Springe direkt zu Inhalt

Gilgamesch

Archäologie einer unsterblichen Gestalt

„Gilgamesch – Archäologie einer unsterblichen Gestalt“ war der Name einer Ausstellung, die im Frühsommer 2005 mit großem Erfolg in der Berliner Urania präsentiert wurde. Konzipiert, organisiert und praktisch umgesetzt wurde sie von Studierenden des Instituts für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität. Prof. Dominik Bonatz, der Leiter des Instituts, unterstützte sie, ließ ihnen aber bei der Gestaltung weit gehend freie Hand.

Mit George Smith fing es an. Er stellte im Dezember des Jahres 1872 ein Tontafelfragment vor, das zuvor von Ausgräbern in Ninive gefunden worden war, der neuassyrischen Hauptstadt, die schon im alten Testament genannt wird (im heutigen Irak). Angeregt durch diesen Fund wurde die Forschung intensiviert. Schon bald fand man an vielen verschiedenen Orten des Orients zahllose Tafeln mit Wirtschaftstexten, privaten und offiziellen Briefen, Verträgen und Urkunden. Darunter waren aber auch Lieder, Hymnen und Epen. Allmählich begriffen die Forscher, dass sie es hier mit den ältesten Schriftzeugnissen der Welt zu tun hatten – mit einem Alter von über 5.000 Jahren.

Der Fund einer Tafel mit der altbabylonischen Fassung der Sintfluterzählung erregte Aufsehen. Sie stammte aus dem 18. vorchristlichen Jahrhundert und war so älter als die alttestamentarische Fassung. Immer mehr Fragmente wurden an verschiedenen Orten des Vorderen Orients entdeckt. Schließlich konnte man ein aus zwölf Tafeln bestehendes Werk zusammensetzen: das Gilgamesch-Epos.

Urbild der eigenen Erfahrung

Die Handlung des Epos beginnt in Uruk (im heutigen Irak), der Heimatstadt des jugendlichen Halbgottes und Königs Gilgamesch. Er regiert tyrannisch über seine Untertanen, und deren Klage erreicht alsbald das Ohr der Götter. Um dem Land und der Bevölkerung Ruhe zu verschaffen, beschließen die Götter, einen ebenbürtigen Gefährten für Gilgamesch zu finden. Sie erschaffen Enkidu, der unter den Tieren in der Wildnis aufwächst. Als Gilgamesch von dessen Existenz erfährt lässt er ihn nach Uruk bringen, wo die beiden Helden sogleich ihre Kräfte messen. Doch sie müssen bald feststellen, dass keiner von beiden die Oberhand gewinnen kann; also beschließen sie, Freunde zu werden.


"Immer mehr Fragmente wurden an verschiedenen Orten des Vorderen Orients entdeckt. Schließlich konnte man ein aus zwölf Tafeln bestehendes Werk zusammensetzen: das Gilgamesch-Epos."

Gemeinsam ziehen sie aus, und besiegen im fernen Zedernwald den mächtigen Dämon Humbaba, bald darauf bezwingen sie sogar den gewaltigen Himmelsstier, der von Ischtar, der Kriegs- und Liebesgöttin, gegen sie ausgesandt wurde. Dies erzürnt die Gemeinschaft der Götter erneut, und sie verurteilen Enkidu zu schwerer Krankheit und schließlich zum Tode.

In tiefer Trauer über den Verlust seines Freundes und in der Angst vor dem eigenen Tod, macht sich Gilgamesch allein auf die Suche nach der Unsterblichkeit. Unter Mühen reist er in die entferntesten Winkel der Welt, nur um schließlich zu erfahren, dass Unsterblichkeit allein den Göttern vorbehalten ist. An Erfahrung reicher kehrt er schließlich nach Uruk zurück, um fortan weiser über sein Land zu herrschen – und das Leben eines Menschen zu leben.

Unsterblichkeit hat Gilgamesch dennoch erlangt. Noch nach 4.000 Jahren ist sein Epos unvergessen. In der Frage um Leben und Tod, dem Zerwürfnis mit der Natur und der existenziellen Einsicht, Mensch zu sein, tritt der Stoff des Epos auch dem heutigen Leser nahe. Gilgamesch erscheint wie ein Urbild der eigenen Erfahrungen und Ängste. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass dieses Werk eine Inspirationsquelle für viele Literaten und Künstler des 20. Jahrhunderts war. Es schaffte sogar den Schritt in die Populärkultur und wurde in einer Folge der Science-Fiction-Serie „Star Trek: The Next Generation“ neu erzählt und interpretiert.