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libertas

Was Freiheit im Alten Rom bedeutete

02.12.2008

Was Freiheit im Alten Rom bedeutete.

Was Freiheit im Alten Rom bedeutete.
Bildquelle: istockphoto.com

Grabbauten mit Porträts an der Via Statilia in Rom, erstes Jahrhundert vor Christus.

Grabbauten mit Porträts an der Via Statilia in Rom, erstes Jahrhundert vor Christus.
Bildquelle: Fless

Die Gesichter der Männer – ehemalige Sklaven – sind von Arbeit und Sorge gezeichnet. Das „L“ in der Inschrift steht für „libertus“, Freigelassener. Augusteisches Grabrelief in Berlin, Staatliche Museen.

Die Gesichter der Männer – ehemalige Sklaven – sind von Arbeit und Sorge gezeichnet. Das „L“ in der Inschrift steht für „libertus“, Freigelassener. Augusteisches Grabrelief in Berlin, Staatliche Museen.
Bildquelle: Abguss-Sammlung der Freien Universität Berlin

Denar mit Darstellung des M. Iunius Brutus 43 bis 42 vor Christus.

Denar mit Darstellung des M. Iunius Brutus 43 bis 42 vor Christus.
Bildquelle: Archäologisches Institut, Freie Universität Berlin

Aureus des Augustus, Victoria hält den Tugendschild Clipeus Virtutis, 19 vor Christus.

Aureus des Augustus, Victoria hält den Tugendschild Clipeus Virtutis, 19 vor Christus.
Bildquelle: Archäologisches Institut, Freie Universität Berlin

Sesters des Galba mit der Darstellung der libertas publica, 68 nach Christus.

Sesters des Galba mit der Darstellung der libertas publica, 68 nach Christus.
Bildquelle: Archäologisches Institut, Freie Universität Berlin

Relief des Konstantinsbogens in Rom, Geldgeschenk (congiarium), Anfang viertes Jahrhundert nach Christus.

Relief des Konstantinsbogens in Rom, Geldgeschenk (congiarium), Anfang viertes Jahrhundert nach Christus.
Bildquelle: Fless

Veritas, iustitia und libertas sind jedem Mitglied der Freien Universität und Leser von „fundiert“ vertraute Begriffe, rahmen sie doch den Berliner Bären auf dem Siegel der Universität. Vor allem mit der libertas ist auch der Name der Universität programmatisch verbunden, seit sie vor 60 Jahren gegründet worden ist. Jedem Römer waren veritas, iustitia und libertas hingegen auch Göttinnen, denen seit der Zeit der römischen Republik Tempel errichtet wurden. Auf den ersten Blick scheinen die libertas der Antike und Moderne also nichts miteinander zu tun zu haben. Auf den zweiten Blick gibt es jedoch zahlreiche interessante Übereinstimmungen, wie das Konzept der libertas sich in den stetig wandelnden politischen und historischen Rahmenbedingungen über die Jahrhunderte mit verändert hat.

Näherte sich ein Besucher um die Zeitenwende herum auf einer der großen Ausfallstraßen der Stadt Rom, begegnete er allenthalben Inschriften mit Namen, denen das Konzept der Freiheit unmittelbar eingeschrieben war. Zumeist erscheint das „L“ in Inschriften an Grabbauten, bei denen Reliefs mit Porträts so in die Fassaden eingesetzt waren, dass die Porträtierten wie aus Fenstern auf die Straße zu schauen schienen. Die Gesichter der Männer mit ihren realistisch gestalteten Alterszügen, gekennzeichnet von Arbeit und Sorge, entsprechen dabei unseren Vorstellungen von echten Römern der Republik, etwa von Mitgliedern der Oberschicht wie Cato oder Caesar.

