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Von Sternen, Wassereimern und Händen

Eine kleine Philosophie über die Realität des Raumes

10.06.2009

Von Sternen, Wassereimern und Händen Eine kleine Philosophie über die Realität des Raumes.

Von Sternen, Wassereimern und Händen Eine kleine Philosophie über die Realität des Raumes.
Bildquelle: fotolia, Noel Powell

Unabhängig davon, ob eine Relativbewegung zwischen Eimer und Wasser vorhanden ist, ist die Wasseroberfläche einmal eben, einmal konkav gekrümmt.

Unabhängig davon, ob eine Relativbewegung zwischen Eimer und Wasser vorhanden ist, ist die Wasseroberfläche einmal eben, einmal konkav gekrümmt.
Bildquelle: Tetens, UNICOM

Nichts erscheint uns so vertraut wie der Raum, außer vielleicht die Zeit. Alles, was wir über unsere äußeren Sinne von der uns umgebenden Welt erfahren, ist im Raum lokalisiert. Natürlich ist auch unser Leib Teil des uns umgebenden Raumes. Der Raum ist ausgedehnt, er ist dreidimensional, denn man kann sich in ihm in drei voneinander unabhängigen Richtungen bewegen. Angefüllt ist er mit materiellen Objekten aus den unterschiedlichsten Stoffen. Diese Objekte sind selbst ausgedehnt, sonst würden wir sie nicht wahrnehmen. Aber weil sie ausgedehnt sind und manche sich bewegen, machen sie sich wechselseitig ihren Platz im Raum streitig: Immer wieder grenzen und stoßen sie aneinander, sie kämpfen gewissermaßen um dieselben Raumpunkte. Kann man den Raum nicht geradezu definieren als die Gesamtheit aller Orte, an denen sich gleichzeitig verschiedene materielle Objekte nebeneinander aufhalten können? Diese materiellen Objekte realisieren mit ihren Oberflächen, Kanten und Ecken, die sie begrenzen, die überwältigend vielen räumlichen Formen, die die Geometrie systematisch untersucht. Die Geometrie war der erste große Triumph der Wissenschaft. Exakte Wissenschaft begann mit der Wissenschaft vom Raum. Das alles erscheint uns am Raum vollkommen selbstverständlich zu sein.

Und doch, so wenig geheimnisvoll uns der Raum auf den ersten Blick erscheint und so sehr er sich uns durch die Geometrie mathematisch exakt erschließen mag, so rätselhaft wird er sofort durch eine einzige Frage. Die materiellen Dinge sind im Raum. Der Raum selbst erscheint uns demnach wie ein umfassender Behälter, in dem alles Materielle untergebracht ist. Entleert man den Inhalt einer Flasche, bleibt die Flasche immer noch übrig. Ist das mit dem Raum genauso? Angenommen, alle Materie verschwände auf einmal, bliebe der leere Raum übrig?

Verblüffend einfach und naheliegend ist die Frage. Doch ebenso verblüffend ist, dass wir die richtige Antwort auf sie nicht kennen, bis heute nicht. Logisch betrachtet sind trivialerweise zwei Antworten möglich: ja oder nein. Für beide haben sich Philosophen und Wissenschaftler stark gemacht. Die einen behaupten, der Raum könne wie ein Behälter für sich existieren, also auch ohne mit Materie angefüllt zu sein. Man nennt das die Behälter- oder – philosophisch vornehmer – die Substanzauffassung des Raumes. Das glatte Gegenteil behaupten die Anhänger einer relationalen Auffassung des Raumes: Mit der Materie verschwinde auch der Raum. Nach ihrer Ansicht gibt es nur die materiellen Objekte, die gleichzeitig nebeneinander existieren und dabei in Beziehungen zueinander stehen, die sich geometrisch beschreiben lassen.

Träfe die relationale Auffassung zu, würde der Raum zusammen mit der Materie verschwinden, und man müsste sich fragen, ob es den Raum an und für sich überhaupt gibt. Im Alltag scheint der Raum offenkundig einfach da zu sein, nun auf einmal droht seine Realität völlig fragwürdig zu werden.

