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Studie: Intensität der Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook kann durch Aktivität im Belohnungssystem des Gehirns vorausgesagt werden

Neurowissenschaftler der Freien Universität Berlin zeigen Verbindung von Aktivierungsmuster der mit Belohnung verbundenen Hirnregion Nucleus accumbens und dem Reputationsgewinn durch soziale Medien

Nr. 243/2013 vom 28.08.2013

Wie intensiv Internetnutzer im sozialen Netzwerk Facebook aktiv sind, kann einer Studie der Freien Universität Berlin zufolge durch Aktivierungsmuster im Nuclues accumbens, Teil des Belohnungssystems des Gehirns, vorausgesagt werden. Die Wissenschaftler vom Exzellenzcluster „Languages of Emotion“ setzten dafür erstmals bei Testpersonen Hirnaktivität und die Nutzung sozialer Medien in Beziehung. Im Zentrum der Untersuchungen von Dr. Dar Meshi und seinen Kollegen stand dabei der Reputationsgewinn, den Nutzer sozialer Medien erfahren. Die Ergebnisse wurden in der neuesten Ausgabe der Open-Access-Fachzeitschrift Frontiers in Human Neuroscience veröffentlicht. An der Studie nahmen 31 Testpersonen teil.

Die Wissenschaftler konzentrierten sich mit dem Nucleus accumbens auf eine kleine, aber bedeutende Struktur im Zentrum des Gehirns. Diese Struktur wird mit der Verarbeitung von Belohnung – bei der Nahrungsaufnahme, bei Geld, Sex und Reputationsgewinn – assoziiert. „Es gehört zu den Wesensmerkmalen des Menschen, sich um seine Reputation zu sorgen. Heute läuft dieses Reputationsmanagement für viele über soziale Medien wie Facebook“, erklärt Dar Meshi, Erstautor der Studie.

Facebook wurde für die Studie genutzt, da es mit 1,2 Milliarden aktiver Nutzer zurzeit das größte soziale Netzwerk im Internet ist. Soziale Interaktionen werden hier nicht nur in der Öffentlichkeit beziehungsweise einer Teilöffentlichkeit aus Freunden und Bekannten vollzogen, sie hängen auch oftmals mit dem Reputationsgewinn als Person zusammen. Wenn andere Nutzer der Plattform eine neue Nachricht eines Benutzers mit „gefällt mir“ markieren, könne das als positives soziales Feedback für den Urheber gewertet werden, so die Wissenschaftler.

Alle Studienteilnehmer wurden mittels eines standardisierten Verfahrens (der Facebook Intensity Scale) zu ihren Aktivitäten im Netzwerkmedium befragt. Es wurde unter anderem erhoben, wie viele andere Nutzer jeweils als Facebook-Freunde geführt werden und wie viel Zeit täglich für das Online-Medium verwendet wird. Die untersuchte Gruppe sollte ein möglichst großes Spektrum an Nutzungsgewohnheiten abbilden.

Mit sogenannter funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) wurde die Gehirnaktivität der Probanden in verschiedenen Situationen untersucht. Zuvor hatten sie an einem Videointerview teilgenommen, in denen ihnen Fragen zum Wohnort, Lieblingsfilmen oder sonstigen Interessen gestellt wurden. Im MRT-Scanner wurde ihnen im Anschluss zum einen mitgeteilt, wie positiv eine anomyme Gruppe von „Kritikern“ aufgrund dieser Informationen und ihrer Selbstdarstellung im Interview von ihnen dachte. Zum anderen erfuhren sie, wie jeweils ein anderer Studienteilnehmer eingeschätzt wurde. Darüberhinaus nahmen sie an einem Kartenspiel teil, bei dem sie Geld gewinnen konnten.

Die Wissenschaftler konnten bei positivem Feedback zur eigenen Person zeigen, dass der Nucleus accumbens stärker aktiviert wurde, als wenn es um eine gute Einschätzung einer anderen Person ging. Eine große Differenz beider Werte korrelierte mit der einer intensiveren Facebook-Nutzung. Es zeigte sich also, je stärker die Aktivierung bei Lob der eigenen Person war und je weniger der Nucleus accumbens bei Lob für eine andere Person aktiviert wurde, desto eher handelte es sich bei der Testperson um einen intensiven Facebook-Nutzer. Aus Aktivierung dieser Hirnregion beim Geldgewinn im Glückspiel hingegen konnten keine Rückschlüsse auf die Facebook-Nutzung gezogen werden. Die Kritiker-Gruppe und Feedback in Form von beschreibenden Adjektiven wie „ehrlich“, „entspannt“ oder „intelligent“ waren dabei eine für das Experiment fingierte „Cover-Story“ und keine tatsächliche Einschätzung.

„Mit unserer Studie konnten wir zeigen, dass mit der Art der Verarbeitung sozialer Anerkennung im linken Nucleus accumbens die Intensität der Facebook-Nutzung von Individuen vorausgesagt werden kann“, sagt Dar Meshi. „Die Ergebnisse erweitern unser Wissen darüber, ob und in welchem Maße eine spezifische Aktivierung des Nucleus accumbens Rückschlüsse auf komplexe menschliche Verhaltensweisen zulässt.“

Die Studienergebnisse könnten darüber hinaus wichtige Impulse für die klinische Forschung und für  die Lern- und Bildungsforschung geben, da eine Facebook-Nutzung und die individuelle Aktivierung im Belohnungssystem des Gehirns miteinander in Verbindung gebracht werden können. Die Autoren betonen jedoch, dass die Studie keine Rückschlüsse darüber zulässt, ob durch das positive soziale Feedback Menschen zu aktiven Facebook-Usern werden oder ob die intensive Nutzung sozialer Medien die Verarbeitung von sozialem Feedback im Gehirn verändert.

Die Studie entstand im Rahmen des Exzellenzclusters „Languages of Emotion“ der Freien Universität Berlin und wurde mit Mitteln der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder unterstützt.

Literatur

Dar Meshi, Carmen Morawetz and Hauke Heekeren: Nucleus accumbens response to gains in reputation for the self relative to gains for others predicts social media use, in: Frontiers in Human Neurosience, DOI: 10.3389/fnhum.2013.00439.

Im Internet

www.frontiersin.org/human%20neuroscience/10.3389/fnhum.2013.00439/abstract

Weitere Informationen

  • Dr. Dar Meshi, Exzellenzcluster „Languages of Emotion“, Fachbereich Erziehungswissenschaften und Psychologie, Freie Universität Berlin, Telefon 030 838 / 55749, E-Mail: darmeshi@yahoo.com
  • Dr. Nina Diezemann, Presse und Kommunikation, Freie Universität Berlin, Telefon 030 838 / 73190, E-Mail: nina.diezemann@fu-berlin.de