung von Gisela Moeller elf klimtsche von insgesamt 40 Wandbildern, die allesamt die Geschichte der abendländischen Kunst vom alten Ägypten bis zum Rokoko illustrieren.

Bereits in den vergangenen Semestern haben sich Dozentin und Gasthörer im Rahmen des GasthörerCard-Programms an der Freien Universität gemeinsam eingehend auf die Reise vorbereitet. Eine Teilnehmerin zählt ihre Vorbereitungsseminare auf: „Zwei Kurse über Klimt habe ich besucht, außerdem Seminare über die Wiener Architektur und über architektonische Grundbegriffe.“ Eine Mitreisende ergänzt: „Die Vorarbeit ist die halbe Miete. Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto mehr sieht man.“

Das „Bild der Bilder“ führt die Gruppe schließlich in das Obere Belvedere. Das Kunstwerk „Kuss“ solle man versuchen, mit anderen Augen zu sehen, hatte Gisela Moeller in Berlin gesagt. Angesichts des 180 mal 180 Zentimeter großen Gemäldes erklärt die Expertin eingehend die „enorme Stilisierung“ des völlig auf sich bezogenen Liebespaares, „sakralisiert“ mit dem üppig verwendeten Gold. Gisela Moeller zeigt den Gasthörerinnen und Gasthörern mehr als nur eine Facette des klimtschen Werkes. Im Wien-Museum lernt die Gruppe den Künstler als brillanten Zeichner kennen, der sich früh an die Geometrisierung der Fläche wagt – die klare Gliederung durch vertikal und horizontal angeordnete Elemente. An dieser Stelle ergibt sich wie so oft in diesen Tagen ein Bezug zu Japan. Denn Klimt „war auch Japonist“, wie die Privatdozentin sagt. Der Jugendstil sei ohne den Einfluss Japans undenkbar, auch das Gold erinnere daran. „Das ist nicht allein Ravenna.“ Gisela Moeller beschreibt Klimts Weg vom Historienmaler zum Symbolisten und Jugendstilmaler, würdigt ihn als ausgezeichneten Salonmaler.

Dabei macht sie auf seine künstlerischen Eigenheiten aufmerksam: „Das Gesicht und die Hände sind immer naturalistisch dargestellt, egal auf welcher Stilstufe er sich befindet.“ Sie zeigt ihn als den gefragtesten Porträtisten der Damen der besseren Wiener Gesellschaft seiner Zeit. Zu seinen „unendlichen Variationen des Themas Frau“ zählt auch die im Theatermuseum ausgestellte „Nuda Veritas“. Die Atmosphäre hier ist außergewöhnlich, allein zu sein mit dem Kunstwerk ist für wenige Augenblicke möglich. Kunst, das ist auf dieser Reise immer wieder spürbar, kann wie ein Lebenselixier wirken. Eine der Teilnehmerinnen bringt es auf den Punkt: „Ich bin eine der Glücklichsten, die hier herumläuft.“