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Otto-Klung-Weberbank-Preis 2005 an Professor Markus Greiner

Junger Physiker erhält einen der renommiertesten Wissenschaftspreise in Deutschland

Nr. 182/2005 vom 03.11.2005

Der 32-jährige deutsche Physiker Prof. Dr. Markus Greiner erhält in diesem Jahr den erstmals mit 50.000 Euro dotierten Otto-Klung-Weberbank-Preis. Auf Vorschlag der Auswahlkommission am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin wird Greiner für seine grundlegenden Arbeiten in der Physik gewürdigt: insbesondere für seine bahnbrechenden Arbeiten zur Quantenphysik atomarer Bose-Einstein-Kondensate in optischen Gitterpotentialen sowie zur Bose-Einstein-Kondensation molekularer und fermionischer Quantengase.

Eine mögliche Anwendung der Ergebnisse seiner Grundlagenforschung liegt u.a. in der Entwicklung eines Quantencomputers. Zurzeit ist er noch Utopie, aber theoretisch funktioniert er, und seine potentielle Kapazität ist unvorstellbar groß. Er müßte nicht mit dem binären Code, 0 oder 1, nacheinander seine Aufgaben abarbeiten, sondern könnte auch Überlagerungen von Zuständen erfassen und gleichzeitig bearbeiten. Führt der von Professor Greiner und Kollegen eingeschlagene Weg zum Erfolg, können womöglich Rechenoperationen, für die bislang Monate benötigt werden, zukünftig in Sekundenschnelle erledigt werden. Physiker hoffen zudem, daß weitere Forschung auf diesem Gebiet helfen wird, die Mysterien der Hochtemperatursupraleitung aufzuklären. Praktikablere Hochtemperatur-Supraleiter könnten in vielen Bereichen die Energieeffizienz deutlich erhöhen.

Der Otto-Klung-Weberbank-Preis wird im jährlichen Wechsel zwischen den Disziplinen Chemie und Physik an herausragende jüngere deutsche Wissenschaftler vergeben, seit 2001 in Kooperation zwischen der Otto-Klung-Stiftung an der Freien Universität Berlin und der Fördergesellschaft der Weberbank gGmbH. Mit einem in diesem Jahr erstmals vergebenen Preisgeld von 50.000 Euro zählt er zu den höchstdotierten Wissenschaftspreisen in Deutschland. Die Verdoppelung des Preisgeldes wurde ermöglicht durch einen Kunden der Weberbank, der von Zielsetzung und Umsetzung des Preises begeistert war und einen eigenen Beitrag zur Unterstützung von Nachwuchswissenschaftlern leisten wollte.

Klung-Logo-klDer Preis wird seit 1973 vergeben; fünf der bisherigen Preisträger haben später auch den Nobelpreis erhalten, so auch der diesjährige Physik-Nobelpreisträger Theodor Hänsch (Otto-Klung-Preis 1979). Die Otto-Klung-Stiftung besteht seit 1973 als Vermächtnis des Berliner Kaufmanns Otto Klung (1893-1968). Nach den Chemikern Tom Tuschl (2002) und Peter H. Seeberger (2004) sowie dem Physiker Joachim Spatz (2003), die alle die menschliche Zelle und damit biologische Aspekte der Wissenschaft ins Zentrum ihrer Arbeit stellen, wird nun mit Greiner ein Grundlagenforscher der Quantenphysik prämiert.

Markus Greiner arbeitet seit Sommer 2005 als Assistant Professor an der Harvard Universität in Cambridge, MA, wo er seine eigene Arbeitsgruppe aufbaut. Vorher forschte er als Postdoc in der Arbeitsgruppe von Professor Deborah Jin, Joint Institute of Laboratory Astrophysics (JILA) an der University of Colorado in Boulder, sowie in München an der Ludwig Maximilians Universität und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik in der Arbeitsgruppe von Professor Theodor W. Hänsch.

Zu den Hauptgebieten der Greinerschen Forschungsarbeit zählt die künstliche Erzeugung komplexer Quantensysteme mit Hilfe ultrakalter Atome. Hierbei wird ein Gas von Atomen auf extrem kalte Temperaturen wenige milliardstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt (minus 273 Grad Celsius) abgekühlt. Bei diesen Temperaturen verlieren die Atome ihre Individualität, und es entsteht ein wellenartiger Zustand der Materie: ein Bose-Einstein-Kondensat.

