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Das Experiment

Universitäre Theorie und unternehmerische Praxis

19.10.2006

Wenn man die Schalen des Rapses (oben) entfernt, kommen die Kerne (unten) zum Vorschein.

Wenn man die Schalen des Rapses (oben) entfernt, kommen die Kerne (unten) zum Vorschein.
Bildquelle: Wirthspr

Entrepreneurship lehren, und das bei Prof. Faltin – natürlich wollte ich auch selbst möglichst bald mein eigenes Unternehmen gründen. Es gab eine ganze Reihe von ersten Ideen. Nach einschlägigen Recherchen zeichnete sich eine davon als besonders viel versprechend ab.

An der Universität Essen hatten Wissenschaftler herausgefunden, dass mit dem Verfahren, die bittere Schale des Rapskerns zu entfernen, ein wohlschmeckendes Öl gewonnen werden kann. Die wertvollen Eigenschaften des Rapsöls waren seit langem bekannt, und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ausdrücklich den Verzehr von Rapsöl. Der Grund: 60 Prozent einfach ungesättigte Fettsäuren sowie der hohe Gehalt an Vitamin E und den mehrfach ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Nach der Erfindung, das Öl auch schmackhaft zu machen, so schien mir, könnte man dem Rapsöl zu einem neuen, ökonomischen Leben verhelfen. Wenn man dieses Öl in einer Großpackung abfüllte und direkt zum Verbraucher brächte, statt es in kleinen Packungen teuer über den Ladenverkauf an den Mann zu bringen – müsste das nicht die Verbraucher überzeugen, Rapskernöl bei mir via Versand zu bestellen? Das Modell der Teekampagne also auf Rapsöl übertragen? Meine Kalkulationen zeigten, dass ich eine hohe Qualität wie kalt gepresstes Öl in Bioqualität fast zum halben Preis anbieten konnte wie sonst üblich.

Eine eigene Webseite musste erstellt werden. Die tägliche Verwaltung meines kleinen Unternehmens aber wollte ich nicht übernehmen. Bestellungen über das Internet werden auf das Bestellsystem der Projektwerkstatt GmbH geleitet und dort verarbeitet. Telefonische Bestellungen nimmt das Büro bei der eBuero AG entgegen. Das Abfüllen des Rapskernöls in die 3-Liter-Bag-in-Box-Verpackung geschieht in Hamburg bei einem professionellen Verpacker, der auch die Bestellungen versandfertig macht und dem Paketdienst der Post übergibt. Diese Art von hoch arbeitsteiligem Vorgehen hat ganz entscheidende Vorteile: Obwohl meine Firma im Moment noch verhältnismäßig kleine Umsätze macht, arbeite ich mit der Technik und damit der Effizienz der „Großen“.

Ich kann also ohne eigene große Investitionen in der Klasse der etablierten Firmen mitspielen – effizient, professionell und zu Kosten, die weit unter denen liegen, die anfielen, würde ich selbst diese Tätigkeiten übernehmen. Kosten fallen immer nur dann an, wenn eine Bestellung verarbeitet wird. Mein Risiko, an hohen Fixkosten bei zu wenigen Bestellungen zu scheitern, ist damit sehr gering. Vor allem aber habe ich den Kopf frei für die wirklichen Leitungsfunktionen, etwa die laufende Kontrolle und Überarbeitung meines Konzepts oder Kontakte zu den Medien.

Im August 2005 gegründet, wurden bis heute 10 Tonnen Rapskernöl verkauft. Auf Grund der geringen Fixkosten erreichte mein Unternehmen schon nach drei Wochen den Break-even-Point.

Die meisten Gründungsberater hatten mir eine Arbeitsbelastung von bis zu 14 Stunden pro Tag vorhergesagt. Die Realität sieht jedoch wesentlich freundlicher aus: Mehr als eine halbe Stunde pro Tag ist es nicht, was Routinetätigkeiten angeht. Dafür bleibt noch Zeit für andere wichtige Dinge: Praxisbezogene Lehrveranstaltungen zu Entrepreneurship halten, damit möglichst viele Studierende erkennen, dass Entrepreneurship heute unter ganz anderen Bedingungen angegangen werden kann, als in so manchen Lehrbüchern steht – und die nächste Unternehmensgründung steht schließlich in Gedanken auch schon an.