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Religion und Moral

Małgorzata Rajtar forscht an der Arbeitsstelle Medizinethnologie zur religiös begründeten Verweigerung von Zeugen Jehovas, Bluttransfusionen anzunehmen

29.05.2013

Małgorzata Rajtar forscht zum Thema "Religion und Moral". Die Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung ist noch bis zum Ende des Sommersemesters an der Freien Universität.

Małgorzata Rajtar forscht zum Thema "Religion und Moral". Die Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung ist noch bis zum Ende des Sommersemesters an der Freien Universität.
Bildquelle: Susanne Rothmund

Für andere Völker und Religionsgemeinschaften interessiert sich die in Danzig geborene Ethnologin Małgorzata Rajtar schon lange. So war es nur konsequent, dass sie ein Ethnologiestudium aufnahm, in Warschau, wo sie 2006 auch promoviert wurde. Ihre Magisterarbeit schrieb Rajtar über Teufelsvorstellungen in polnischen Dörfern. Sie interviewte hierfür Bewohnerinnen und Bewohner, die den Gerüchten zufolge vom Teufel besessen waren oder denen man magische Kräfte zuschrieb. „Viele Ansichten der ländlichen Bevölkerung über den Teufel haben sich seit dem 19. Jahrhundert kaum verändert“, sagt sie. Die Dorfbewohner nahmen sie herzlich auf und ließen sie sogar in ihren Bauernhäusern übernachten: „Alle waren sehr offen, das hätte ich in der Stadt nicht erlebt. Und für die Dorfbewohner war es auch spannend, befragt zu werden“, sagt die Ethnologin. Seit dieser Feldforschung ist sie dem Thema „Religion und Moral“ treu geblieben.

Ihre Dissertation verfasste sie über das Verständnis und die Auslegung der zehn Gebote auf dem Land. Erneut zog es sie für die Feldforschung in die polnischen Dorfgemeinschaften. Nach ihrer Promotion arbeitete Małgorzata Rajtar auf einer Postdoc-Stelle am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Religion und Moral in Ostdeutschland“ führte sie Interviews in Sachsen. Besonders ein Interview mit einer Frau in Chemnitz blieb ihr in Erinnerung, was für ihre jetzige Forschung folgenreich war.

Mit einem Alexander-von-Humboldt-Stipendium an der Arbeitsstelle Medizinethnologie der Freien Universität Berlin arbeitet die 36-Jährige an einem in den Sozialwissenschaften wenig erforschten und zugleich heiklen Thema: die religiös begründete Verweigerung von Zeugen Jehovas, Bluttransfusionen anzunehmen. Zu diesem Thema hat sie das Interview mit der Chemnitzerin gebracht, die zu DDR-Zeiten auf einer Operation ohne Bluttransfusion bestanden hatte.

Noch heute ist es ein schwieriges Thema, das – ähnlich dem der Beschneidung – Religion, Politik, Recht und Kultur berührt. „Denn des Leibes Leben ist im Blut“ heißt es in der Bibel, drittes Buch Mose, Kapitel 17, Vers 11. Diese und ähnliche Bibelstellen interpretiert die Glaubensgemeinschaft als ein durch Gott ausgesprochenes Verbot, Blutspenden anzunehmen. Eine Haltung, die die Patienten in Lebensgefahr und die Ärzte in ein Dilemma bringen kann. Derzeit zählen die Zeugen Jehovas in Deutschland mehr als 160 000 Mitglieder, ohne ihre Patientenverfügung verlassen sie nicht das Haus.

Seit 2010 ist Małgorzata Rajtar – inzwischen als Assistenzprofessorin an der Universität – zurück in ihrer Geburtsstadt Danzig. Dort unterrichtet sie an dem neu gegründeten Institut für Ethnologie Bachelor-Erstsemester. Die Studierenden seien sehr engagiert, sagt die Ethnologin. Für ihren derzeitigen Forschungsaufenthalt an der Freien Universität bis Ende des Sommersemesters wurde Małgorzata Rajtar an der Universität Danzig beurlaubt.

Weitere Informationen

Dr. Małgorzata Rajtar, Freie Universität Berlin, Institut für Ethnologie, Tel.: (030) 838-59247, E-Mail: mrajtar@yahoo.com