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Die Siedlungsgeschichte des Südharzvorlandes

Die Forschergruppe „Central Places“ ermöglicht im Rahmen des Exzellenzclusters TOPOI Einblicke in die Vergangenheit

10.06.2009

Wüstensturm in der syrischen Pilgerstadt Resafa-Sergiupolis. Die spätantike Stadt ging aus einem römischen Limesposten hervor. Ruinenstädte wie diese werden im Rahmen des Exzellenzclusters TOPOI erforscht.

Wüstensturm in der syrischen Pilgerstadt Resafa-Sergiupolis. Die spätantike Stadt ging aus einem römischen Limesposten hervor. Ruinenstädte wie diese werden im Rahmen des Exzellenzclusters TOPOI erforscht.
Bildquelle: Jan Krause, Freie Universität Berlin

Das Untersuchungsgebiet am Südrand des Harzes zog schon vor mehreren Jahrtausenden Menschen an. Die fruchtbaren Böden begünstigten den Ackerbau.

Das Untersuchungsgebiet am Südrand des Harzes zog schon vor mehreren Jahrtausenden Menschen an. Die fruchtbaren Böden begünstigten den Ackerbau.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Charakteristisch für Siedlungen der jüngeren Eisenzeit ist das Niederlegen von Hunden auf der Sohle tiefer Gruben – in Nordhausen-Himmelgarten sind sie der Przeworsk-Kultur zuzuordnen.

Charakteristisch für Siedlungen der jüngeren Eisenzeit ist das Niederlegen von Hunden auf der Sohle tiefer Gruben – in Nordhausen-Himmelgarten sind sie der Przeworsk-Kultur zuzuordnen.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Sorgfältig werden die Profilwände einer tief eingegrabenen Abfallgrube aus der Eisenzeit für die Dokumentation präpariert.

Sorgfältig werden die Profilwände einer tief eingegrabenen Abfallgrube aus der Eisenzeit für die Dokumentation präpariert.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Blick auf eine Erosionsrinne mit sogenanntem Schwemmfächer. Erosionsrinnen bildeten sich häufig entlang von Wegen, die senkrecht zu Hängen verliefen: Hier – an den kürzesten Wegen zwischen Siedlung und Ackerfläche.

Blick auf eine Erosionsrinne mit sogenanntem Schwemmfächer. Erosionsrinnen bildeten sich häufig entlang von Wegen, die senkrecht zu Hängen verliefen: Hier – an den kürzesten Wegen zwischen Siedlung und Ackerfläche.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Rammkernsondierung: Mit dem Verfahren können Bodenproben bis zu einer Tiefe von elf Metern genommen werden. Mithilfe der Sedimente können Rückschlüsse auf die Veränderungen der Landschaft durch die Besiedelung des Menschen gezogen werden.

Rammkernsondierung: Mit dem Verfahren können Bodenproben bis zu einer Tiefe von elf Metern genommen werden. Mithilfe der Sedimente können Rückschlüsse auf die Veränderungen der Landschaft durch die Besiedelung des Menschen gezogen werden.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Im Exzellenzcluster „TOPOI – The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilisations“ untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität gemeinsam mit Wissenschaftlern von vier außeruniversitären Berliner Forschungseinrichtungen die Wechselwirkungen zwischen Raum und Wissen in antiken Zivilisationen. Der Excellenzcluster gliedert sich in fünf Research Areas mit unterschiedlicher Ausrichtung. Das Hauptinteresse der „Research Area A: Räumliche Umwelt und ihre Gestaltung“ besteht darin, die räumliche Umwelt und ihre Gestaltung durch den Menschen zu rekonstruieren und die Anpassung des Menschen an das natürliche Lebensumfeld zu bewerten.

