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Freie Universität und Charité zeichnen exzellente forschungsbasierte Geschäftsideen aus

Preisträger im Wettbewerb „Research to Market Challenge“ gekürt

Nr. 249/2016 vom 08.07.2016

Im Ideenwettbewerb „Research to Market Challenge“ der Freien Universität Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin sind am Donnerstag sieben Projekte auszeichnet worden: Den mit 1.500 Euro dotierten ersten Preis im Wettbewerb für IKT-, Medien- und Kreativwirtschaft nahm das Team „Dearemployee“ entgegen; Platz zwei und 1.000 Euro Preisgeld gingen an das Team „FROGO AD“; den mit 500 Euro dotierten dritten Platz erhielt „TrustReflex“. Prämiiert wurden außerdem die besten Ideen für die Gesundheitswirtschaft: Der erste Preis über 1.500 Euro ging das Team „GrOwnValve“, den zweiten Preis und 1.000 Euro erhielt „BlueSwarm“, auf dem mit 500 Euro dotierten dritten Platz folgte „AquaVax“. Einen Sonderpreis des Netzwerks Unternehmertum der Freien Universität Berlin über 1.500 Euro erhielt das Team „H2Solar“.

Teilnehmen konnten Studierende, Absolventen, Doktoranden und wissenschaftliche Mitarbeiter der Freien Universität Berlin, der Charité – Universitätsmedizin Berlin und kooperierender Forschungseinrichtungen. Gesucht waren die besten Verwertungsideen für Forschungsergebnisse. Partner des Wettbewerbs sind die Bayer Pharma AG, die Stiftung Charité, CMS Hasche Sigle, die IBB Beteiligungsgesellschaft und das Netzwerk Unternehmertum der Freien Universität Berlin. Die feierliche Preisverleihung fand vor rund 70 Gästen im Bayer CoLaborator in Berlin-Wedding statt.

„Der Transfer von Wissen in die Wirtschaft und Gesellschaft ist eine wichtige Aufgabe von Hochschulen und Forschungseinrichtungen“, sagte Prof. Dr. Brigitta Schütt, Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin, in ihrem Grußwort anlässlich der Preisverleihung. Die akademische Forschung kann ihren Beitrag zur Lösung drängender Probleme leisten – etwa in der IT-Sicherheit, der medizinischen Versorgung oder bei der Nutzung erneuerbarer Energien. „In der Research to Market Challenge wird dieser Anspruch konkret: Die prämiierten Ideen haben das Potenzial, unseren Alltag zu verändern.“

Der Ideenwettbewerb ist Teil des Projekts „Entrepreneurial Network University“, in deren Rahmen die Freie Universität und die Charité, der gemeinsame medizinische Fachbereich der Freien Universität und der Humboldt-Universität, gemeinsam eine hochschulweite Gründungskultur etablieren. Die Jury hatte insgesamt 34 Einreichungen zu bewerten. Je zehn Teams der Branchen IKT-, Medien-, Kreativwirtschaft und Gesundheitswirtschaft konnten ihre Konzepte in einem Workshop mit Experten verbessern und erneut einreichen.

Die Preisträger im Wettbewerb IKT-, Medien- und Kreativwirtschaft (Fotos auf Anfrage):

1. Platz: Dearemployee digitalisiert die Erfassung und Analyse der psychischen Mitarbeitergesundheit

Durch das Arbeitsschutzgesetz ist jedes Unternehmen in Deutschland dazu verpflichtet, eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Dearemployee will diese Aufgabe des betrieblichen Gesundheitsmanagements mithilfe von Big Data optimieren. Durch Data-Mining-Verfahren und maschinelles Lernen werden bestehende Datenpools genutzt, um Gefährdungscluster in Unternehmen zu identifizieren, passende Maßnahmen zu ermitteln und zuverlässige Anbieter zu empfehlen. Die promovierte Psychologin Amelie Wiedemann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Gesundheitspsychologie der Freien Universität Berlin, der Diplom-Psychologe Daniel Fodor leitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Charité – Universitätsmedizin Berlin ein Forschungsprojekt zur Analyse und Prävention von Arbeitsstress. Beide bringen ihre Forschungsergebnisse bei Dearemployee ein. Der Informatiker Martin Späth ergänzt das Gründerteam mit seiner Erfahrung als Software-Architekt und Entwickler.

