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Pfad in die Sackgasse

In Führungsetagen sitzt nur ein Typ Manager.

25.02.2013

Er tauscht sich in den Sitzungspausen mit den Kollegen über Fußball aus, nutzt den Firmenwagen, telefoniert mit dem Geschäftstelefon und trainiert im selben Sportstudio wie die Kollegen. So sieht Philine Erfurt zufolge der typische Manager aus, der in deutschen Unternehmen trotz des Rufs nach personeller Vielfalt am häufigsten zu finden ist. Und der noch immer am liebsten eingestellt wird. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Graduiertenkolleg „Pfade organisierter Prozesse“ an der Freien Universität hat die 29-jährige Nachwuchswissenschaftlerin untersucht, warum es schwierig ist, bei der Personalfindung aus herkömmlichen Entscheidungsprozessen auszubrechen – und wie ein Perspektivwechsel in den Führungsetagen herbeizuführen wäre.

In einer einjährigen Einzelfallstudie hat Philine Erfurt in einem großen Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen Interviews mit Angestellten geführt, Vorstandssitzungen beobachtet und personelle Auswahlkriterien bewertet. Außerdem führte sie eine sogenannte Netzwerkanalyse durch: eine Untersuchung des formalen und informellen Beziehungsgeflechts, in dem sich die Mitarbeiter im Arbeitsalltag bewegen. Das Training im firmenverbundenen Sportstudio gehört zu diesem informellen Beziehungsgeflecht, der Firmenwagen, das Firmenhandy und eben das Gespräch mit den Kollegen über Fußball. Es gebe schließlich kaum noch Lebensbereiche für die Mitarbeiter, die nicht mit dem Unternehmen in Verbindung stünden.

Das Phänomen, das schließlich zur Normierung der Führungsetagen führt, nennt Philine Erfurt Hyperinklusion: „Es gibt so etwas wie unsichtbare Leitplanken, innerhalb derer man sich bewegen sollte, um in einem Unternehmen erfolgreich zu sein.“ Der Grund hierfür: „Es existieren weit mehr informelle Beziehungen als formale“, sagt sie. Ab einer bestimmten Karrierestufe gebe es keine festgelegten Auswahlkriterien mehr, über den beruflichen Aufstieg entscheide nicht mehr die Qualifikation, sondern vor allem die „Authentizität“: Wer sich nicht anpasse, komme nicht nach oben. Doch genau hier sieht die Wissenschaftlerin ein Dilemma, in dem sich vor allem Mitarbeiterinnen befinden: „Verhalten sich Frauen ,typisch weiblich‘ , also sensibel und einfühlsam, werden sie als schwache Führungspersönlichkeiten wahrgenommen. Passen sie sich ihren männlichen Kollegen an, wirken sie auf diese nicht authentisch.“

Das setzt eine folgenreiche Dynamik in Gang: Es werden nur Mitarbeiter ausgewählt, die ins Schema passen, wodurch sich die Strukturen immer mehr verhärten und der Entscheidungsspielraum geringer wird. „Lock-in“ nennt man in der sogenannten Pfadtheorie diese Sackgasse, in die diese oft unbewusst wiederholten Muster führen. Für die Unternehmen kann die „Pfadabhängigkeit“ dramatische Folgen haben: Veränderungsinitiativen scheitern, es kommt zu Legitimationsschwierigkeiten, Kunden wandern ab.

Um diese Mechanismen zu durchbrechen, müssten strukturelle Veränderungen „von oben“ durchgesetzt werden, sagt Philine Erfurt. Zwar sei die Akzeptanz aller Mitarbeiter nötig, wirkliche Veränderungen aber könnten nur von der Unternehmensspitze angestoßen werden. Oder aber durch einen „exogenen Schock“, einer Auflage von außen: „Solch ein äußeres Moment könnte beispielsweise eine gesetzliche Frauenquote sein“, sagt die Wissenschaftlerin.