libertas und liberti – Die Freiheit und die Freigelassenen

Das „L“ verweist jedoch auf einen anderen sozialen Kontext. Es steht für libertus und liberta, Freigelassener und Freigelassene, das heißt ehemalige Sklaven, die von ihrem Herrn die Freiheit erhielten und die neu gewonnene Freiheit durch das beigefügte „L“ und auch durch die Selbststilisierung im Porträt selbstbewusst ausdrückten. Freiheit ist hier als persönliche Freiheit, als Freilassung aus einem unfreien Rechtsstatus zu verstehen – in den Zustand des römischen Bürgerrechts und der bürgerlichen Freiheit. Libertas markiert den Gegensatz zur servitus, zur Sklaverei.
Wurde ein Sklave in der römischen Republik und Kaiserzeit freigelassen, war dies mit einem Ritual verbunden, bei dem eine konische Mütze, der pileus, eine Rolle spielte. Diese auch allgemein den freien Bürger kennzeichnende Kopfbedeckung wurde dem Sklaven als Symbol seiner neuen Freiheit auf das geschorene Haupt gesetzt. Als Symbol der Freiheit wird der pileus dann auch in die politischen Auseinandersetzungen des ersten Jahrhunderts vor Christus übernommen.

libertas restituta – Die Wiederherstellung der Freiheit

Den pileus sah der Besucher Roms in den unruhigen Jahren nach Caesars Ermordung (an den Iden des März 44 vor Christus) auch als Bild auf Münzen. Auf der einen Seite der Denare ist der pileus zwischen zwei Dolchen zu sehen. Darunter eine Legende, die auf die Iden des März verweist. Auf der anderen Seite erkennt man den Kopf des „Caesar-Mörders“ Brutus. Die Kombination von Dolchen und pileus bewertet die Tat des Brutus als Akt der Befreiung von Caesar und dessen Streben nach Alleinherrschaft.

Die Münze des Brutus löste beim antiken Betrachter aber noch weitere Assoziationen aus. Das Bild des Brutus in Verbindung mit dem Mord an Caesar erinnerte ihn an eine Tat der römischen Frühzeit, die ebenfalls mit einem Brutus verbunden war, den wir gemeinhin den „älteren Brutus“ nennen. Dieser spielte eine zentrale Rolle bei der Vertreibung des letzten etruskischen Königs Tarquinius Superbus aus Rom – und damit bei der Errichtung der römischen Republik. Wie präsent dieses historische Ereignis kurz vor der Ermordung Caesars in Rom war, zeigen Graffitis an Statuen. So soll an die Statue des älteren Brutus, dem Mitbegründer der Republik, geschrieben worden sein: „Wenn du doch noch am Leben wärest“. An der Statue des Caesar stand: „Weil er die Könige vertrieb, ist (der ältere) Brutus als erster Konsul geworden; weil er die Konsuln vertrieb, ist dieser (nämlich Caesar) letztlich König geworden.“

Die für die Zeit der späten Republik charakteristischen Anspielungen auf Taten der Frühzeit und Vorfahren lässt die Münze des jüngeren Brutus in ein ganz spezifisches Beziehungsgeflecht eingewoben erscheinen. Die Tat des älteren Brutus, der den letzten König vertrieb, wiederholt sich in der Tat des jüngeren Brutus, der den nach Königsmacht strebenden Caesar ermordet. Beide Taten sind Akte der Befreiung von der Königsherrschaft und Grundlage für die Gründung und Rettung der Republik. Die Verhältnisse in den politisch unruhigen Zeiten der späten Republik sind jedoch nicht ganz so einfach, wie dieses Beispiel nahelegt. Der jüngere Brutus hatte nach eigener Selbstdarstellung die Republik und die politische Freiheit nämlich gerade vor jenem Mann geschützt, dem der Senat kurz zuvor, im Jahre 46 vor Christus, einen Tempel für die Göttin Libertas errichten wollte. Die Senatoren „gaben ihm (Caesar) den Namen Liberator (Befreier), der dann auch in den Urkunden verwendet wurde, und beschlossen, mit Zustimmung des Volkes, die Errichtung eines Tempels für Libertas“. Brutus und Caesar sind aber nicht die einzigen, die sich des Begriffs der libertas in dieser Zeit teilweise bürgerkriegsartiger Auseinandersetzungen bedienten. Gerade in der Münzprägung wird deutlich, wie zahlreiche Mitglieder der politischen Oberschicht Roms sich den Begriff in der Konkurrenz um Ämter und Macht aneigneten. Immer wieder ging es in den Konfrontationen darum, sich als Bewahrer der römischen Republik gegenüber anderen Politikern und Gruppen zu positionieren.

