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Fahrzeug allein mit den Augen gesteuert

Vorführung von Informatikern der Freien Universität auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof

Nr. 106/2010 vom 23.04.2010

Das Fahrzeug wird alleine durch die Augenbewegungen des Fahrers gesteuert

Das Fahrzeug wird alleine durch die Augenbewegungen des Fahrers gesteuert
Bildquelle: Christian Kielmann

Augenbewegungen des Fahrers werden über zwei an einem Helm angebrachten Kameras erfasst und in Steuersignale für das Lenkrad umgewandelt

An einem Helm angebrachte Kameras erfassen die Augenbewegungen des Fahrers, die in Steuersignale für das Lenkrad umgewandelt werden
Bildquelle: Christian Kielmann

Raúl Rojas ist Professor für Künstliche Intelligenz am Institut für Informatik der Freien Universität Berlin

Raúl Rojas ist Professor für Künstliche Intelligenz am Institut für Informatik der Freien Universität Berlin
Bildquelle: Christian Kielmann

Im Projekt AutoNOMOS arbeiten Prof. Rojas und sein team an der Weiterentwicklung von Autonomie- und Fahrerassistenzsystemen

Im Projekt AutoNOMOS arbeiten Prof. Rojas und sein Team an der Weiterentwicklung von Autonomie- und Fahrerassistenzsystemen
Bildquelle: Christian Kielmann

Mehr als 60 Journalisten aus aller Welt nahmen an der Pressevorführung teil

Mehr als 60 Journalisten aus aller Welt nahmen an der Pressevorführung teil
Bildquelle: Christian Kielmann

Informatikprofessor Raúl Rojas und sein Team der Arbeitsgruppe Künstliche Intelligenz der Freien Universität Berlin haben heute demonstriert, wie sich ein mit komplexer Elektronik ausgestattetes Fahrzeug allein mit den Augen steuern lässt. Mehr als 60 Journalisten aus aller Welt verfolgten die Vorführung auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof. Ein Video, Fotos sowie weitere Informationen sind im Online-Magazin der Freien Universität „campus.leben“ abrufbar.

Informationen zur Software: EyeDriver

Die eyeDriver-Software ist eine prototypische Anwendung zur Steuerung des Forscherfahrzeugs Spirit of Berlin (siehe unten) mittels Augenbewegungen, die von Informatikern der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit der Firma SMI (SensoMotoric Instruments) entwickelt wurde. Die Augenbewegungen des Fahrers werden erfasst und in Steuersignale für das Lenkrad umgewandelt. Die Geschwindigkeitssteuerung erfolgt separat und ist nicht Teil von eyeDriver. Die Software zeigt, dass man ein Fahrzeug allein mit Augenbewegungen lenken kann.

Zum Erfassen und Verfolgen der Augenbewegung wird die HED4 - Lösung der Firma SMI verwendet. Dabei handelt es sich um einen umgerüsteten Fahrradhelm, der mit zwei Kameras und einer Infrarot-LED ausgestattet ist, sowie einen Laptop-Computer mit spezieller Software. Während eine der beiden Kameras nach vorne ausgerichtet ist und damit die Perspektive des Helmträgers hat („Szenenkamera“), dient die andere Kamera dazu, ein Auge des Trägers zu filmen („Augenkamera“). Das Infrarotlicht dient zur Unterstützung der Augenkamera und ist auf das zu beobachtende Auge ausgerichtet. Um einen günstigen Betrachtungswinkel für die Augenkamera zu ermöglichen, ohne die Sicht des Trägers zu beschränken, wird ein transparenter Spiegel verwendet, der lediglich das Infrarotlicht reflektiert.

Nach einer kurzen Kalibrierung ist die Software auf dem Laptop des HED4 nicht nur in der Lage, die Position der Pupille in der Augenkamera zu erfassen, sondern kann auch berechnen, an welche Stelle in der Szenenkamera der Träger momentan schaut. Diese Koordinaten im Bild der Szenenkamera (Blickposition) werden über ein gewöhnliches LAN an den Bordcomputer im Spirit of Berlin übertragen.

Die eyeDriver-Software auf dem Computer an Bord von Spirit of Berlin empfängt die Blickpositionen in regelmäßigen Abständen über das LAN im Fahrzeug und verwendet sie zur Steuerung des Lenkrades. Dabei kann zwischen zwei Modi gewählt werden: „Freie Fahrt“ und „Wegewahl“.

Im Modus „Freie Fahrt“ werden die Blickpositionen direkt mit dem Lenkrad-Motor gekoppelt. Das bedeutet, dass die x-Koordinate der Blickposition verwendet wird, um die gewünschte Position des Lenkrades zu berechnen. Je weiter der Blick des Fahrers also nach links bzw. rechts wandert, desto weiter dreht sich auch das Lenkrad in die entsprechende Richtung. Die Geschwindigkeit des Fahrzeuges wird vorab eingestellt und konstant gehalten, solange die Position des Blickes erfasst wird. Sollte einmal nicht erkannt werden, wohin der Fahrer blickt, etwa. weil er die Augen schließt, bremst das Fahrzeug zur Sicherheit automatisch ab.