Altsiedlungsort „Goldene Aue“

Der Untersuchungsraum umfasst weite Teile des Mittelmeerraumes bis hin zum Schwarzen Meer und Teile der Eurasischen Steppe, greift aber auch nach Mitteleuropa aus. Die Forschungen finden an der Schnittstelle geowissenschaftlicher und archäologischer Methodik und Modellbildung statt. Zur Umsetzung dieser Inhalte wurden zwei Forschungsverbünde gegründet, die sich zum einen mit dem weiten Thema „Zentrale Orte und ihre Umwelten“, zum anderen mit der Raumwirksamkeit technischer Innovationen und veränderter Lebensweisen beschäftigen. In dem Forschungsverbund „Zentrale Orte und ihre Umwelten“ untersuchen Archäologen und Geowissenschaftler in enger Kooperation die räumlich-funktionellen Beziehungen von antiken zentralen Orten und angrenzenden Regionen. Dahinter steht die Absicht, das Beziehungsgefüge zwischen dem Zentralort oder Siedlungen und ihrer Umwelt herauszuarbeiten. Dafür müssen die Entwicklung des jeweiligen Zentralortes, der historischen Landschaft und die jeweiligen Standortfaktoren rekonstruiert werden. Außerdem wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, wie solche zentralen Orte den Raum beeinflussen, der sie umgibt. Untersucht werden verschiedene Kulturen, Regionen und Gesellschaftssysteme.

Der mit Bedacht breit angelegte Untersuchungsraum führt zu Forschungsprojekten mit unterschiedlichem kulturellen und zeitlichen Fokus. Bearbeitet werden Orte, über die ausreichend historische Quellen zur Verfügung stehen, und solche aus schriftlosen Epochen. Herausgearbeitet werden individuelle, aber auch immer wieder auftretende Prozesse. Die insgesamt 13 verschiedenen Teilprojekte sind in einer interdisziplinären Graduiertengruppe gebündelt, in der Doktoranden vor dem Hintergrund geoarchäologischer Fragestellungen ausgebildet werden. Über die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Geowissenschaftler und Archäologen hinaus ist ein Vergleich einzelner „archäologischer“ Disziplinen und ihrer Methoden möglich.

Eines der bearbeiteten Projektgebiete befindet sich im südlichen Harzvorland; es steht beispielhaft für die Aktivitäten des Forschungsverbundes.

Die Przeworsk-Kultur im Harzvorland

Das thüringische Südharzvorland ist eine ausgesprochen günstige Landschaft für eine landwirtschaftlich geprägte Besiedlung. Die fruchtbaren Lössböden zogen seit dem Beginn des Neolithikums, also der Sesshaftwerdung und der Einführung von Ackerbau und Viehzucht, Menschen an, die hier ihre Siedlungen errichteten. In den letzten Jahrhunderten vor Christus lag die Region an der nördlichen Peripherie der zentralörtlich organisierten Latènekultur (5. bis 1. Jahrhundert v. Chr., vorrömische Eisenzeit in Mitteleuropa) mit ihrem System offener, ländlicher und zentraler, befestigter Siedlungen.

Begrenzte „kulturelle Insel“

Im Verlauf des 2. Jahrhunderts v. Chr. tauchte in dieser peripheren Region etwas Neues auf: Einzelne Siedlungen zeigen eine ganz neue kulturelle Prägung, die den Archäologen besonders durch Funde fremdartiger Keramik erkennbar wird. Gleichzeitig fallen auch kleine Gräberfelder auf, die nicht nur die gleiche fremde Keramik führen, sondern in denen die Toten in einer in der Region vorher nicht bekannten Art beigesetzt wurden. Andere Grabform und fremde Keramik weisen auf einen östlichen Ursprung hin: Beide sind charakteristisch für die polnische Przeworsk-Kultur. Dadurch kann ein Migrationsprozess der Przeworsk-Kultur in eine begrenzte „kulturelle Insel“ im Südharzvorland nachgewiesen werden. Die Siedlungen dieser Gruppe liegen nicht wahllos verteilt, sondern nehmen unter den zeitgleich entstandenen Siedlungen in der „Goldenen Aue“ eine Randlage am Fuß des benachbarten Harzes ein.