Die Inflation der Nutzung der libertas in den politischen Konflikten dieser Zeit wirft die Frage auf, ob sich der Begriff nicht dadurch abnutzte und er dadurch für die politische Auseinandersetzung unbrauchbar wurde. Noch mehr stellt sich die Frage, was mit der libertas faktisch am Ende der Republik und am Beginn jener Epoche passierte, die wir mit der Alleinherrschaft des Augustus verbinden und als Kaiserzeit bezeichnen, beziehungsweise korrekter als den Principat bezeichnen müssen? Bleibt libertas für die römischen Kaiser, also für Alleinherrscher, ein brauchbares Konzept? Zunächst scheint dies nicht der Fall zu sein. Nach seiner Adoption durch Caesar und dem Tod seines Adoptivvaters sieht es Augustus, der damals nach seinem Vater noch C. Iulius Caesar hieß, als seine oberste Pflicht an, den Mord an seinem Vater zu rächen. Er verfolgt die Caesarmörder, führt Krieg gegen sie. Und schließlich steht er nach zahlreichen politischen und militärischen Auseinandersetzungen und der für ihn siegreichen Schlacht gegen Marc Anton und Kleopatra im Jahre 31 vor Christus als Alleinherrscher dar. In diesem Moment der Alleinherrschaft handelt Augustus unerwartet:

Er gibt in einer Sitzung des Senates im Jahre 27 vor Christus alle Macht an Senat und Volk zurück. Er selbst sagt darüber in seinem Tatenbericht: „In meinem sechsten und siebten Konsulat habe ich, nachdem ich die Flammen des Bürgerkrieges gelöscht hatte und mit der einmütigen Zustimmung der gesamten Bevölkerung in den Besitz der staatlichen Allgewalt gelangt war, das Gemeinwesen (res publica) aus meiner Machtbefugnis wieder der Ermessensfreiheit des Senates und des römischen Volkes überantwortet. Für dieses mein Verdienst wurde mir auf Beschluss des Senats der Name Augustus gegeben. Die Türpfosten meines Hauses wurden auf staatlichen Beschluss mit Lorbeer geschmückt, und ein Bürgerkranz wurde über meinem Tor angebracht. Ein goldener Schild wurde in der Curia Iulia (dem zentralen Versammlungsort am Forum Romanum im antiken Rom) aufgestellt, den mir der Senat und das römischen Volk geweiht haben wegen meiner Tapferkeit und Milde, meiner Gerechtigkeit und Hingabe, wie es die Aufschrift auf diesem Schild bezeugt. Seit dieser Zeit überrage ich alle übrigen an Autorität, an Amtsgewalt aber besaß ich nicht mehr als andere, die auch ich im Amt zu Kollegen hatte.“

libertas restituta? – Die Freiheit in der Kaiserzeit

Augustus war, so seine Selbstdarstellung, in das kollegiale System der römischen Republik eingebunden. Die Staatsform der römischen res publica, das römische Gemeinwesen, besteht also aus seiner Sicht in der Grundstruktur unverändert weiter. Er war aber gleichzeitig primus inter pares, Erster unter Gleichen, da er die anderen im Amt durch auctoritas überragte. Grundlage seiner Autorität sind seine Tugenden: virtus, clementia, iustitia und pietas. Neben der Tapferkeit, der Milde und der Gerechtigkeit war die pietas, das heißt die Frömmigkeit gegenüber den Göttern und Eltern, auf dem goldenen Schild verzeichnet. Allesamt Tugenden, die ihm erlaubten, den Staat nach den Wirren des Bürgerkrieges wiederherzustellen (res publica restituta). Augustus rühmt sich hier nicht separat der libertas restituta, der Wiederherstellung der politischen Freiheit. Lässt sich hieraus aber wiederum der Schluss ziehen, dass die libertas ab diesem Zeitpunkt keine Rolle mehr in der Selbstdarstellung der römischen Kaiser spielte?

Verschwindet das Konzept der libertas genau dann, als die politische Mitbestimmung in Rom mit der zunehmenden Einflussnahme der Kaiser nicht mehr in dem Maße ausgeübt werden kann wie in der Zeit der Republik? Mitnichten. Die libertas kommt wieder, und zwar in ihrer Bedeutung als Gegenkonzept zur Gewaltherrschaft.

