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Mit Diamanten Erdbeben erforschen

Hauke Marquardt erhält den Deutschen Studienpreis 2010 im Bereich Natur- und Technikwissenschaften

28.08.2010

Hauke Marquart simulierte den tiefen Erdmantel im Labor, um Erdbeben weiter zu erforschen.

Hauke Marquart simulierte den tiefen Erdmantel im Labor, um Erdbeben weiter zu erforschen.
Bildquelle: Sabrina Wendling

Zittrige Hände kann sich Hauke Marquardt nicht leisten. Mit einer Pinzette legt er Rubine und einen Kristall auf eine Diamantspitze. Vorsichtig platziert er unter dem Mikroskop einen winzigen Metallring darum. Hauke Marquardt hat sich das Fingerspitzengefühl eines Juweliers antrainiert, eigentlich ist er aber Geowissenschaftler.

Mit einigem Geschick simulierte der 30-Jährige für seine Promotionsarbeit an der Freien Universität den tiefen Erdmantel im Labor – die Schicht, die den Erdkern umgibt. Seine Forschungsergebnisse lassen Rückschlüsse auf die Ausbreitung von Erdbebenwellen zu und auf die weitgehend unbekannte Temperaturbestimmung im tiefen Erdmantel. Von der Körber-Stiftung wird er dafür mit dem Deutschen Studienpreis 2010 im Bereich Natur- und Technikwissenschaften ausgezeichnet.

In seinem Labor am GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam arbeitete Marquardt buchstäblich unter Hochdruck: Der untere Erdmantel befindet sich zwischen 660 und 2900 Kilometern tief unter der Erdoberfläche, in der Mitte des Mantels herrscht ein Druck von etwa 800.000 bar. „Das entspricht dem Druck, den man verspüren würde, wenn man den Eiffelturm auf der Fingerspitze balancieren könnte“, sagt Marquardt. Bis in diese Tiefe hinein reichen auch die tektonischen Platten, deren Bewegungen Auslöser für viele Erdbeben sind.

Um den Erdmantel zu simulieren, musste das darin enthaltene Mineral Ferroperiklas synthetisch hergestellt werden. Denn bis in den unteren Erdmantel hinein hat kein Mensch je gebohrt: „Die tiefsten Bohrungen, die bisher durchgeführt wurden, liegen bei etwa zwölf Kilometern“, sagt Marquardt.

Den Kristall unter Druck gesetzt hat Marquardt mit zwei spitz geschliffenen Diamanten. Auf eine dieser Diamantspitzen legte er mit einer Nadel den winzigen Ferroperiklas-Kristall. Damit ihn die scharfen Spitzen nicht einfach zerdrücken, wurde der Kristall mit einem Metallring eingefasst. Als Drucksensoren dienten Rubine, die mit in den Ring eingesetzt wurden.

Mit dem Druck ändern Schallwellen ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit. Wie in jedem Festkörper gibt es auch in Kristallen Schallwellen, denn sie bestehen aus Atomen. Die Atome sind ständig in Bewegung und lösen damit die Wellen aus. „Schallwellengeschwindigkeiten von Mineralen sind für Geowissenschaftler von besonderem Interesse, weil sie sich mit der Geschwindigkeit von Erdbebenwellen vergleichen lassen“, sagt Marquardt.

Der Wissenschaftler untersuchte auch die atomare Struktur des Kristalls. Er fand heraus, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Erdbebenwellen sich ändert, je nachdem wie die Atome zueinander angeordnet sind. Außerdem erkannte er, dass es eine bevorzugte räumliche Ausrichtung der Kristalle im unteren Erdmantel gibt. Diese Ausrichtung der Minerale wiederum beeinflusst den Verlauf von Erdbebenwellen.

Marquardts Daten bilden eine Grundlage, die Bewegungen der Erdbeben-Schallwellen besser zu verstehen und damit eines Tages vielleicht auch Erdbeben genauer vorherzusagen zu können. Außerdem zeigen die Ergebnisse einen unerwarteten Zusammenhang zwischen der Temperatur, die im tiefen Erdmantel herrscht, und der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Erdbebenwellen: „Daraus könnte konzeptionell eine Art Thermometer für den unteren Erdmantel werden, dazu bedarf es aber noch umfangreicher Labordaten und genauer Erdbebenaufzeichnungen.“

Weitere Informationen

Hauke Marquardt
Tel.: (0331) 288-1894
Fax: (0331) 288-1402
E-Mail: hauke.marquardt@gfz-potsdam.de