Diesem interessanten Phänomen der Einwanderung einer neuen Kultur in ein besiedeltes Gebiet wird auf zwei Ebenen nachgegangen: Zum einen sollen durch archäologische Grabungen sowie geophysikalische und geoarchäologische Untersuchungen mehr über die einzelnen Siedlungen der Migranten, deren Aufbau und Ausdehnung sowie Standorteigenschaften herausgefunden werden: Wie unterscheiden sich die neuen Siedlungen von den vorhandenen Siedlungen? Welche wechselseitigen Anpassungs- und Akkulturationsprozesse sind zu erkennen? Welchen Einfluss haben die Neusiedlungen auf das gesamte Siedlungssystem? Zum anderen wird die Besiedlung des Südharzvorlandes in einer zeitübergreifenden Perspektive untersucht, um die Entwicklung der Standortwahl und die Bedeutung von zentralen Orten in den verschiedenen prähistorischen Phasen zu vergleichen. Aus diesem Grund werden derzeit alle bekannten archäologischen Fundstellen vom Beginn der Sesshaftigkeit bis zum Ende der Völkerwanderungszeit im Arbeitsgebiet systematisch in einem Geographischen Informationssystem (GIS) erfasst.

Diese zeitintensiven Arbeiten, für die das Gelände erkundet wird und umfangreiches Fundmaterial gesichtet werden muss, sind die Grundlage für weiterführende Analysen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Verteilung der Funde auf sehr individuellen Gegebenheiten beruht: So spiegelt die eindrucksvolle Konzentration der Fundstellen in der Umgebung von Nordhausen das Engagement eines besonders aktiven ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegers wider. Ob andere Bereiche eine ähnlich Funddichte, aber noch nicht im Gelände ausgemachte Besiedlung aufweisen, kann erst durch eine geoarchäologische Analyse geklärt werden. Bei diesem als Archäoprognose bezeichneten Vorgehen werden mithilfe des Geographischen Informationssystems zunächst die spezifischen Lageparameter der bekannten Fundstellen ermittelt und klassifiziert. Dazu gehören Bodengüte, Ausgangsgestein, Hangneigung, Exposition und Entfernung zu Gewässern. Daraufhin werden alle Areale der Region ausgewiesen, die entsprechende Kriterien erfüllen und somit weitere Gebiete darstellen, in denen Funde zu erwarten sind. Diese Vermutung wird dann durch Begehungen im Gelände überprüft.

Wandel der Bedeutung zentraler Orte

Ergänzend dazu können durch die intensive geomorphologische Feldforschung zusätzlich Areale benannt werden, in denen etwa durch Rodung und Ackerbau starke Erosion ausgelöst wurde. In diesem Zusammenhang ist auch die Überdeckung ehemaliger Siedlungsstandorte durch Kolluvien zu sehen, also durch Sedimente, die hangaufwärts auf den bewirtschafteten Flächen abgetragen wurden. Solche Siedlungsstandorte sind heute nicht mehr mit herkömmlichen archäologischen Vorerkundungsmethoden erkennbar. Durch eine möglichst umfassende Einbeziehung der Siedlungsareale lässt sich dann das ehemalige Siedlungssystem rekonstruieren. Hierdurch können im Anschluss Veränderungen im Siedlungsverhalten und in der Nutzung des Landes in den einzelnen Epochen, die Bedeutung und der Bedeutungswandel von zentralen Orten sowie die spezifische Lage der Siedlungen von Migranten in der jüngeren Latènezeit als Gesamtbild beurteilt werden.

Die ersten Untersuchungen an den Siedlungen der Przeworsk-Kultur erbrachten bislang wertvolle Ergebnisse. Geophysikalische Detailkartierungen an drei Plätzen zeigen die genaue Ausdehnung der Siedlungen, die Streuung der archäologischen Befunde und sogar die ehemalige Lage von Erosionsrinnen und Terrassenkanten. Eine erste Grabungskampagne am Fundplatz Nordhausen-Himmelgarten ergab, dass die Besiedlung in zwei Phasen verlief. Auf eine Siedlungsphase im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. folgte eine Phase des 2. oder frühen 1. Jahrhunderts v. Chr., die der Przeworsk- Kultur zuzuweisen ist: Deutlich überlagern Siedlungsgruben der jüngeren einen großen Grubenkomplex der älteren Phase.