Der historische Moment ist dabei genau jener, in dem das Konzept der Alleinherrschaft des Augustus, das der erste römische Kaiser in ein dynastisches System umwandelte, ins Wanken geriet. Mit dem gewaltsamen Tod des letzten Herrschers der iulisch-claudischen Dynastie, dem Tod Neros, stellt sich die Nachfolgefrage zum ersten Mal in einer wirklich bedrohlichen Form: Es fehlt ein designierter Nachfolger, und die verschiedenen Mitglieder der römischen Oberschicht beginnen, um die Macht zu ringen und zu kämpfen. Dieser Vorgang wird sich noch einige Male in der Geschichte der römischen Kaiserzeit wiederholen und im dritten Jahrhundert nach Christus fast zur Auflösung des Konzeptes des Principates führen. Im Jahre 68 nach Christus ist es aber noch nicht so weit. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich schlicht die Frage, wie man sich gegenüber der Herrschaft des Nero positioniert. Knüpft man an Nero an, oder überspringt man ihn und die anderen Nachfolger des Augustus und knüpft direkt an Augustus an?

Einer der letztlich erfolglosen Anwärter um die Macht, Galba, wählte eine vertraute Form. Er ließ Münzen mit der Darstellung der libertas publica prägen, die in der rechten Hand den schon bekannten pileus hält, in der linken ein Zepter. Galba setzt der Gewaltherrschaft des Nero also programmatisch die Freiheit entgegen.

Die Befreiung von einer Gewaltherrschaft ist im Verlauf der Kaiserzeit jedoch nicht die einzige Facette der libertas. Sie wird immer stärker mit dem Aspekt der Sicherheit, der securitas, verbunden. Im Vergleich zur späten Republik erlangt die libertas jedoch in der römischen Kaiserzeit nicht mehr die gleiche Bedeutung in der politischen Propaganda. Dies hängt letztlich auch damit zusammen, dass die politische Selbstdarstellung der Kaiser individuelle Tugenden der Herrscher in den Mittelpunkt stellt, Tugenden wie wir sie bereits von dem „Tugendschild“ des Augustus her kennen.

libertas und liberalitas – Freiheit und Freigiebigkeit

Eine dieser Tugenden, die durch das Volk geradezu vom Herrscher eingefordert wurde, ist die liberalitas, die Freigiebigkeit. An offiziellen Denkmälern wurde immer wieder dargestellt, wie ein Kaiser siegreich einen Feldzug beendet, dabei vorausschauend handelt und gerecht und milde mit den besiegten Gegnern umgeht. Zudem lässt er die Römer nach dem Triumphzug an der Beute teilhaben. So kommt es zu Szenen, in denen gerade die Verteilung von Geldgeschenken an die römischen Bürger gezeigt wird und der Kaiser direkt seine liberalitas zu erkennen gibt. Außer durch Geldgeschenke zeigte er seine Freigiebigkeit auch durch die Errichtung öffentlicher Bauten wie Bibliotheken und Thermen – oder die Veranstaltung von Spielen. Panem et circenses, Brot und Zirkusspiele, sind die griffigen Schlagworte, mit denen immer wieder in der modernen Literatur der Zustand des entpolitisierten römischen Volkes beschrieben wird, das seiner politischen Rechte und damit seiner politischen Freiheit beraubt ist. Es entsteht der Eindruck, als diene die liberalitas dazu, die Römer zu betäuben und den Verlust der Freiheit vergessen zu machen. Tatsächlich sind die Dinge, wie so häufig, sehr viel komplizierter.