Ist Raum von Objekten unabhängig?

Sollte sich die Frage nach der Realität des Raumes tatsächlich nicht definitiv beantworten lassen? Überlegen wir ein wenig genauer. Eines müssen wir gleich zu Beginn zugeben. Den leeren Raum, wenn es ihn denn gibt, können wir nicht beobachten. Wir bekommen vom Raum nur etwas mit, sofern er mit materiellen Objekten bevölkert ist. Aber dass wir den Raum an sich nicht direkt wahrnehmen können, berechtigt uns noch lange nicht dazu, seine Realität zu leugnen. Schließlich kennen wir aus der Wissenschaft viele Objekte, die wir, statt sie direkt beobachten zu können, theoretisch erschließen müssen. Wir nehmen solche nicht direkt zu beobachtenden Objekte an, weil sich nur mit ihrer Annahme bestimmte Phänomene erklären lassen, die wir sonst nicht verstünden. Somit wäre die Substanzauffassung richtig, falls es Erscheinungen gäbe, die sich nur durch die Annahme des von allen Objekten unabhängigen Raumes erklären ließen.

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Angeblich soll Isaac Newton als junger Mann beim Beobachten von fallenden Äpfeln im Garten das Prinzip der Erdanziehung und allgemein der Gravitation erkannt haben.

Angeblich soll Isaac Newton als junger Mann beim Beobachten von fallenden Äpfeln im Garten das Prinzip der Erdanziehung und allgemein der Gravitation erkannt haben.
Bildquelle: akg-images

Dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm von Leibniz verdankt die Nachwelt zahlreiche philosophische Schriften sowie wissenschaftliche Entdeckungen und Entwicklungen.

Dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm von Leibniz verdankt die Nachwelt zahlreiche philosophische Schriften sowie wissenschaftliche Entdeckungen und Entwicklungen.
Bildquelle: Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek / Niedersächsische Landesbibliothek

Absoluter oder relativer Raum

Gibt es solche Phänomene? Die Anhänger der Substanzauffassung glauben, Phänomene solcher Art präsentieren zu können. Berühmt ist der „Eimerversuch“, mit dem Isaac Newton, englischer Physiker, Mathematiker, Astronom und Philosoph (1643 – 1727) argumentiert: An einer frei aufgehängten, verdrillten Schnur wird ein mit Wasser gefüllter Eimer gehängt und zunächst in Ruhe gehalten. Das Wasser ruht relativ zum Eimer und hat eine ebene Oberfläche. Nun wird der Eimer plötzlich in Drehung versetzt, die solange anhält, wie sich die verdrillte Schnur abwickelt. Zunächst macht das Wasser die Drehbewegung des Eimers nicht mit, der Eimer dreht sich relativ zum Wasser, denn das Wasser ist zu träge, die Bewegung sofort nachzuvollziehen. Die Wasseroberfläche jedoch ist weiterhin glatt. Allmählich beginnt auch das Wasser wegen der Reibung an der Fläche des Eimers zu rotieren, da Wasser und Eimer nun beide in derselben Weise rotieren, sind sie relativ zueinander in Ruhe, aber die mit der Rotation des Wasser verbundene Zentrifugalkraft lässt es zum Rande des Eimers hin ansteigen. Daraufhin wird der Eimer abrupt angehalten. Das Wasser rotiert weiter. Erneut bewegen sich Eimer und Wasser relativ zueinander wie zu Beginn des Versuchs im ersten Stadium, nur dass jetzt die Wasseroberfläche konkav gekrümmt ist.

Warum spricht dieses Phänomen für die Existenz des absoluten Raumes? Wichtig ist, dass während des Versuchs die Oberfläche des Wassers einmal glatt, das andere Mal gekrümmt ist, und zwar unabhängig davon, ob Eimer und Wasser zueinander ruhen oder sich relativ zueinander bewegen. An diese Beobachtung knüpft Newton sein Argument: Newton argumentiert mit dem allgemeinen Kausalprinzip, wonach gleiche Ursachen gleiche Wirkungen haben müssen. Daher dürften bei gleichen Relativbewegungen keine unterschiedlichen Effekte auftreten. Im Gegensatz dazu ist jedoch beim Eimerversuch sowohl bei relativer Ruhe wie bei relativer Bewegung von Eimer und Wasser zueinander die Wasseroberfläche das eine Mal eben, das andere Mal gekrümmt. Also könne die Relativbewegung zwischen Eimer und Wasser diese Unterschiede nicht erklären. Erklären ließen sie sich vielmehr nur durch die Relativbewegung des Wassers gegenüber dem absoluten Raum.

