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Die Vermessung der Stadt

Meteorologen erstellen Klimamodell des Badeortes El Gouna.

13.12.2012

Wenn Meteorologen von Klimamodellen sprechen, meinen sie meist den gesamten Planeten – denn das Klima kennt weder die Grenzen von Ländern noch von Kontinenten. Doch wie der Klimaschutz bei jedem Einzelnen im Alltag beginnt, so sind auch kleine Einheiten wie Regionen oder Städte zunehmend für Klimaforscher interessant. Sahar Sodoudi, Meteorologin an der Freien Universität Berlin und Spezialistin für Mikroklimamodellierung und Stadtklimatologie, wird ab Februar dort forschen, wo andere Urlaub machen: in der ägyptischen Lagunenstadt El Gouna am Roten Meer.

Vor rund 20 Jahren vom ägyptischen Unternehmer Samih Sawiris begründet, bietet die 15 000 Einwohner umfassende Kleinstadt nicht nur perfekte Urlaubsmöglichkeiten, sondern auch ideale Bedingungen zur Erforschung und Verbesserung des Stadtklimas.

„El Gouna will sich zu einer grünen Stadt weiterentwickeln“, sagt Sahar Sodoudi. Die Technische Universität Berlin, deren Absolvent Samih Sawiris ist, hat deshalb bereits einen Campus dort errichtet, auf dem junge Ägypter zu Ingenieuren für Wasserbau, Energiemanagement und Stadtplanung ausgebildet werden.

Doch vor dem Umbau kommen die Messung und Modellierung: 20 Meteorologie-Studierende der Freien Universität werden deshalb im Februar nach Ägypten fliegen, um die Stadt nach klimatischen Kriterien zu erfassen: Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Wind müssen akribisch aufgezeichnet werden, weshalb die Forschergruppe aus Berlin rund 30 Messgeräte im Gepäck haben wird. Zwar gibt es Wetterstationen in El Gouna, doch sind es zu wenige für die Erstellung eines Klimamodells. Für ein gutes Modell dürfen die Messpunkte nicht weit voneinander entfernt sein – dafür bedarf es vieler Helfer. Unterstützt werden die Meteorologen der Freien Universität von Ingenieur- und Stadtplanungs-Studierenden dreier Kairoer Universitäten und jenen der Technischen Universität Berlin.

In den engen Straßenschluchten und auf den flachen Dächern der nur rund 90 Quadratkilometer großen Lagunenstadt lasse es sich gut messen, sagt Sodoudi. Die gewonnenen Daten wird die Wissenschaftlerin nach der Rückkehr in Computer mit Klimamodellen einspeisen. Wenn alles ausgewertet ist, kann sie ganz konkrete Empfehlungen abgeben, die dem Mikroklima von El Gouna ebenso nützen sollen wie dem Klimaschutz allgemein. „Städte haben einen sogenannten Wärmeinseleffekt: Sie sind stets wärmer als ihre Umgebung“, sagt Sahar Sodoudi. Das zentrale Ziel ist demnach die Abkühlung El Gounas, insbesondere tagsüber. Mit den gewonnenen Daten lässt sich bestimmen, welchen Einfluss die Vegetation, bestimmte Bauelemente und Baustoffe sowie die Architektur und Anlage der Stadt auf das Klima haben.

So können die Forscher Empfehlungen geben, wo in der Stadt ein Park günstig gelegen wäre und wo nicht; sie können beraten, welche Baumarten vorteilhaft für das Klima sind und ob sich etwa begrünte Dächer auszahlen: Diese haben zwar eine gute Dämmwirkung, brauchen aber viel Wasser.

Mit ihren Forschungsergebnissen wollen die Berliner Meteorologen dafür sorgen, dass El Gouna nicht nur ein Ferien- sondern auch ein Klimaparadies wird. Mithilfe des Modells lassen sich die Auswirkungen von möglichen Veränderungen der Stadt auf ihr Klima bereits am Computer prognostizieren. Zugleich sollen die Ergebnisse in die Theorie zurückwirken: Die Forscherin will anhand der Daten ihr Mikroklimamodell überprüfen und verfeinern.

Verallgemeinern und auf deutsche Städte übertragen lassen sich die Ergebnisse indes nicht ohne Weiteres. Davon ist Sahar Sodoudi, die im Iran Physik studierte und dann an der Freien Universität in Meteorologie promoviert wurde, überzeugt. Die Forschung ist zunächst auf ägyptische Verhältnisse ausgerichtet, das heißt: auf ein von Wüsten geprägtes Klima und schnelles Bevölkerungswachstum. Beidem müssen Stadtplaner in arabischen Ländern gerecht werden.