2. Platz: FROGO AD ermöglicht Werbetreibenden präzises Wetter-Targeting

Wetter-Targeting lokal und in Echtzeit, das ist der Kern des Geschäftskonzepts von Karim Omar, Erich Schweihofer und David Seydel, die sich im Masterstudium der Wirtschaftsinformatik an der Freien Universität Berlin kennengelernt haben. Mit FROGO AD, einer webbasierten Performance-Marketing-Plattform, können ihre Kunden bestehende Online-Marketing-Kampagnen im Wetterkontext optimieren. Die Werbetreibenden legen dazu eigene Wetter-Parameter wie Windgeschwindigkeit und Temperatur fest und verknüpfen diese mit Strategien für die Werbeschaltung. Über ein innovatives Zonenraster wird der Aufenthaltsort einer Person im Moment der Anzeigenschaltung bis auf wenige Kilometer genau mit dem Wetter am Aufenthaltsort verknüpft.

3. Platz: TrustReflex schafft mehr Sicherheit beim Einkauf im Internet

Transaktionen im Internet sind mit einem Risiko behaftet, das von Nutzern oft ausgeblendet wird. „Certificates“, also die Zertifikate für die Identität von Websites, und „Trusted Seals“, also Gütesiegel für die Vertrauenswürdigkeit von Online-Shops, können leicht gefälscht werden. Das Modell von TrustReflex bringt Vorteile für Online-Händler, Konsumenten und Versicherer: Mit einem innovativen kryptographischen Protokoll schaffen die Informatiker eine sichere Infrastruktur für Online-Transaktionen und treten als Vermittler zwischen Versicherungsunternehmen und Online-Anbietern auf. Wenn die Webshops das Protokoll in ihre Website integrieren, kann der Kunde mit einem Mausklick seine Transaktion versichern lassen und erwirbt Ansprüche für den Schadensfall. Jan-Ole Malchow und Benjamin Güldenring sind wissenschaftliche Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Sichere Identität am Fachbereich Mathematik und Informatik der Freien Universität Berlin. Der Leiter der Arbeitsgruppe, Professor Dr.-Ing. Volker Roth, steht dem Team beratend zur Seite.

Preisträger im Wettbewerb Gesundheitswirtschaft (Fotos auf Anfrage):

1. Platz: GrOwnValve – der innovative Herzklappenersatz aus körpereigenem Material

Die Herzklappe GrOwnValve wird aus körpereigenem Material hergestellt, das dem Patienten ambulant und minimalinvasiv am Herzbeutel entnommen wird. In einem mehrstufigen Verfahren wird daraus mithilfe von MRT- oder CT-Daten eine individuell angepasste Taschenklappe hergestellt. Eine Woche später kann der Herzklappenersatz mittels Katheter demselben Patienten minimalinvasiv eingesetzt werden. Die Herzklappe aus körpereigenem Gewebe hält länger und hat das Potenzial, mitzuwachsen. Sie ruft keine negativen immunologischen Reaktionen hervor und kann in Größe und Form exakt auf den Patienten angepasst werden. Darüber hinaus besticht sie durch geringe Herstellungskosten. Zusammen mit ihren Kollegen vom Deutschen Herzzentrum Berlin wollen der Gruppenleiter Dr. med. Boris Schmidt und der Ingenieur Kai Riemer die Marktzulassung für GrOwnValve innerhalb der nächsten vier Jahre erreichen. Langfristig wollen sie ihr Konzept auch für Herzklappen in der Aortenposition weiterentwickeln.

