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Die Ungleichheit in Europa hat im Laufe der Finanzkrise deutlich zugenommen

Vor allem zwischen den Ländern haben sich die Unterschiede in den durchschnittlich verfügbaren Einkommen verstärkt

Nr. 185/2015 vom 22.06.2015

Die Ungleichheit in Europa hat einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Freien Universität Berlin zufolge im Laufe der Finanzkrise deutlich zugenommen. Wie Wissenschaftler beider Institutionen auf Basis von Daten der European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC) ermittelten, nahm das Einkommensgefälle innerhalb der Länder über die Zeit nur geringfügig zu. Die Unterschiede in den durchschnittlich verfügbaren Einkommen haben sich jedoch zwischen den Ländern verstärkt. Der Ökonom Carsten Schröder, Leiter des Bereiches „Angewandte Panelanalysen“ der Infrastruktureinrichtung Sozio-ökonomisches Panel im DIW Berlin und Professor für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik an der Freien Universität Berlin, erklärte, vor allem in den am meisten von der Krise betroffenen Ländern Griechenland und Portugal sei das durchschnittlich verfügbare Einkommen im Vergleich zu dem in anderen EU-Staaten deutlich zurückgegangen. Die Studie wurde jetzt als DIW Discussionspaper und als Diskussionsbeitrag am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität veröffentlicht.

Die Anpassung der Lebensstandards und der Abbau sozialer Unterschiede zwischen den Ländern zählen zu den wichtigsten Zielen der Europäischen Union. Dennoch beziehen sich die meisten Verteilungsanalysen auf einzelne Staaten. Die vorliegende Studie untersucht dagegen als eine der ersten überhaupt die Einkommensverteilung auf europäischer Ebene vor und nach Ausbruch der Krise. Der Vorteil dieses europaweiten Ansatzes besteht darin, dass neben den Ungleichheiten innerhalb der Länder auch die Unterschiede in den Einkommensniveaus zwischen den Ländern berücksichtigt werden.

Die Forscher betrachteten die Entwicklungen über einen die Finanzkrise umfassenden Zeitraum zum einen in zehn Ländern, die vor oder bis 2001 der europäischen Währungsunion beigetreten waren. Dazu zählen vor allem reichere Länder wie Deutschland, Frankreich und die Niederlande sowie die von der Krise stark getroffenen Mittelmeerländer Portugal, Spanien und Griechenland. Zum anderen analysierten sie die Entwicklung in einem erweiterten Rahmen von 22 EU-Ländern (EU-22), zu denen unter anderem Großbritannien und die osteuropäischen Staaten gehören

Die Berechnungen der Ökonomen zeigen: Innerhalb der zehn bis 2001 beigetretenen Länder hat die Ungleichheit von 2004 bis 2011 leicht zugenommen, wobei der Anstieg unmittelbar nach dem Höhepunkt der Krise besonders stark ausfiel. Die Hauptursache ist ein Anstieg der Ungleichheiten zwischen den Ländern“, sagt Carsten Schröder vom DIW Berlin: Der Gini-Index für die Verteilung über alle zehn betrachteten Länder ist um ca. 7 Prozent von 0,297 in 2004 auf 0,317 in 2011 gestiegen. Lediglich 20,6 Prozent der gesamten Ungleichheit waren dabei im Jahr 2004 auf Ungleichheiten zwischen den Ländern zurückzuführen. Im Jahr 2011 dagegen belief sich derselbe Anteil auf 30,3 Prozent, ein Anstieg um etwa die Hälfte. Innerhalb der einzelnen Nationalstaaten haben sich die Ungleichheitsindizes (Theil-Index und Gini-Koeffizient) im gleichen Zeitraum kaum und wenig systematisch verändert.

In der EU-22 ist die Ungleichheit von 2004 bis zum Ausbruch der Finanzkrise leicht zurückgegangen, wie die Wissenschaftler feststellten. Dieser Trend habe sich nach Beginn der Krise 2007/2008 nicht fortgesetzt. „Das liegt unter anderem daran, dass sich das Durchschnittseinkommen in den Krisenländern, vor allem in Griechenland und Spanien, an das niedrigere Niveau der osteuropäischen Länder angenähert hat“, sagt der Ökonom Timm Bönke von der Freien Universität Berlin.

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