Das Argument von Newton ist nicht unwidersprochen geblieben. Newton hat nur die Relativbewegung zwischen Wasser und Eimer berücksichtigt. Aber es ist noch andere Materie vorhanden, relativ zu der sich Wasser und Eimer jeweils drehen oder in Ruhe befinden, zum Beispiel der Fixsternhimmel. Warum zieht Newton sie nicht in Betracht? Glaubt er vielleicht, die Wasseroberfläche würde sich auch dann noch unter der Wirkung der Zentrifugalkraft krümmen, wenn nur der Eimer mit dem Wasser im Raum anwesend wäre? Doch damit setzt er anscheinend voraus, was er gerade zeigen will. So haben schon Zeitgenossen Newtons wie der irische Philosoph George Berkeley (1685 – 1753) und später gegen Ende des 19. Jahrhunderts der österreichische Physiker und Philosoph Ernst Mach (1838 – 1916) gegen Newton argumentiert. Mach war der Auffassung, dass die Wasseroberfläche gerade so lange gewölbt ist, wie sich das Wasser relativ zum Fixsternhimmel dreht. Diese Relativbewegung des Wassers zum Fixsternhimmel erkläre den Eimerversuch zureichend. Mit dieser Deutung ist Mach zu einem Wegbereiter für die Allgemeine Relativitätstheorie Albert Einsteins (1879 – 1955) geworden.

Unterschied sinnlich nicht wahrnehmbar

Es ist offenbar gar nicht so einfach, ein Phänomen zu identifizieren, das sich tatsächlich nur durch den Raum als Substanz erklären lässt. Die Anhänger der relationalen Auffassung sind davon überzeugt, dass sich ein solches Phänomen niemals werde finden lassen. So argumentiert der Philosoph, Logiker und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716), der sich auf einen heftigen Disput mit Samuel Clarke (1675 – 1729), dem Sekretär Newtons, eingelassen hatte.

Leibniz hat seinen Einwand gegen Newton in theologische Überlegungen über die Allmacht Gottes eingekleidet. Diese theologische Gewandung seiner Überlegungen überzeugt heute weniger. Doch unter dem theologischen Gewand kommt ein scharfsinniges Argument zum Vorschein: Wäre der Raum tatsächlich ein unsichtbarer Behälter, so könnte man sich die materiellen Objekte in unterschiedlicher Weise in ihm angeordnet denken, ohne dass dies die geometrischen Beziehungen der Objekte untereinander verändern würde.

Zum Beispiel könnte man sich alle Objekte um 180 Grad im Raum gedreht vorstellen. Alle Abstände und Winkel wären von der Drehung nicht betroffen. Da den absoluten Raum niemand wahrnehmen kann, würde niemand diese Drehung registrieren. Die Anhänger der Substanzauffassung, so überlegt Leibniz weiter, müssten ein Phänomen präsentieren, das keinen Unterschied in den geometrischen Beziehungen zwischen den materiellen Objekten macht, sondern nur einen Unterschied relativ zum absoluten Raum. Aber jetzt stellt sich heraus, dass wir ein solches Phänomen nicht wahrnehmen könnten. Ein Phänomen, das uns sinnlich überhaupt auffällt, verändert immer etwas an und zwischen den materiellen Objekten.

Es macht sich daher als Unterschied in den geometrischen Beziehungen der materiellen Objekte untereinander bemerkbar. Veränderungen gegenüber dem absoluten Raum, die die geometrischen Beziehungen der materiellen Objekte untereinander vollkommen unverändert lassen, könnten sich physikalisch gar nicht so auswirken, dass wir sie wahrnehmen. Also wird sich kein Phänomen beobachten lassen, das allein durch seine Beziehung zum absoluten Raumbehälter erklärt werden könnte und müsste.

