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Im frostigen Element

Hans-Joachim Streuber geht nach 33 Jahren im Tieftemperaturlabor am Fachbereich Physik in den Ruhestand

04.03.2013

Ganz in seinem Element - Hans-Joachim Streuber im Tieftemperaturlabor in der Arnimallee 14.

Ganz in seinem Element - Hans-Joachim Streuber im Tieftemperaturlabor in der Arnimallee 14.
Bildquelle: Christian Poeschel

Die meisten wissen nur so viel: Helium lässt Luftballons steigen und verhilft, wenn man das Gas einatmet, zu einer Micky-Maus-Stimme. Dass Helium viel mehr kann, weiß Hans-Joachim Streuber am besten. Der ausgebildete Feinmechaniker arbeitet seit 1980 im Tieftemperaturlabor am Fachbereich Physik der Freien Universität, dem größten Flüssig-Helium-Lieferanten Berlins.

Am vermeintlich kältesten Ort der Universität, der zentralen Kältemittelversorgung, herrscht wider Erwarten Raumtemperatur. Der einzige Hinweis auf arktische Kälte sind die Eiszapfen, die an unisolierten Magnetventilen wachsen. In einem grauen Kittel steht Streuber zwischen den mannshohen Edelstahlbottichen und erläutert, wie die Kälte erzeugt wird.

Mithilfe des sogenannten Gegenstromverfahrens wird Helium verflüssigt. Durch Kompressoren wird der Druck des Heliumgases erhöht und im nächsten Schritt durch Stickstoff hinuntergekühlt. Nur ein Siebtel des Heliums verflüssigt sich und fließt weiter in vakuumisolierte Metalltanks, wo es durch Ruhen weiter an Temperatur verliert. Das restliche noch gasförmige Helium wird wieder zurück geleitetet und unterläuft das Verfahren von vorne.

Erst bei Minus 269 Grad Celsius wird Helium flüssig. Dann kann es dazu eingesetzt werden, Bewegung in Materie zu verlangsamen oder erstarren zu lassen. Eingesetzt wird flüssiges Helium unter anderem bei der Grundlagenforschung in verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel in der Weltraumforschung, der Nachrichtentechnik und der Medizin.

Streubers liebstes Beispiel sind „diese modernen Fernsehgeräte“: Denn auch das Grundprinzip der Plasmabildschirme, miterforscht  an der Freien Universität, basiert auf Flüssig-Helium-Experimenten. Mit jährlich 150.000 Liter flüssigem Helium, die der Fachbereich Physik produziert, ist die Kältemittelversorgung der größte Flüssig-Helium-Lieferant in Berlin.

Dass er sich einmal so viele Jahre mit dem chemischen Element beschäftigen würde, hätte Hans-Joachim Streuber selbst nie gedacht. Nach dem Schulabschluss arbeitete der gebürtige Norddeutsche erst bei der Post und machte dann eine Ausbildung zum Feinmechaniker. Es folgte ein Zwischenstopp in München, dann verschlug es ihn nach Berlin zur Firma Bosch.

Eher zufällig landete er 1971 am Fritz-Haber-Institut. Hier nahm Streubers Leidenschaft zum flüssigen Gas ihren Anfang. Als Ende der Siebzigerjahre die Kältemittelversorgung an den Fachbereich Physik der Freien Univesität zog, zog auch Hans-Joachim Streuber mit. Seitdem arbeitet er in der Arnimallee 14 in Dahlem.

Stickstoffvorkühlung,Verflüssigungsrate, Running-Screw-Kompressor – wenn der Physikfan Streuber über Helium spricht, merkt man sofort, wie viel Spaß er an der Materie hat. „Irgendwann haben Schulklassen angefragt, ob wir ihnen mal etwas zeigen können. Und seitdem doziere ich nebenher.“

Einige Male pro Jahr, zum Beispiel zum Girls‘ Day, versucht er bei Kindern und Jugendlichen Faszination für sein eisiges Fachgebiet zu wecken. „Wir waren zuhause sieben Geschwister, da habe ich von klein auf gelernt, mit Kindern umzugehen und sie zu begeistern.“

Zu seinem Alltag im Tieftemperaturenlabor gehören Reparaturen, Maschinenwartung und Buchführung über den Heliumverbrauch. Ein Höhepunkt in seinem Berufsleben: die Begegnung mit Physik- Nobelpreisträger Ernst Ruska in den Siebzigerjahren. Dass seine Zeit an der Freien Universität mit dem Eintritt in den Ruhestand zu Ende ist, stimmt ihn auch ein bisschen traurig: „Solch ein Betrieb setzt ein funktionierendes Team voraus, und natürlich kommt dann Wehmut auf.“ Vor allem die Kollegen wird Hans-Joachim Streuber vermissen – und sein Helium natürlich.