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Strom sparen im Haushalt

Ein unmögliches Unterfangen?

31.05.2007

Lampe

Lampe

Eine nachhaltige Energieversorgung ist nur möglich, wenn der Energieverbrauch massiv sinkt. Nur wenn Energie nicht weiterhin zum Schornstein, aus den Fenstern oder aus dem Auspuff gejagt wird, können erneuerbare Energien einen nennenswerten Anteil an der Energieversorgung übernehmen, könnenknappe Ressourcen eingespart und das Klima geschont werden.Deutschland ist leider noch auf keinem guten Weg. Zwar sank der gesamte Energieverbrauch zwischen 1990 und 2005 leicht, anders sieht es jedoch beim Strom aus: Hier stieg der Verbrauch im selben Zeitraum um rund 13 Prozent von 1.653 auf 1.875 Petajoule.

Stromverbrauch in Haushalten

Aus Umweltsicht ist Strom ein wichtiges Handlungsfeld. Bei der Erzeugung und Verteilung von Strom gehen bis zu zwei Drittel der eingesetzten Energie verloren – als Abwärme in den Kraftwerken oder Leitungsverlust in den Stromnetzen. Ein Petajoule (PJ), also eine Billiarde Joule, an Strom bedeutet daher etwa drei PJ eingesetzter Primärenergie – mit den entsprechenden Folgen für Klima und Ressourcen. Ein Sorgenkind sind die privaten Haushalte. Hier schießt der Stromverbrauch ungebremst nach oben und kletterte zwischen 1990 und 2005 um mehr als 20 Prozent. Damit sind die Haushalte mittlerweile der zweitgrößte Stromverbraucher nach der Industrie.

Haushalte sind auch eine schwierige Zielgruppe für Maßnahmen zur Stromeinsparung: Es fehlt ihnen sowohl an Informationen als auch an Motivation. Konkrete Einsparmöglichkeiten sind nur vage oder nicht bekannt. Der Stromverbrauch ist eine „unsichtbare“ Größe, denn Elektrizität wird nicht direkt konsumiert, sondern in unterschiedlichen Formen wie angenehmem Licht, arbeitssparenden Küchengeräten oder Unterhaltungselektronik verbraucht. Diese Gerätschaften sorgen  für Gemütlichkeit oder eine effiziente Alltagsorganisationund bereiten Spaß. Finanzielle Anreize zum Sparen gibt es dagegen kaum: Nichts informiert über Stromverbrauch und Kosten, wenn man das Licht oder die Musikanlage einschaltet. Im Vergleich zu übrigen Ausgaben sind die Stromkosten im Durchschnittshaushalt eher gering. Dass sich Investitionen in sparsame Geräte aber „rechnen“, ist oft nicht unmittelbar ersichtlich.

Rahmenbedingungen

Und es gibt einschränkende Rahmenbedingungen, auf die Haushalte nur wenig Einfluss haben: Ist ein Haushaltsgerät erst einmal angeschafft, bestimmt es den Stromverbrauch über viele Jahre. Gerätenutzung und Investitionsentscheidung liegen zudem oft nicht in einer Hand, etwa bei Heizungen, elektrischer Warmwasserbereitung oder Küchengeräten in Mietwohnungen. Die Mieter, die den Strom bezahlen müssen, haben keinen Einfluss auf die Wahl des Gerätes. Vermieter, die gern das billigste Gerät kaufen, bleiben von den Folgekosten unberührt.


Auf der Stromrechnung wiederzufinden: angenehmes Licht für Stunden
Foto: Pixelia

Strom sparen im Haushalt – Mission Impossible?