Hände und absoluter Raum

Das Argument scheint schlagend. Und doch hat es keineswegs jeden überzeugt. Zum Beispiel hat es den Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724 – 1804) nicht sonderlich beeindruckt. Er entdeckt eine Lücke in dem Argument. Leibniz hatte behauptet, es könne keine physikalischen Unterschiede geben, die sich nicht in geometrischen Unterschieden zwischen den Objekten niederschlagen und die daher nicht durch diese geometrischen Unterschiede erklärt werden könnten. Was aber, so fragt Kant, ist mit gewissen geometrischen Unterschieden in den Objekten selbst? Lassen sich vielleicht einige nur durch den Bezug auf den absoluten Raum erklären?

Kant glaubt einen solchen Unterschied zu kennen. Wir alle haben eine rechte und eine linke Hand. Beide Hände könnten sich in allen physikalischen und geometrischen Details so gleichen, dass nur ein einziger, aber entscheidender Unterschied bleibt: Die linke Hand kann niemals exakt dasselbe Raumgebiet einnehmen wie die rechte Hand – und umgekehrt. Selbst wenn wir uns alle anderen Objekte wegdenken, verschwindet dieser Unterschied zwischen rechter und linker Hand nicht. Dann aber, so Kant, könne dieser Unterschied nur erklärt werden durch eine unterschiedliche Lage oder Orientierung der beiden Hände relativ zum absoluten Raum.

Sah es nach den Einwänden von Berkeley und Mach und vor allem dem Argument von Leibniz so aus, als ob die Sache für die Anhänger der Behälterauffassung des Raumes verloren sei, scheint das Pendel mit Kants Einwand wieder auf die Seite der Substanztheoretiker des Raumes zurückzuschwingen.

Man könnte denken, diesem Hin und Her zwischen Substanzauffassung und relationaler Auffassung des Raumes lasse sich eben allein mit empirischer Physik ein Ende bereiten. Und hat die Physik die Sache inzwischen nicht längst entschieden? Bisher haben wir das Problem vom Standpunkt der Physik Newtons beurteilt. Doch seit Newtons Tagen hat sich Gewaltiges in der Physik des Raumes getan. Stellt sich die Kontroverse um die Realität des Raumes im Lichte der einsteinschen Relativitätstheorie nicht völlig anders dar als in der klassischen Physik?

Gewaltiges hat sich seit Newton in der Physik des Raumes tatsächlich zugetragen, so Gewaltiges, dass man aus Sicht der Physik nicht mehr isoliert vom Raum an sich reden darf. Die Eigenschaften des Raumes lassen sich nicht unabhängig von Bewegungsvorgängen erforschen, und damit sind Bestimmungen des Raumes nicht zu trennen von Bestimmungen der Zeit. Nicht den Raum getrennt von der Zeit und nicht die Zeit getrennt vom Raum erforscht die Physik seit Einstein, sondern nur noch ihre Vereinigung zu dem, was alle Physiker inzwischen die Raumzeit nennen. Etwas Zweites kommt hinzu, nicht weniger revolutionär als die Vereinigung von Raum und Zeit zur Raumzeit: Die geometrischen Eigenschaften der Raumzeit betrachtet die Physik nun als durchgehend mitbestimmt durch die Materie und Energie, mit denen die Raumzeit angefüllt ist. Das ist jedenfalls die Kernaussage der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Triumphiert mit dieser Kernaussage der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht endgültig die relationale Auffassung, zwar nicht des Raumes, aber doch der Raumzeit über die Substanzauffassung? Damit scheint es so, als hätte Einstein mit seiner Theorie endgültig eingelöst, was Ernst Mach schon gegen Newtons Eimerversuch eingewendet hatte, dass sich nämlich alle Phänomene auf die relative Verteilung der Materie zurückführen lassen. Nach der Relativitätstheorie verdanken sich nun die geometrischen Eigenschaften der Raumzeit der Verteilung der Materie.

