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Zukunft der Rente – Schutz vor Sozialer Ausgrenzung?

Ergebnisse des internationalen Forschungsprojektes „Private Pensions and Social Inclusion in Europe“ in Berlin präsentiert

Nr. 194/2005 vom 23.11.2005

Noch nie wurde das deutsche Rentensystem so einschneidend reformiert wie in den Jahren 2001 bis 2004: Die zusätzliche kapitalgedeckte Privatvorsorge („Riester-Rente“), der Nachhaltigkeitsfaktor, die nachgelagerte Besteuerung und die „Rürup-Rente“ wurden eingeführt. Das sinkende Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung soll durch eigenverantwortliche Vorsorge ergänzt werden. Doch schützt das neue System Durchschnitts- und Geringverdiener vor sozialer Ausgrenzung?

Dieser Frage ging das internationale Forschungsprojekt „Private Pensions and Social Inclusion in Europe“ nach. Gefördert durch die Europäische Union untersuchten Teams in Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Polen, der Schweiz und in Deutschland, wie das Zusammenspiel von Markt und Staat dazu beiträgt, verschiedene Erwerbs- und Lebensverläufe von heutigen Berufsanfängern im Alter einmal abzusichern. Die Studie leitete Barbara Riedmüller, Professorin am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.

„Die Ergebnisse für Deutschland sind ernüchternd und ermutigend zugleich“, sagte Barbara Riedmüller bei der Präsentation der Ergebnisse am Mittwoch in Berlin. „Im Vergleich mit jenen Ländern, in denen die Rentensysteme schon länger auf private Vorsorge bauen, steht Deutschland ausgesprochen schlecht da. Und das ist ernüchternd. Ermutigend ist aber, dass sich schon kurz nach den Rentenreformen vor allem in den Betrieben eine lebendige Vorsorgelandschaft entwickelt hat, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit durchschnittlichen Einkommen vor Altersarmut bewahrt.“

Dabei zeigt der internationale Vergleich, dass zwei Elemente ausschlaggebend für den Schutz gegen soziale Ausgrenzung sind: umfassende Betriebsrentensysteme und eine ausreichende Mindestrente.

Die Bundesrepublik Deutschland hat bislang beides nicht. Für Teilzeiterwerbstätige, Langzeitarbeitslose und Migranten ist die Lage im neuen Rentensystem deshalb kritisch. Ihre Einkünfte aus dem reformierten Rentensystem sind nicht armutsfest. Offen bleibt die Frage, ob Selbstständige genug für ihr Alter vorsorgen.

Die private Vorsorgelandschaft entwickelt sich jedoch durchaus positiv. Besonders bei den Betriebsrenten tut sich etwas. Wie die Studie ergab, liegt das besonders am Engagement einiger Gewerkschaften, an kostengünstigen Lösungen für die Unternehmer und an der Aktivität der Betriebsräte. Als kritisch beurteilt die Wissenschaftlerin jedoch die geringe Verbreitung in den kleinen und mittleren Betrieben sowie die mangelhafte Berücksichtigung von Kindererziehung und Pflege in der betrieblichen Vorsorge.

Als ein innovatives Instrument bezeichnet Riedmüller die „Riester-Rente“. Die staatliche Förderung mit Zuschüssen macht sie besonders attraktiv für Familien. Auch Niedrigverdienerinnen oder Arbeitnehmer, die häufiger den Arbeitsplatz wechseln bzw. von Phasen der Erwerbslosigkeit betroffen sind, können profitieren. Allerdings ist es besonders für diese Gruppen schwierig, das noch unübersichtliche Produktangebot zu verstehen und in eine private Vorsorge umzusetzen.

Teilzeiterwerbstätige, Langzeitarbeitslose, Migranten und auch Selbstständige werden die sozialen Sicherungssysteme zunehmend herausfordern. Die Politik bleibt in der Verantwortung für angemessene Renten. Die gestiegene Zahl der für die Sicherungssysteme zuständigen Akteure macht einen sozialpolitischen Konsens im Sinne der Betroffenen jedoch schwierig.

„Der Markt kann viel, aber nicht alles“, schlussfolgert Barbara Riedmüller.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Barbara Riedmüller und Michaela Willert, Tel.: 030 / 838-53316, E-Mail: europen@zedat.fu-berlin.de

Eine ausführliche Zusammenfassung der Projektergebnisse erhalten Sie kostenfrei bei Michaela Willert.