Trotzdem gibt es vielfältige Erfahrungen mit Instrumenten, Projekten und Kampagnen, die Stromeinsparung in privaten Haushalten zum Ziel hatten. Oft sind es durchaus Erfolgsgeschichten. Immer wieder berichten die Initiatoren der Projekte von messbaren Einsparungen. Und doch hatten diese Anstrengungen insgesamt nicht die gewünschte Wirkung, denn der Stromverbrauch der Haushalte steigt weiter. Mit Schwächen einzelner Maßnahmen allein ist dieses Scheitern nicht zu erklären. Vielmehr muss es strukturelle Gründe dafür geben. Diese Gründe aufzuklären und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, war das Ziel des Workshops „Strom sparen im Haushalt – Mission Impossible?“, veranstaltet von der Nachwuchsforschungsgruppe TIPS (Transformation and Innovation in Power Systems) im November 2006 in Berlin. TIPS ist eine interdisziplinäre Gruppe, in der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Politik- und Wirtschaftswissenschaft, Physik, Energietechnik und Energieökonomie zusammenarbeiten. Neben der Forschungsstelle für Umweltpolitik am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin sind das Öko-Institut in Freiburg, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Institut für Energie und Umwelt in Heidelberg (IFEU) vertreten. TIPS wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm „Sozial-Ökologische Forschung“ (SÖF) gefördert und hat das Ziel, die Bedingungen und Wirkungen technischer und sozialer Innovationen für ein zukunftsfähiges Elektrizitätssystem zu erkunden. Nach Fallstudien zu technischen Innovationen wie Mikro-Kraft-Wärme-Kopplung oder Kohlenstoffabscheidung thematisierte TIPS mit dem Workshop nun innovative Politikinstrumente und Verhaltensweisen.

Teilgenommen hatten Expertinnen und Experten aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, Energieagenturen, Beratungsbüros, Umweltorganisationen, Unternehmen und Verwaltung.

Tabelle Fischer
Tabelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB), eigene Berechnungen

Aktuelle Stromspar-Projekte

Ein wichtiger Baustein war eine Bestandsaufnahme aktueller Projekte und Kampagnen, die das Stromsparen in Haushalten fördern sollten. Neun Projekte, von verschiedenen Seiten initiiert, (siehe Tabelle), wurden vorgestellt und diskutiert – von bundesweiten Kampagnen bis zu Projekten in einer einzelnen Siedlung. Moderne Stromspar-Projekte setzen neben Informationen auch auf weitere Methoden der Verhaltensbeeinflussung. Sie lassen sich mit den Stichworten „Innovative Informationsstrategien“, „Methodenmix“, „Prozessbegleitung“ oder „Kooperation und Partizipation“ beschreiben. Innovative Informationsstrategien setzen Erkenntnisse der Psychologie und Kommunikationswissenschaften um. Eine Information kann ein Verhalten demnach dann beeinflussen, wenn sie den Empfängern praktisch und konkret sagt, was hinsichtlich eines bestimmten Problems zu tun ist. Idealerweise geht sie dabei auf deren besondere Situation ein. Viele Stromspar-Projekte nutzen daher die Entscheidungssituation in einem Haushalt, zum Beispiel, wenn ein neues Gerät angeschafft werden soll. Sie bieten Verbrauchs-Checks für Altgeräte, Produktempfehlungen sowie Informationen zu Einsparpotenzialen durch Neugeräte. Die Informationen können im Internet abgerufen werden; interaktive Elemente ermöglichen dabei ein Zuschneiden auf die spezifischen Bedürfnisse der Haushalte. Oder der Kunde wird von Verkäufern im Geschäft entsprechend beraten. Geht es um Einsparungen durch Verhaltensänderungen, so werden beispielsweise in Vorgesprächen interessante Themenfelder festgelegt, oder die Verbraucher können aus einer Liste auswählen, was ihnen für den eigenen Haushalt besonders geeignet erscheint. Das Wissen um Einsparpotenziale alleine ist aber nur ein Baustein bei der Verhaltensänderung. Hinzukommen müssen auch Handlungsmöglichkeiten, Motivation und die Überzeugung, durch sein Verhalten wirklich Einfluss auf den Energieverbrauch nehmen zu können. Deshalb verwenden viele Projekte einen Methodenmix. Beispielsweise setzen Wettbewerbe oder Gewinnspiele Anreize. Eine starke Motivation entsteht auch, wenn sich die Haushalte zu bestimmten Maßnahmen oder quantitativen Einsparungen selbst verpflichten. Einige Projekte setzen auch darauf, soziale Prozesse anzustoßen oder bestehende soziale Netze zu nutzen. In dem Fall werden Stromsparmaßnahmen beispielsweise in einem Verein oder einer Schulklasse geplant und umgesetzt, man tauscht sich mit den Nachbarn aus oder erlebt, dass Menschen aus dem eigenen Umfeld mit gutem Beispiel vorangehen.


