Springe direkt zu Inhalt

Gut ausgewählt und richtig dosiert

Seit fünf Jahren arbeiten Pharmazeuten und Mathematiker im strukturierten Doktorandenprogramm „PharMetrX“ an individuellen Empfehlungen für die Medikamentengabe.

27.01.2014

Welches Medikament wirkt bei wem wie? Dazu forschen seit fünf Jahren Wissenschaftler und Doktoranden der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam im Programm "PharMetrX".

Welches Medikament wirkt bei wem wie? Dazu forschen seit fünf Jahren Wissenschaftler und Doktoranden der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam im Programm "PharMetrX".
Bildquelle: Andreas Franke / Fotolia.com

Forschen zu maßgeschneiderten Medikamenten: Professorin Charlotte Kloft und PharMetrX-Absolvent André Schäftlein.

Forschen zu maßgeschneiderten Medikamenten: Professorin Charlotte Kloft und PharMetrX-Absolvent André Schäftlein.
Bildquelle: Bianca Schröder

Zwei Patienten leiden nach einer Bypass-Operation an einer Infektion im Brustkorbbereich, beiden verschreibt der Arzt dasselbe Medikament. Bei dem einen wirkt es, beim anderen nicht. War das vorhersehbar? An der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam arbeiten Pharmazeuten und Mathematiker gemeinsam an Arzneimittel-Empfehlungen, die besser auf den einzelnen Patienten oder Patientengruppen zugeschnitten sind.

Sie entwickeln in dem Doktorandenprogramm „PharMetrX: Pharmacometrics & Computational Disease Modeling“ mathematische Modelle für Krankheitsverläufe, in denen Faktoren wie Alter, Geschlecht und der individuelle Stoffwechsel berücksichtigt werden. In diesem Jahr feiert das Programm fünften Geburtstag, die ersten Absolventen sind mittlerweile in der universitären und industriellen Forschung erfolgreich.

Längeres Leiden und hohe Kosten: Wenn Medikamente schlecht ausgewählt oder falsch dosiert sind, hat das Folgen für den Patienten und das Gesundheitssystem. Für die meisten neu entwickelten Arzneimittel verlangen die Zulassungsbehörden deshalb Ergebnisse sogenannter Modellierungsarbeiten, die Krankheitsverläufe und Medikamentenwirkungen am Computer simulieren und vorhersagen.

„Im Moment findet ein Paradigmenwechsel statt. Es wird intensiver analysiert, welche Patientengruppen von einem Medikament profitieren“, erläutert Charlotte Kloft, Professorin und Leiterin der Abteilung Klinische Pharmazie und Biochemie am Institut für Pharmazie der Freien Universität. „Unser Ziel ist es, ein grundlegendes Verständnis über die zugrundeliegenden Mechanismen der Wechselwirkungen zwischen Medikament und Patient zu erlangen und diese in komplexen mathematischen Modellen abzubilden. Das wird in Zukunft sicherlich dazu führen, dass die Beipackzettel immer häufiger differenzierte Empfehlungen enthalten." Charlotte Kloft von der Freien Universität und Mathematikprofessor Wilhelm Huisinga von der Universität Potsdam sind Sprecher des strukturierten Doktorandenprogramms.

Starke Partnerschaften

„PharMetrX“ sei eine einmalige Chance, sich in dem spannenden Gebiet der Pharmakometrie wissenschaftlich weiterzuqualifizieren, sagt Absolvent André Schäftlein. Eine besondere Stärke liege in der Partnerschaft mit der Industrie: Sechs namhafte Arzneimittelhersteller unterstützen das Programm als Kooperationspartner. Jeder Doktorand bekommt einen Mentor von einem der Kooperationspartner an die Seite gestellt. „Ich habe bei dem Pharmaunternehmen Abbott, heute AbbVie, viele nützliche Einblicke gewonnen, mit meinem Mentor stand ich in lebhaftem Austausch“, sagt Schäftlein.

Als bereichernd empfand der Pharmazeut auch die Zusammenarbeit mit seinen Kommilitonen aus den Fachbereichen Mathematik und Bioinformatik. „Am Anfang war es gar nicht so einfach, sich zu verständigen, da wir bestimmte Begriffe ganz anders verwendet haben. Aber gerade durch unsere unterschiedliche Ausbildung haben wir sehr voneinander profitiert.“ Seine Dissertation schrieb Schäftlein über den rationaleren Einsatz von Antiinfektiva bei Patienten, die aufgrund einer Grunderkrankung wie Mukoviszidose oder Diabetes ein erhöhtes Infektionsrisiko haben. Seit April forscht er als Postdoktorand an der Universität des Saarlandes.

Interdisziplinäres Arbeiten

Für seine Kommilitonin Valerie Nock hingegen war klar, dass sie nach Pharmaziestudium und Promotion bei einem Pharma-Unternehmen arbeiten wollte. Auf ihren Berufseinstieg bei Boehringer Ingelheim fühlte sie sich gut vorbereitet – dank ihres in „PharMetrX" erworbenen Fachwissens und eines Praktikums bei Sanofi. Dieses gehörte zu dem für „PharMetrX" entwickelten Modulcurriculum.

Auch die Erfahrungen des interdisziplinären Arbeitens im Doktorandenprogramm hätten sich als ausgesprochen nützlich erwiesen, sagt Nock: „Ich arbeitete jetzt in einem Team mit Kollegen aus Pharmakometrie, Medizin, Statistik und manchmal auch Marketing und Market Access. Da ist es eine große Herausforderung, eine gemeinsame Sprache zu finden.“ Weil die Pharmakometrie ein noch junges Fachgebiet ist, muss Nock immer wieder erklären, wie sie mithilfe mathematischer Modelle den Einsatz von Arzneimitteln verbessern will.

Doktorandenprogramm mit Berufsperspektive

In den Management-Etagen der Pharma-Unternehmen haben sich die Qualität dieser Nachwuchsförderung und die Bedeutung der Forschung in Pharmakometrie schon herumgesprochen. Mit rund 1,6 Millionen Euro haben die beteiligten Unternehmen das Doktorandenprogramm „PharMetrX“ bislang gefördert. Vier bis acht Doktoranden werden jedes Jahr zugelassen. Künftig wollen Charlotte Kloft und Wilhelm Huisinga einen individuell zugeschnittenen Entwicklungsplan für jeden Doktoranden erstellen und das Programm mit internationalen Initiativen zur Nachwuchsförderung verknüpfen.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Charlotte Kloft, Freie Universität Berlin, Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie, Institut für Pharmazie, Tel.: +49 30 838 50676, E-Mail: charlotte.kloft@fu-berlin.de