Dieser große Grubenkomplex hielt eine Überraschung bereit: Die in das 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. datierenden Relikte der Eisenverhüttung – Schlackeklötze, Fragmente von Rennöfen und Eisenerz – gehören zu den ältesten Nachweisen von solchen Funden für die Region des nördlichen Mitteleuropas überhaupt. Die Rohstoffe zur Produktion des Eisens stammen aller Wahrscheinlichkeit nach aus der unmittelbaren Umgebung. Mögliche natürliche Vorkommen dieser Rohstoffe werden mit geowissenschaftlichen Methoden im Rahmen von studentischen Abschlussarbeiten untersucht. Die Vielzahl von großen Schlackefunden und die Lokalisierung von mindestens zwei weiteren Verhüttungsbereichen mithilfe geomagnetischer Kartierung verleiht diesem Platz überregionale Bedeutung. Zum anderen konnten erstmals bei regulären Grabungen sichere Grubeninventare der Przeworsk-Kultur freigelegt werden.

Bemerkenswert ist, dass hier ein älterer, wahrscheinlich bereits verlassener Standort besiedelt wurde. Dabei handelte es sich wahrscheinlich nicht um eine normale bäuerliche Siedlung, sondern um einen wirtschaftlichen Sonderstandort, dessen Bewohner sich auf die Verhüttung von Eisen verstanden.

Die natürliche Umwelt und ihre Veränderungen

Das Siedlungsverhalten in frühen Kulturen, in denen die Abhängigkeit des Menschen von der Natur noch sehr viel unmittelbarer war als heute, richtet sich sehr stark an den naturgegebenen Bedingungen zur Zeit der Besiedlung aus. Gleichzeitig wird mit der Besiedlung eines Gebietes eine bestimmte Nutzung verbunden, die von diesen Gegebenheiten abhängig ist. Durch die Besiedlung und Landnutzung wird wiederum der Naturraum verändert. Seit dem Neolithikum, das sich in Mitteleuropa seit etwa 5500 v. Chr. vom Donauraum her ausgebreitet hat, gehörte hierzu insbesondere die Rodung von Waldflächen mit dem Ziel, sie für den Ackerbau nutzbar zu machen, aber auch, um Holz als Energielieferant und Baumaterial zu gewinnen. Die zunächst vegetationsfreien Rodungsinseln waren insbesondere an Hanglagen und während starker Niederschläge anfällig für Erosion. Auch während der Nutzung – insbesondere nach der Ernte auf den vorgeschichtlichen Äckern – waren die Standorte erosionsgefährdet, da vermehrt Abfluss an der Erdoberfläche und damit verbunden der Abtrag von Boden auftreten konnten. Entlang der Wege, die oftmals senkrecht zum Hang verliefen und die kürzeste Verbindung zwischen Siedlung oder Ackerfläche und dem nächsten Fließgewässer bildeten, wurde der Untergrund nach und nach verdichtet, und es entstanden regelrechte Abflussbahnen. In der weiteren Entwicklung bildeten sich entlang dieser vom Menschen verursachten Abflussbahnen Hohlwege, die sich abhängig vom Relief und der klimatischen Situation zu tiefen Erosionsrinnen ausweiten konnten. In der Landschaft des Harzvorlandes sind diese Prozesse noch heute an den kurzen, schluchtartig eingeschnittenen Tälern rekonstruierbar. Das ausgetragene Material wurde im Übergang zum Talboden bei abnehmendem Gefälle als Schwemmfächer abgelagert, da hier mit der abrupt abnehmenden Hangneigung auch die Transportkraft des Abflusses abnimmt. Diese Sedimente stellen für die Physische Geographie ein wertvolles Archiv dar, um Erosionsgeschichte und Umweltbedingungen des Herkunftsraums zu rekonstruieren.

Sedimente in elf Metern Tiefe untersucht

Daher wurden im Schwemmfächer einer auf den Roßmannsbach bei Nordhausen ausgerichteten Schlucht mehrere Rammkernsondierungen niedergebracht, um die Landschaftsgeschichte im Umfeld der eisenzeitlichen Siedlung zu rekonstruieren. Ergänzend dazu wurden systematisch weitere Rammkernsondierungen in der Talaue des Roßmannsbaches direkt unterhalb dieser Siedlungsfläche vorgenommen, da auch hier vergleichbare Prozesse zu Materialumlagerung führten. Bei solchen Rammkernsondierungen wird eine Metallkammer von einem Meter Länge mit einem eingebetteten Plexiglasrohr (dem „Inliner“) mit einem motorgetriebenen Bohrhammer in den Untergrund getrieben. In der sogenannten Bohrkammer, die mit einer einfachen Ziehvorrichtung geborgen wird, befinden sich in ungestörter Lagerung die Sedimente, die für die weiteren Untersuchungen benötigt werden. Mit diesem Verfahren können Sedimente bis in elf Meter Tiefe aufgeschlossen werden.