Dies beginnt bereits bei dem Text aus dem das berühmte Zitat stammt. Es handelt sich um die Satiren des Juvenal. Dieser schreibt: „Längst schon, seitdem wir unsere Stimmen niemandem mehr verkaufen, hat es (das Volk) jedes Interesse von sich geworfen; denn einst verlieh es Befehlsgewalt, Rutenbündel, Legionen, alles sonst, jetzt hält es sich zurück und wünscht ängstlich nur zwei Dinge, Brot und Zirkusspiele (panem et circenses).“

Überträgt man diese Passage auf die ganze römische Kaiserzeit und versteht sie als Spiegel der fast alltäglichen Stimmung der Römer, müssen die Kaiser eine angstauslösende Gewaltherrschaft ausgeübt haben, bei der es des berühmten „Opium fürs Volk“ bedurfte. Politische Mitbestimmung im Sinne der römischen Republik existierte nicht mehr. Bezieht man jedoch den historischen Kontext mit ein, in dem die Textstelle zu sehen ist, erweist sich diese Schlussfolgerung als nicht uneingeschränkt auf die ganze Kaiserzeit übertragbar.

Das Zitat steht in Verbindung mit dem plötzlichen Sturz des Sejan, der zunächst vom römischen Kaiser Tiberius in hohe Ämter gehoben und mit großer Macht ausgestattet worden war und dann scheinbar unvermittelt durch Tiberius gestürzt wird. Sejan wird umgebracht, sein Leichnam geschändet und in den Tiber geworfen. Nach der Tat herrscht in Rom ein Klima von Denunziation, Verfolgung und Unsicherheit, in der das Volk seine Wünsche auf das unverfängliche Gebiet von panem et circenses lenkt. Die Verunsicherung dieser Zeit lässt noch eine andere Quelle erkennen. Cassius Dio beschreibt das Handeln und die Meinungen der ehemaligen Anhänger und Günstlinge des Sejan, die nun um ihr Leben fürchten. Sie würden im Hinblick auf die Machenschaften des Sejan davon ausgehen, dass der Kaiser „von den meisten Dingen ja die einen gar nicht gewusst, die anderen aber nur gegen seinen Willen und Zwang ausgeführt“ habe. „Nach außen hin taten sie (die ehemaligen Günstlinge und Gefolgsleute des Sejan), als sei man von einer Art Gewaltherrschaft befreit, und beschlossen, keinerlei Trauer über das Geschehene zu bezeugen, vielmehr ein Standbild der libertas auf dem Forum aufzurichten.“

libertas – Die Freiheit des Denkens

Libertas muss also wieder dafür herhalten, dass Ende einer Gewaltherrschaft zu markieren, wobei die Stifter der Statue die Gewaltherrschaft des Sejan meinten, sich aber eigentlich vor der des Kaisers Tiberius fürchteten. Die Statue der libertas setzt das Handeln des Tiberius jedoch plakativ in eine bis auf den älteren Brutus zurückgehende Reihe von Taten, die Rom von einer Königsherrschaft oder angestrebten Gewaltherrschaft befreit haben. Libertas ist den Römern der Republik und Kaiserzeit aber auch jenseits des politischen Raumes präsent. Sie gehört dabei gleichermaßen zur Welt der Gegensätze, des negotium, des geschäftigen Treibens in Rom, und des otium, der Muße in der Villa mit ihren Freiräumen für intellektuelle und kulturelle Beschäftigung. Besonders deutlich tritt dies in der Abhandlung des Quintilian zur „Ausbildung des Redners“ hervor. Quintilian diskutiert, wo der perfekte Ort für das Schreiben und Denken zu finden sei und wie er beschaffen sein müsse: „Doch kurz, um mit einem Wort das Wichtigste zu nennen: Dass die Abgeschiedenheit, die beim Diktieren verloren geht, und ein Ort, an dem es keine Kritiker gibt, und die tiefste Stille und Ruhe beim Schreiben am besten tun, das wird niemand bezweifeln. Dennoch aber sollte man deshalb nicht gleich auf solche hören, die Haine und Wälder hierfür am passendsten finden, weil der herrliche freie Himmel (caeli libertas) und die schöne Landschaft das Gemüt erhebt und den Flug des Geistes aufs Glücklichste bereichert.“ Auch wenn wir spätestens seit der Romantik die Natur unter freiem Himmel, anders als Quintilian, durchaus als passenden Ort für die Ruhe und Freiheit des Denkens ansehen, würden wir dann doch an einer Universität die Bibliotheken als die Orte bevorzugen, die als gigantische Labore der Wissenschaft das Nachdenken erlauben. Diese Orte der libertas bedürfen allerdings immer wieder auch einer großen liberalitas.