Springe direkt zu Inhalt

Archäologinnen und Archäologen der Freien Universität Berlin graben nach ältester Moschee in Deutschland

Kooperation mit dem brandenburgischen Landesdenkmalamt in Wünsdorf 40 Kilometer südlich von Berlin / Brandenburg plant am Ort Unterkünfte für Asylbewerber

Nr. 222/2015 vom 13.07.2015

Archäologinnen und Archäologen der Freien Universität Berlin suchen in Kooperation mit dem brandenburgischen Landesdenkmalamt in Wünsdorf nach Überresten der ältesten Moschee in Deutschland. Bei dem Ort 40 Kilometer südlich von Berlin handelt es sich um eine Moschee, die während des Ersten Weltkriegs in einem Kriegsgefangenenlager errichtet wurde. Das Deutsche Reich wollte an dem Ort damals Kriegsgefangene islamischen Glaubens aus den Reihen der Entente-Staaten indoktrinieren, also des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und Russlands: Die Kriegsgefangenen sollten bewegt werden, im Krieg fortan gegen ihre Herkunftsstaaten zu kämpfen und für das Bündnis der Mittelmächte einzutreten, darunter neben dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn das Osmanische Reich und Bulgarien. Die Moschee wurde am 13. Juli 1915 – vor 100 Jahren – eingeweiht. Das Land Brandenburg will an dem Ort der früheren Moschee nun Container für Asylbewerber aufstellen lassen. Die dafür notwendigen Bodeneingriffe führen dazu, dass zunächst nach Resten der Moschee gesucht werden soll. Geleitet werden die Grabungen von Prof. Dr. Susan Pollock und Prof. Dr. Reinhard Bernbeck vom Institut für Vorderasiatische Archäologe der Freien Universität. Die Arbeiten sollen bis zum 24. Juli dauern.

Die islamischen Gefangenen sollten in dem sogenannten Halbmondlager nicht nur indoktriniert werden, sie wurden auch als „exotische Objekte“ der Wissenschaft behandelt: Man nahm ihre Sprachen auf und interessierte sich für ihre Musik und Kultur – allerdings als „Völkerzirkus unserer Feinde“, wie der Ethnologe Leo Frobenius damals formulierte. Der Plan des Indoktrinierens war ein Fehlschlag für das Deutsche Reich und dessen Verbündete: Die ersten 2000 vermeintlichen Jihadisten wurden von Deutschland aus 1915 in Richtung des Osmanisches Reich geschickt mit dem Ziel, sie dort in die Armee zu integrieren. Dort wurden die Menschen aber so schlecht behandelt, dass in der Folge der gesamte Plan fallengelassen wurde. Die Moschee wurde noch einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg weitergenutzt, im Jahr 1930 aber abgerissen. Heute verweisen nur noch ein Straßenname und eine kleine Metallplakette in Wünsdorf-Waldstadt auf dieses Bauwerk.

Die Container für Asylbewerber, die das Land aufzustellen plant, sollen auf dem ehemaligen Lagergelände und unter anderem direkt an der Stelle der ehemaligen Moschee errichtet werden. Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es herauszufinden, ob von der ehemaligen Moschee mit Betraum und Minarett noch Reste im Boden erhalten sind.

Weitere Informationen und Interview-Anfragen

Prof. Dr. Reinhard Bernbeck, Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 0157 / 87295964, E-Mail: rbernbec@zedat.fu-berlin.de