Greiner und Mitarbeitern ist es gelungen, in einem solchen System zwei neue Materiezustände der Atomphysik zu erzeugen:

1.) Der erste Zustand, ein Mott-Isolator, entsteht, wenn ein Bose-Einstein-Kondensat in einem künstlichen Kristallgitter aus Licht gespeichert wird. Wie die Forscher bereits experimentell zeigen konnten, eignet sich der Mott-Isolator hervorragend als Ausgangspunkt, um hochverschränkte Quantenzustände zu erzeugen. Dies eröffnet die Perspektive, langfristig einen Quantencomputer zu entwickeln, der auf der Basis von ultrakalten Atomen funktioniert.

2.) Fermionische Atome können nur kondensieren, wenn sie sich zu Paaren zusammenschließen. Ein solches Fermikondensat wurde seit langem vorhergesagt und konnte von Greiner und Kollegen erstmals experimentell realisiert werden. Forscher hoffen, daß Experimente auf diesem Gebiet helfen werden, Effekte der Hochtemperatur-Supraleitung besser zu verstehen. Dies könnte eines Tages zur Entwicklung von Supraleitern führen, die schon bei Raumtemperatur jeglichen elektrischen Widerstand verlieren und es daher erlauben, Strom verlustfrei über weite Distanzen zu transportieren.

Zurzeit arbeitet Markus Greiner an der Entwicklung eines Quantengas-Mikroskops, das weitere Einblicke in die faszinierende Welt der Quantenmechanik erlauben soll.

Weitere Informationen

  • Otto-Klung-Stiftung, c/o Freie Universität Berlin, Kurt Hammer, Tel.: 030 / 833 54 34
  • Freie Universität Berlin, Fachbereich Physik, Inst. f. Experimentalphysik, Prof. Dr. Günter Kaindl, Tel.: 030 / 838 52977
  • Fördergesellschaft der Weberbank gGmbH, Robert Heiduck, Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 030 / 89798-388
  • Pof. Dr. Markus Greiner, Department of Physics, Harvard University, Cambridge, MA (USA), Tel.: +1 / 617 / 595 38 11

Lebenslauf

Prof. Dr. Markus Greiner, Otto-Klung-Weberbank-Preisträger 2005

Markus Greiner, geboren am 20.8.1973 in Hannover. 1993 begann er an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Physik zu studieren.

Nach dem Diplom ging er in die Arbeitsgruppe von Professor Theodor Hänsch (Otto-Klung-Preis 1979, Nobelpreis 2005), wo er im Jahre 2003 promovierte: Es gelang ihm, mit ultrakalten Atomen in optischen Gittern einen neuartigen, exotischen Quantenzustand zu erzeugen, einen sogenannten Mott Isolator. Diese Experimente, die er zusammen mit Olaf Mandel und Immanuel Bloch durchführte, begründeten ein neues Feld der Physik, in dem Fragen moderner Festkörperphysik mit Hilfe künstlich erzeugter Quantensysteme studiert werden können. 2004 erhielt dafür von der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft APS den Preis für die beste Doktorarbeit des Jahres; für eine in Deutschland angefertigte Arbeit ein Novum.

In den Jahren 2004 und 2005 war er als Postdoc in der Arbeitsgruppe von Professor Deborah Jin, Joint Institute of Laboratory Astrophysics (JILA) an der University of Colorado in Boulder tätig. Dort gelang es ihm, zusammen mit seiner Kollegin Cindy Regal, das erste Fermi Kondensat zu erzeugen. Diese Superflüssigkeit, gebildet aus Paaren fermionischer Atome, ist ein seit langem vorausgesagter neuer Materiezustand der Atomphysik und könnte zum besseren Verständnis von Hochtemperatur-Supraleitern führen.

Seit Sommer 2005 ist Markus Greiner Assistant Professor an der Harvard Universität in Cambridge, MA. Dort baut er seine eigene Arbeitsgruppe auf, die sich der Erzeugung komplexer Quantensysteme auf der Basis ultrakalter Atome widmet.