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Verführerische Bilder

Islamische und christliche Kunst im Vergleich

28.08.2010

Die Kunsthistorikerin Vera Beyer leitet die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Kosmos/Ornatus. Ornamente in Persien und Frankreich um 1400 im Vergleich“.

Die Kunsthistorikerin Vera Beyer leitet die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Kosmos/Ornatus. Ornamente in Persien und Frankreich um 1400 im Vergleich“.
Bildquelle: Steffen Jänicke

„Du sollst dir kein Gottesbild machen“, heißt es im zweiten Gebot der hebräischen Bibel. Dahinter steckt die Sorge, dass die Verehrung, die die Menschen allein für Gott empfinden sollen, auf sein sicht- und greifbares Abbild überspringen könnte.

Auch die Darstellung des Propheten Mohammed war in der islamischen Rechtsprechung umstritten. Die bebilderte Realität sah aber oft anders aus. Bilder haben den Menschen seit ältester Zeit in seiner kulturellen Entwicklung begleitet und ihm die Möglichkeit gegeben, flüchtig existente Ereignisse festzuhalten oder individuell Wahrgenommenes zu interpretieren.

Schon früh wurden biblische Erzählungen illustriert: auf römischen Sarkophagen, in Synagogen, Kirchen und Büchern, als Skulpturen, Fresken und Malerei. In der sakralen Kunst des Islam war zwar die Abbildung von Mensch und Tier eher selten, in Palästen und anderen repräsentativen Bauten konnte von einer Bilderabstinenz aber oft keine Rede sein. 

„Auch die strengsten Monotheismen, also Religionen, die nur einen Gott anerkennen, konnten an der Attraktivität von Bildern offensichtlich nichts ändern, weder der jüdische Glaube, noch der christliche oder der islamische“, sagt Vera Beyer. Die 34jährige, die mit dem wissenschaftlichen Nachwuchspreis des Regierenden Bürgermeisters 2009 ausgezeichnet wurde, leitet am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Emmy Noether-Nachwuchsgruppe. Seit zwei Jahren untersuchen die Wissenschaftler christliche und islamische Kunst des späten Mittelalters.

Christentum und Islam bezogen sich nicht nur gemeinsam auf das Alte Testament - Muslime und Christen pflegten vom mittleren Osten bis nach Spanien auch enge nachbarschaftliche, politische und kommerzielle Kontakte. Diese Beziehungen spiegeln sich auch in den christlichen und islamischen Bildkulturen wider, die sich im Kontakt und in der Auseinandersetzung miteinander entwickelten.

„Es wird immer wieder der Unterschied angeführt, dass die christlich-europäische Malerei bilderfreundlich und figurativ und die islamische Kunst bilderfeindlich und deshalb ornamental sei. Dieser Gegensatz stimmt so nicht“, sagt Vera Beyer, die zugleich die Gemeinsamkeiten beider Kulturen im wissenschaftlichen Visier hat.

So wurden Bilder - mit und ohne göttlichen Bezug - in beiden Kulturen zum Geschichtenerzählen verwendet. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Josef und Potifars Frau, im islamischen Kontext Suleika genannt. Sie wurde sowohl in der christlichen als auch in der islamischen Kultur schriftlich wie bildlich aufgegriffen und weitererzählt.

Bei der Bildanalyse fragt die Forschergruppe danach, ob die persische Figurendarstellung, die insgesamt weniger plastisch gewesen ist, fehlendem handwerklichen Können geschuldet ist oder ob stattdessen eine spirituelle Qualität von Schönheit vermittelt werden sollte. „Unserer Ansicht nach ist ein Bild nicht defizitär, nur weil es keine räumliche Perspektive hat - ein Qualitätskriterium, das seit 500 Jahren in der christlich-europäischen Kunsttradition favorisiert wird. Es wird eben mehr Wert auf geistige Dimensionen von Schönheit gelegt“, sagt Vera Beyer.

Viele Kunstobjekte sind durch verschiedene Regionen und Religionen gewandert und im Laufe der Zeit verändert worden. Spannender als die Frage nach dem Ursprung findet die Kunsthistorikerin die Rekonstruktion von Veränderungsprozessen, die wechselseitige Interaktion von Kulturen. Bilder seien dafür ideale Untersuchungsobjekte. Schließlich kann man die Verführung von Menschen durch Bilder – ungehindert des zweiten Gebots - bis in die heutige digitale Welt beobachten.

Weitere Informationen

Dr. Vera Beyer
Tel.: (030) 838-561 91
Fax: (030) 838-538 10
E-Mail: vera.beyer@fu-berlin.de