Im Modus „Wegewahl“ dagegen steuert Spirit of Berlin die meiste Zeit selbst, fährt also autonom. Lediglich an Weggabelungen, wie z.B. Kreuzungen, hält das Fahrzeug an und bittet den Fahrer mittels Sprachausgabe darum, die nächste Route zu bestimmen. Dafür muss der Träger des Helms für drei Sekunden nach links bzw. rechts blicken. Verweilt sein Blick lange genug in einer Richtung, wird ihm von der eyeDriver-Software akustisch bestätigt, dass die Wahl akzeptiert wurde. Die getroffene Entscheidung wird dem Fahrplaner im Fahrzeug mitgeteilt. Daraufhin kann die künstliche Intelligenz im Spirit of Berlin die weitere Route entsprechend planen und die Fahrt autonom fortsetzen.

Das Projekt: Autonome Fahrzeuge

Prof. Dr. Raúl Rojas ist Professor für Künstliche Intelligenz am Institut für Informatik der Freien Universität Berlin. Bekannt wurde er durch internationale Erfolge mit seinen Fußballrobotern, den “FU-Fighters”. Sie sind  zweifacher Weltmeister der Smallsize League. Seit 2006 entwickelt Prof. Rojas mit seinem Team Technologien rund um das Thema „Autonome Fahrzeuge“. Dabei entstand unter anderem das Forscherfahrzeug Spirit of Berlin, mit dem Rojas erfolgreich das Semi-Finale der DARPA Urban Challenge 2007 in Kalifornien erreichte.

Aufbauend auf dem Testfahrzeug entwickelten die Informatiker Tinosch Ganjineh und Miao Wang im Herbst 2009 in der Reihe “innovative Fahrzeugsteuerungen” den iDriver, der die Fernsteuerung des Forscherfahrzeug über ein iPhone ermöglicht. Diese Reihe ergänzt nun die Software EyeDriver. Sie wurde primär von Miao Wang  und David Latotzky in Zusammenarbeit mit der Firma SMI entwickelt. Bei diesen beiden Entwicklungen handelt es sich lediglich um Teilprojekte, den Kern der Forschung stellt weiterhin das autonome Fahren dar.

Das Projekt: AutoNOMOS

Seit November 2009 arbeitet das Team von Prof. Rojas an der Weiterentwicklung von Autonomie- und Fahrerassistenzsystemen im Projekt AutoNOMOS unter der Leitung von Tinosch Ganjineh. Das Projekt ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Programms „Forschung für den Markt im Team“ (ForMaT) und hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Das Projekt soll einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung einer unfallfreien, effizienten und umweltgerechten Mobilität leisten. AutoNOMOS ist eine Art Baukastensystem von Autonomie- und Fahrerassistenzfunktionen mit Komponenten der Laser- und Kamerasensorik, satellitenbasierter Navigation und Verfahren für autonomes und vorausschauendes kognitives Fahrverhalten. Die Funktionen werden so entwickelt, dass sie für unterschiedliche Fahrzeugtypen (Pkw, Lkw, Sonderfahrzeuge) konfigurierbar sind und bezüglich ihrer Leistung und ihrer Anwendungsbereiche skaliert werden können. Mithilfe von AutoNOMOS können drohende Gefahren auf Straßen, Autobahnen und Kreuzungen (Spurwechsel, Staus, Vorfahrtsregeln) frühzeitig erkannt und Unfälle vermieden werden.

Bei entsprechender Technologiereife soll das System zunächst schrittweise auf Privatgeländen und schließlich im öffentlichen Verkehr eingeführt werden.

Das Fahrzeug: Spirit of Berlin

Spirit of Berlin ist ein autonomes Fahrzeug welches von der AG Künstliche Intelligenz seit 2007 an der Freien Universität Berlin konzipiert und realisiert wird. Dabei handelt es sich um ein selbstständig fahrendes, führerloses Auto. Um dies zu ermöglichen, wurde ein konventioneller PKW (Dodge Grand Caravan, 2000) zusätzlich mit Sensoren, Computern und Aktoren ausgestattet. Die Sensoren erfüllen dabei die Aufgabe, Informationen über die unmittelbare Umgebung zu sammeln und sind damit für die Wahrnehmung verantwortlich. Aufbauend auf diesem Wissen, trifft die Software auf den Computern die eigentliche Entscheidung, was zu tun ist. Die daraus resultierende Aktion wird dann mit Hilfe der Aktoren mechanisch umgesetzt.

Weitere Informationen

  • Raúl Rojas, Arbeitsgruppe Künstliche Intelligenz am Institut für Informatik der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838 – 75102, E-Mail: rojas@inf.fu-berlin.de
  • Tinosch Ganjineh, AG Künstliche Intelligenz, Institut für Informatik, Tel.: 030 / 838-75128, E-Mail: ganjineh@inf.fu-berlin.de

Das Video zur Vorführung finden Sie ab sofort unter www.fu-berlin.de/campusleben/videos im Internet. Weitere Informationen sowie Bilder folgen gegen 16 Uhr auf www.fu-berlin.de/campusleben.