2. Platz: BlueSwarm erfasst physiologische Patientendaten digital, präzise, kabel- und lückenlos

BlueSwarm löst medizinische Überwachung von Vitalparametern wie Herzfrequenz, Blutdruck, Körpertemperatur oder Sauerstoffsättigung anders: Das kompakte System besteht aus kabellosen, per Funk verbundenen Sensoren, einer Basis- und Ladestation sowie einem Tablet-PC. Die Sensoreinheiten werden wie bei marktüblichen Geräten am Patienten angebracht, erfassen jeweils einen Parameter und können flexibel zusammengestellt werden. Das Tablet funktioniert dabei als Monitor und Steuerzentrale. Ärzte oder Pflegekräfte führen das Tablet in der Kitteltasche mit und können mehrere Patienten gleichzeitig überwachen. Die Sensoren sind klein, keimabweisend, wasserdicht und lassen sich leicht reinigen. Patienten können damit sogar duschen und sich frei auf dem Klinikgelände bewegen. Der Initiator und Mentor des Projekts, Dr. Oliver Opatz, ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und arbeitet seit mehreren Jahren am Zentrum für Weltraummedizin und extreme Umwelten der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Zum Team gehören außerdem die Bioinformatiker Ben Hillmer und Ivo Soares Parchao sowie der Wirtschaftsinformatiker Alexander Brewka.

3. Platz: AquaVax bekämpft Viruskrankheiten mit Mikro-Perlen

Gegen viele Viruserkrankungen gibt es keine Therapie. Meist können nur die Symptome behandelt werden, um dem Körper zu helfen, die Infektion selbst zu heilen. Eine hohe Krankheitslast verursacht zum Beispiel das Norovirus, das über Lebensmittel und Wasser übertragen wird und Durchfall verursacht. Im DFG-Sonderforschungsbereich 765 konnte gezeigt werden, dass multivalente anionische Polymere virale Infektionen wirksam verhindern können. Schwefelhaltiges Material ist besonders vielversprechend, da viele Virushüllen Proteine mit positiver Ladung enthalten, die von negativ geladenen Sulfatgruppen angezogen werden. Auf Grundlage dieser Ergebnisse haben Guy Guday, Meghna Dabur und Yogita Joshi in einem Translationsseminar von Prof. Dr. Rainer Haag an der Freien Universität Berlin ein Konzept für Mikro-Perlen entwickelt, die Viren im Körper und außerhalb des Körpers absorbieren. Parallel zur Interaktion der Ionen nutzen die Mikro-Perlen auch einen Filtermechanismus: Winzigen Poren, die exakt auf die Größe verschiedener Viren angepasst werden können, nehmen die Krankheitserreger auf. Da die Entwicklung eines medizinischen Wirkstoffs für ein Start-up aufgrund hoher Kosten kaum zu realisieren ist, wird das Prinzip zunächst in Wasserfiltern erprobt. Mögliche Anwendungsfelder sind Projekte in Entwicklungsländern, in Krankenhäusern, in Kindertagesstätten und Kreuzfahrtschiffe, in beziehungsweise auf denen es immer wieder zu Ausbrüchen von Norovirus-Infektionen kommt.

Sonderpreis des Netzwerks Unternehmertum der Freien Universität Berlin:

H2Solar entwickelt ein Verfahren, um Wasserstoff solargestützt und dezentral zu gewinnen

Als Energieträger hat Wasserstoff das Potenzial, unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Bisher müssen jedoch ebendiese fossilen Brennstoffe eingesetzt werden, um Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Umweltfreundlich wird der Brennstoff erst durch Photokatalyse, also die Spaltung von Wasser mittels Sonnenlicht. Am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie hat die Chemie-Ingenieurin Anahita Azarpira im Rahmen ihrer Promotion an Projekten zur licht-gestützten Wasserspaltung mitgearbeitet. Schwerpunkt ihrer Forschung waren effiziente Photoelektroden, die Wasserspaltung durch Solarzellen auch kommerziell attraktiv machen könnten. Unterstützung bei der Herstellung und Optimierung von Absorbern erhielt sie dort unter anderem von der promovierten Physikerin Hengemeh Navirian. Nun wollen die beiden Forscherinnen eine Anlage mit modularen Komponenten zur solaren Gewinnung von Wasserstoff entwickeln. Die Anlage soll autark und dezentral arbeiten und aus kostengünstigen Ausgangsmaterialien bestehen. Ein erster Prototyp soll schrittweise optimiert werden, bis seine Leistungskapazität marktfähig ist. Im Berlin Joint ERP Laboratory arbeiten die Forscherinnen auch mit Arbeitsgruppe für EPR-Spektroskopie in der Photovoltaik von Juniorprofessor Jan Behrends an der Freien Universität Berlin zusammen.

Weitere Informationen

Marion Kuka, Profund Innovation, Freie Universität Berlin, E-Mail: marion.kuka@fu-berlin.de; Telefon: (030) 838 736 37