Das Wissen um Einsparpotentziale alleine ist nur ein Baustein bei der Verhaltensänderung
Foto: Pixelia

Erfolge und Erfahrungen

Einige Projekte berücksichtigen, dass das Erlernen von Verhaltensänderungen ein langfristiger Prozess ist. Da eine einmalige Konfrontation mit einem Thema meist nicht ausreicht, wird die Zielgruppe über einen längeren Zeitraum begleitet, und sie erhält regelmäßig Informationen und Anreize zum Strom sparen. Mit kooperativen und partizipativen Ansätzen geben die Initiatoren einen Teil der Projektverwirklichung aus der Hand. Kooperative Ansätze beziehen Akteure ein, die das stromsparende Verhalten unterstützen können. Kooperiert wird beispielsweise mit dem Elektrohandel und Geräteherstellern, um Änderungen im Sortiment herbeizuführen, oder mit Medien und bekannten Persönlichkeiten, die das Vorhaben bekannt machen. Auch Wohnungsbaugesellschaften und Vermieter werden angesprochen, um Mieter zu beraten und ihnen eine gute Infrastruktur zu bieten. Wenn zur Kooperation die Partizipation kommt, haben auch die Verbraucher selbst die Möglichkeit, ihre Ziele und Bedürfnisse in das Stromspar-Projekt einzubringen. Die Erfahrung zeigt, dass die erzielten Einsparungen bei den meisten Projekten nicht direkt gemessen wurden – dennoch gibt es teilweise Hinweise auf Verhaltensänderungen oder einen Wissenszuwachs bei den Teilnehmern. Meist werden Erfolge jedoch eher an der Bekanntheit und Nutzung des Angebotes, an der Zufriedenheit der Teilnehmer oder der Medienresonanz festgemacht.


Strom sparen geht leicht, man muss nicht gleich die Sicherung entfernen.
Foto: Pixelia

Als Erfolgsfaktoren für einen Wissenszuwachs oder Verhaltensänderungen bei der Zielgruppe erweisen sich Kooperationen mit wichtigen Akteuren, ein persönlicher Kontakt zu den Adressaten sowie die Kombination von Information mit Selbstverpflichtung undAnreizen. Ebenso vielversprechend erscheint ein abgestuftes Vorgehen, das mit niedrigschwelligen Angeboten beginnt. Eine hohe Bekanntheit und Nutzung des Angebotes entsteht einerseits durch Medienarbeit, andererseits durch persönliche Ansprache der Zielgruppen. Für spezielle Gruppen, wie etwa Mieter mit Migrationshintergrund, müssen unter Umständen besondere Programmbausteine entwickelt werden. Auch zusätzliche Anreize, etwa ein Gewinnspiel, motivieren zur Nutzung. Schwierigkeiten zeichnen sich insbesondere dann ab, wenn ein Thema wenig bekannt ist (wie etwa der Stromverbrauch durch Heizungspumpen) oder wenn wichtige Kooperationspartner (etwa die Hersteller der Pumpen) schwer „ins Boot zu holen“ sind. Positive Rückmeldungen bei den Teilnehmern verzeichnen besonders Projekte, die bedarfsgerechte Angebote machen und große Partizipationsmöglichkeiten bieten. Die Medienresonanz schließlich kann nicht nur durch professionelle Medienarbeit gesteigert werden, sondern auch durch kreative öffentliche Aktionen, den Einsatz von Prominenten als Multiplikatoren oder eine intensive Nutzung elektronischer Medien.