Ist also mit der Relativitätstheorie entschieden, dass es nicht den Raum an sich gibt, sondern nur die Materie mit ihren räumlichen Eigenschaften? Die Dinge liegen längst nicht so einfach. Es ist nur mathematisch jetzt alles viel komplizierter und lässt sich nicht mehr so schnell und einfach darstellen. Aber so viel steht fest: Selbst die Allgemeine Relativitätstheorie kann die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die geometrische Struktur der Raumzeit nicht durchgängig durch die vorhandene Materie bestimmt ist. Und das eröffnet weiterhin die Möglichkeit für Substanztheoretiker, Raumzeitpunkte für etwas Reales zu halten, unabhängig davon, wie sie von Materie besetzt sind. Insofern kann keine Rede davon sein, die Allgemeine Relativitätstheorie habe eine Substanzauffassung der Raumzeit definitiv widerlegt.

Freilich, auf der Gegenseite geben sich die Anhänger der relationalen Auffassung der Raumzeit keineswegs geschlagen. Indem sie sich auf die Allgemeine Relativitätstheorie stützen, ist es ihnen gelungen, das Argument von Leibniz neu zu formulieren. Der komplizierte mathematische Inhalt der Relativitätstheorie verbietet es leider, das Argument hier ausführlicher darzustellen.

Nur so viel sei verraten: Wenn das Argument wirklich stichhaltig ist, tut sich ein Dilemma auf, das sehr misslich für die Substanztheoretiker wäre: Entweder ist die Substanzauffassung der Raumzeit falsch, oder man muss einen Indeterminismus in Kauf nehmen, der sich mit der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht vereinbaren lässt. Ist das neue, auf den Stand der Relativitätstheorie gebrachte Argument Leibniz’ definitiv stichhaltig, oder können die Substanztheoretiker dem Dilemma entkommen?

Der Ausgang der Debatte ist offen

Die Debatte dauert an, und ihr Ausgang ist offen. Die Relativitätstheorie hat den erhofften Durchbruch offensichtlich bisher nicht erbracht. Die Argumente von Newton, Kant, Mach, Leibniz und anderen mussten zwar im Lichte der Relativitätstheorie mathematisch raffinierter formuliert werden, bleiben aber der Sache nach im Prinzip in Kraft. Weiterhin steht Argument gegen Argument, ob Raum oder Raumzeit eine von der Materie unabhängige Realität darstellt oder nicht.

Darf uns diese Debatte nicht gleichgültig lassen, weil sie folgenlos ist? Keineswegs, denn sie ist es selbst für die Physik nicht. Ein Beispiel muss genügen. Glaubt man den Physikern, so hat das Universum vor ungefähr 13 Milliarden Jahren mit dem Urknall begonnen. Vielen drängt sich die Frage auf, was vor dem Urknall stattgefunden habe. Nicht wenige Physiker weisen diese Frage brüsk als sinnlos zurück. Raum und Zeit hätten erst mit dem Urknall, also zusammen mit der anfänglichen Wasserstoffmaterie begonnen zu existieren, da könne man nicht fragen, was zuvor gewesen sei.

Raumzeitpunkte vor dem Urknall gebe es schlicht nicht. Aber lässt sich diese Frage noch so billig verbieten, sollte der Raumzeit doch eine Realität unabhängig von der Existenz von Materie zukommen? Solange wir nicht wissen, ob und in welchem Sinne die Raumzeit unabhängig von Materie real ist, sind mithin ziemlich viele Fragen offen.

Darunter sind schwierige Fragen nach der Einheit des Weltganzen. Solche Fragen werden uns niemals kalt lassen. Unser Fazit kann daher nur lauten: Die Realität von Raum und Zeit steht keineswegs außer Frage, im Gegenteil, sie ist einigermaßen rätselhaft. Ob wir das Geheimnis je lüften werden?

Weitere Informationen

Prof. Dr. Holm Tetens

Institut für Philosophie, Fachgebiet Wissenschaftstheorie, Habelschwerdter Allee 30, 14195 Berlin

www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/we01