Die Ergebnisse dieser Sedimentuntersuchungen wurden in eine geomorphologische Karte eingefügt, die Informationen über das übergeordnete reliefbildende Prozessgefüge gibt. Auf dieser Grundlage können jetzt die Umweltbedingungen während der Besiedlung rekonstruiert und die Veränderung der natürlichen Umweltbedingungen durch die wirtschaftende Tätigkeit des Menschen bewertet werden.

Die Entwicklung der Landschaft

Radiokohlenstoff-Messungen erlauben eine zeitliche Einordnung der bei den Bohrungen entnommenen Sedimente. Die ältesten unter dem Schwemmfächer der Erosionsrinne erfassten Sedimente sind etwa 16.000 Jahre alt und wurden vor einer landwirtschaftlichen Überprägung der Region abgelagert. Während des frühen und mittleren Holozäns (11.250 bis 1650 v. Chr.) weisen wiederholt wechselnde Lagen aus Wiesenkalken, moorähnlichen Sedimenten und eingelagerten Schwemmlössen auf ein weitgehend natürliches Ablagerungsmilieu in der Aue des Roßmannsbaches mit abwechselnden Phasen geomorphologischer Aktivität und Stabilität hin. Nach ca. 1650 v. Chr. nehmen die Sedimentationsraten jedoch deutlich zu, gleichzeitig werden Sedimente nicht mehr als feinkörnige Auenlehme vom Roßmannsbach abgelagert, sondern werden von den Talflanken geschüttet. Es bilden sich kolluviale Ablagerungen, die zunehmend aus Sanden und teilweise scharfkantigen Kiesen zusammengesetzt sind und Holzkohlestückchen enthalten. Sie unterscheiden sich damit deutlich von den zuvor abgelagerten feinkörnigen, lehmigen Sedimenten. Diese kolluvialen Ablagerungen können als Folge von Rodungsaktivitäten auf der Hochfläche eingestuft werden. Die obersten 150 Zentimeter der in der Bohrung am Roßmannsbach aufgeschlossenen Sedimente repräsentieren schließlich eine Phase spätmittelalterlicher Bodenerosion ( jünger als 1430 n. Chr.), in der sich unter anderem infolge von Starkniederschlägen während der Phase der sogenannten Klimawende überall in Europa verstärkt Erosionsrinnen bildeten.

Die im Bereich des Rossmannsbaches untersuchte Sedimentfolge umfasst zeitlich die gesamte Besiedlungsphase seit dem ausgehenden Paläolithikum und hat sich als aufschlussreiches Archiv für die Rekonstruktion der Kulturlandschaft erwiesen. Gleichzeitig können physisch-geographische Arbeitsmethoden die Lokalisierung von Siedlungsflächen unterstützen, unter anderem durch die Erfassung von erhöhten Phosphatgehalten im Oberboden. Da Phosphat in geogener Form in Mitteleuropa nur in geringeren Gehalten vorkommt, kommen als Hauptquelle für erhöhte Phosphatgehalte insbesondere Fäkalien in Betracht. Das konzentrierte Anfallen von Fäkalien im unmittelbaren Siedlungsumfeld ist noch mehrere Jahrtausende nach Ende der Besiedlung durch erhöhte Phosphatgehalte im Oberboden nachweisbar. Durch eine sogenannte Rasterbeprobung und Phosphatanalyse der oberflächennahen Sedimente können somit Siedlungsflächen eingegrenzt werden. Im Zusammenhang mit archäologischen Auswertungen tragen die geowissenschaftlichen Untersuchungen somit zu einem besseren Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Besiedlungs- und Landschaftsgeschichte bei.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Brigitta Schütt

Freie Universität Berlin, Institut für Geographische Wissenschaften, Physische Geographie, Malteserstraße 74–100, 12249 Berlin

www.geo.fu-berlin.de/geog/index.html