Konkurrenz

Insgesamt erscheint es jedoch relativ schwierig, Verbraucher für das Thema Stromeinsparung zu interessieren – insbesondere in Konkurrenz zu den vielen Werbebotschaften und anderen Themen, die um die Aufmerksamkeit der Haushalte buhlen. Gruppen, Schulklassen oder Vereine scheinen dabei leichter erreichbar als Einzelpersonen. Dialogische Maßnahmen haben oft mehr Erfolg als Einweg-Kommunikation: Sie motivieren und ermöglichen eine individuelle Ansprache. Dabei sind Zielkonflikte zu beachten. So lässt sich beispielsweise eine Beratung persönlich gestalten, wenn die im Haushalt vorhandenen Gerätetypen bekannt sind. Es kann aber für die Haushalte schwierig sein, diese Informationen zu beschaffen – ein Motivationskiller. Ein ähnlicher Konflikt besteht zwischen persönlicher Ansprache und Reichweite: Eine persönliche Ansprache ist personell und finanziell so aufwändig, dass keine breiten Bevölkerungsschichten erreicht werden können. Viel zu selten findet auch eine Evaluation der Effektivität und Effizienz von Maßnahmen statt. Dabei wäre sie erforderlich, um aus dieser Erfahrung lernen zu können. Idealerweise sollten dabei tatsächliche Einsparungen, die Anschaffung effizienter Geräte oder nachweisbare Verhaltensänderungen untersucht werden. Aspekte wie Bekanntheit und Nutzung des Angebots, Zufriedenheit der Adressaten oder Medienresonanz können nur nachgeordnete Erfolgskriterien sein: Sie zeigen nicht notwendigerweise, dass das Ziel Stromeinsparung erreicht wurde.


Leerlauf vermeiden: einfach mal den Stecker raus!
Foto: fotolia, Nicholas Homrich

Möglichkeiten und Grenzen

Die Auswertung aller Projekte hat ein Potpourri von Möglichkeiten zur Verhaltensbeeinflussung bei Verbrauchern aufgezeigt, aber auch deren Grenzen: Endverbraucher haben nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten, da Gerätehersteller für die Effizienz der verfügbaren Geräte verantwortlich sind. Handel und Hersteller bewerben Geräte, wobei die Energieeffizienz normalerweise nicht im Mittelpunkt steht. Energieversorger gestalten Stromtarife und damit die Anreizstruktur. Die oft wenig detaillierte Stromrechnung informiert nicht genug über den Verbrauch, um für Einsparungen zu motivieren. Politische Entscheidungsträger entscheiden über Verbrauchsstandards und Labels und beeinflussen mittels Steuern und Abgaben die Strompreise.

Je nach Problemlage kann es daher sinnvoll sein, an anderer Stelle als dem Nutzerverhalten anzusetzen: Zum Beispiel ist die Vermeidung von Leerlaufverbrauch für Verbraucher oft aufwändig und wenig profitabel, während sich das Problem mittels Verbrauchsstandards leicht lösen ließe.

Schließlich stoßen die Projekte an Grenzen, da sie mit einem begrenzten Budget über einen begrenzten Zeitraum und für eine begrenzte Zielgruppe arbeiten. Effizienter kann es sein, durch politische Entscheidungen oder die Preisgestaltung Rahmenbedingungen beim Stromverbrauch zu verändern. Politische Schritte können aber nicht mit einem Handstreich vorgenommen werden, und Akteure wie Gerätehersteller, Handel oder Energieversorger können nicht ohne Weiteres motiviert werden, Maßnahmen zum Stromsparen in Haushalten zu unterstützen. Nach der Auswertung der Projekte wurde im Workshop und einer darauf aufbauenden Publikation deshalb das notwendige Zusammenspiel zwischen Maßnahmen für Verbraucher und der Gestaltung von Rahmenbedingungen untersucht, und wichtige Fragen diskutiert:

  • Welche Bedingungen müssen gegeben sein, um auch in Deutschland erfolgreiche politische Instrumente wie Energieeffizienz-Fonds oder Stromspar-Zertifikate einzuführen, die in anderen Ländern erfolgreich sind?
  • Welche Voraussetzungen sind nötig, damit die zeitlich und räumlich begrenzten Projekte für Verbraucher mehr Breitenwirkung entfalten können?
  • Wie müssen verschiedene politische Instrumente und Maßnahmen einander ergänzen, um einen maximalen Effekt zu erzielen?
  • Was lässt sich dagegen tun, dass Effizienzgewinne bei Geräten immer wieder von neuen Gewohnheiten, Lebensstiltrends und Entwicklungen wie der Informationsgesellschaft „aufgefressen“ werden?

Die Ergebnisse und Antworten werden voraussichtlich im Spätsommer 2007 in einem interdisziplinären Sammelband präsentiert. Es geht aber auch elektronisch: Auf der Website www.tips-project.de kann sich jeder über das Forschungsprogramm TIPS informieren und das Stromsparen im Haushalt zu einer Mission Possible machen.