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Forscher auf Höhenflug

Wissenschaftler der Freien Universität untersuchen Schwebepartikel in der Atmosphäre und entwickeln Messverfahren

29.09.2011

Auch in der scheinbar klaren Luft im Berliner Umland lassen sich Schwebepartikel wie Pollen, STaub oder Ruß nachweisen.

Auch in der scheinbar klaren Luft im Berliner Umland lassen sich Schwebepartikel wie Pollen, Staub oder Ruß nachweisen.
Bildquelle: Melanie Hansen

Er ist 68 Jahre alt, sie 28. Seit mehr als 20 Jahren gehen sie für die Wissenschaft gemeinsam in die Luft: der Meteorologe Carsten Lindemann und die Cessna 207 Turbo. Mit dem Flugzeug „Airborne Research Platform“ sind Lindemann und die Forscher vom Institut für Weltraumwissenschaften der Freien Universität in bis zu 6000 Metern Höhe unterwegs. Eine ihrer Missionen: Die Erforschung winziger Schwebepartikel in der Atmosphäre, die zu den wichtigsten Faktoren des Klimawandels zählen.

Carsten Lindemann ist im Dienst der Wissenschaft unterwegs. Der Meteorologe steuert das Forschungsflugzeug des Instituts für Weltraumwissenschaften der Freien Universität. Die Cessna 207 ist mit Messgeräten zur Untersuchung der Atmosphäre sowie zur Fernerkundung von Land- und Wasseroberflächen ausgestattet. Eigentlich hat die Cessna Platz für acht Personen, doch fünf Sitze sind ausgebaut und durch Gerätschaften ersetzt: mehr als 300 Kilogramm technisches Equipment hat das Flugzeug an Bord, und das braucht seinen Platz. Egal ob Kohlendioxid, Ozon oder winzige in der Luft schwebende Teilchen, sogenannte Aerosole – den Instrumenten entgehen nicht die kleinsten Partikel oder Gaskonzentrationen. Pollen, Staub, Ruß und Nebel sind auch in der scheinbar saubersten Atmosphäre vorhanden. Sie entstehen bei natürlichen Prozessen wie Waldbränden, können aber auch durch den Menschen verursacht sein, etwa durch Autoabgase oder Industrieschmutz.

Sichtbar werden diese Aerosole jedoch erst bei „dicker Luft“: ab einer Konzentration von einer Million Teilchen pro Kubikzentimeter. Als der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im April 2010 den europäischen Flugverkehr lahmlegte, trübten die Aerosole als Aschewolke deutlich erkennbar die Luft. Das Forschungsflugzeug der Freien Universität Berlin war eines der wenigen, das bereits kurze Zeit nach dem Vulkanausbruch wieder in den Berliner Himmel aufstieg – um den Aerosolgehalt in der Atmosphäre zu messen.

Doch für was sind diese Messungen gut – abgesehen von der Warnung des Flugverkehrs vor Vulkanasche? „Die kleinen Partikel haben großen Einfluss auf das Klima“, sagt Professor Jürgen Fischer. „Mit unseren Messungen wollen wir diese Auswirkungen genauer bestimmen.“ Denn Aerosole können je nach ihren optischen Eigenschaften einen abkühlenden, aber auch erwärmenden Einfluss auf das Klima haben: je nachdem ob sie die Sonneneinstrahlung – wie ein aufgespannter Sonnenschirm – verringern oder die Sonnenenergie wie ein Schwamm aufsaugen, um sie anschließend in Wärme umgewandelt wieder an die Luft abzugeben. 

Das Institut für Weltraumwissenschaften ist nicht nur ein Wissenschafts-, sondern auch ein Entwicklungsbetrieb. Die Geräte Marke Freie Universität Berlin kommen auch außerhalb der eigenen Hochschule zum Einsatz: Auf dem größten Forschungsschiff Deutschlands, dem Eisbrecher Polarstern, wurden mithilfe der Dahlemer Messinstrumente Aerosolverteilungen maritimer Luftmassen von Bremerhaven bis nach Costa Rica gemessen. Bevor die Instrumente bei so großen Messkampagnen eingesetzt werden können, müssen sie erst mehrere Tauglichkeitstests an Bord der Cessna bestehen. Das gilt auch für Instrumente, die später in Satelliten ihren Dienst tun werden.

Vor ihrem Einsatz als fliegende Forschungsstation war die Cessna ein reines Privatflugzeug. Der Astronaut und Gründungsdirektor des Instituts für Weltraumwissenschaften der Freien Universität, Professor Reinhard Furrer, hatte das Flugzeug 1988 einem Farmer in den USA abgekauft – um es umzurüsten und in Berlin als  Forschungsflugzeug zu nutzen.

Furrer, der drei Jahre zuvor mit der Raumfähre „Challenger“ ins Weltall abgehoben war, ließ es sich nicht nehmen, die Cessna persönlich die knapp 8000 Kilometer von den USA nach Berlin zu fliegen – mit einigen Zusatztanks und Zwischenlandungen in Neufundland, Grönland und Island. „Furrer ist oft an die Grenzen des Möglichen gegangen“, kommentiert Professor Fischer die fliegerisch anspruchsvolle Aktion. Er hat jahrelang am Institut gemeinsam mit dem Astronauten geforscht. Professor Furrer kam 1995 im Alter von 54 Jahren beim Absturz mit einem historischen Flugzeug ums Leben.

Das Kennzeichen des Forschungsflugzeugs erinnert an den verstorbenen Wissenschaftler: D-EAFU ist auf der Unterseite des linken Flügels zu lesen. „Das FU am Ende steht sowohl für die Freie Universität als auch für Furrer“, sagt Carsten Lindemann.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Jürgen Fischer, Institut für Weltraumwissenschaften der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-56663, E-Mail: juergen.fischer@wew.fu-berlin.de